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Risikoreiche Operation der Bauchspeicheldrüse © MAS

Fiasko der staatlichen, kantonalen Spitalplanung

upg /  Viele Spitäler führen heikle Operationen weniger als einmal im Monat durch. Das zahlen Behandelte mit vermeidbaren Komplikationen.

Auf eine staatlich gelenkte Medizin ist in der Schweiz kein Verlass. Obwohl seit langem erwiesen ist, dass Übung den Meister macht und deshalb heikle Operationen von einem Spitalteam regelmässig durchgeführt werden sollten, um unnötige Komplikationen und Todesfälle zu vermeiden, geht das Jekami in der Schweiz munter weiter.
Im Jahr 2011 hatten allein in der Deutschschweiz 19 Spitäler die risikoreiche Operation der Bauchspeicheldrüse (Pankreas) lediglich zwischen 1 und 9 mal durchgeführt. Darüber hatte Infosperber berichtet («In kleinen Spitälern ist das Todesrisiko grösser» vom 15.10.2013).
Vor kurzem hat das Bundesamt für Gesundheit die Fallzahlen des Jahres 2012 veröffentlicht. Der «Sonntags-Blick» hat die Pankreas-Statistik in der heutigen Ausgabe vom 10.8.2014 ausgewertet. Und siehe da: Auch im Jahr 2012 gab es in der Deutschschweiz wiederum 19 Spitäler, welche Bauchspeicheldrüsen-Operationen weniger als zehnmal im Jahr durchführten. «Gemessen an der Zahl der Fälle ist die Zahl der Spitäler, die komplexe Operationen vornehmen, drei- bis fünfmal zu hoch», erklärt Professor Pierre-Alain Clavien, Chirurg am Zürcher Universitätsspital im «Sonntags-Blick». Dieser titelte entsprechend: «Patienten Aufgepasst! Vielen Chirurgen fehlt die Übung beim Operieren». Zu ergänzen ist, dass es nicht nur auf den Chirurgen ankommt, sondern auf das ganze Team im Spital, das Probleme rechtzeitig erkennen und vermeidbare Komplikationen verhindern muss.
Versagen der Kantone
Hauptverantwortliche sind die Kantone, die schon seit jeher die Kompetenz haben, den Spitälern Auflagen zu machen, damit sie in die kassenpflichtigen Spitallisten aufgenommen werden. Doch die Gesundheitsdirektionen schaffen es offensichtlich nicht, bei der Spital-Lobby auch nur Mindestfallzahlen vorzuschreiben. Einige Kantone «wagen» jetzt diesen Schritt und schreiben neu, wie etwa der Kanton Zürich, mindestens zehn Operationen pro Jahr vor. Bei manchen besonders risikoreichen Operationen wie die der Bauchspeicheldrüse reichen allerdings zehn Operation pro Jahr nicht aus, um die nötige Routine zu erreichen.
Handschellen für die Krankenkassen
Die Krankenkassen müssen dem Treiben der Kantone zusehen und sind verpflichtet, sämtliche Rechnungen aller Spitäler auf den kantonalen Spitallisten zu zahlen. Sie stehen unter Vertragszwang. Wenn es zu vermeidbaren Komplikationen kommt, müssen die Kassen auch diese zahlen.
Anders in den Niederlanden: Dort können sich Kassen weigern, Operationen zu zahlen, wenn sie ein Spital zu wenig häufig durchführt. Sie können ihre Vertragsfreiheit nutzen, um Spitäler mit guter Behandlungsqualität zu bevorteilen.
Das hat in Holland dazu geführt, dass Spitäler von selber aufhörten, möglichst alles anzubieten, und sich spezialisierten – zum Vorteil der Patientinnen und Patienten.
2012 starben in den Niederlanden nur noch halb so viele Patienten bei oder nach der Entfernung der Bauchspeicheldrüse wie fünf Jahre vorher, freut sich Jan Maarten van den Berg vom niederländischen Gesundheitsinspektorat, das den Erfolg von Operationen überwacht. Wesentlich dazu beigetragen hätten höhere Fallzahlen und das seriöse Erfassen und Vergleichen von Komplikationen.
NACHTRAG: REAKTION DER INTERKANTONALEN GESUNDHEITSDIREKTORENKONFERENZ SIEHE UNTEN

SPITÄLER DER DEUTSCHEN SCHWEIZ, DIE 2012 WENIGER ALS ZEHN OPERATIONEN DER BAUCHSPEICHELDRÜSE VORNAHMEN

NACHTRAG: REAKTION DER INTERKANTONALEN GESUNDHEITSKONFERENZ GDK

Michael Jordi, Zentralsekretär der GDK, macht darauf aufmerksam, dass die GDK zwar spät aber doch auf das gravierende Problem der zu kleinen Fallzahlen reagiert hat. Tatsächlich beschloss die GDK am 10.9.2013, dass Spitäler in der Schweiz ab 2014 während einer Übergangsfrist mindestens 10 Operationen der Bauchspeicheldrüse nachweisen müssen, ab 2016 mindestens 20 pro Jahr.

Sechzehn leider nicht namentlich bekannte Spitäler mit weniger als 10 Eingriffen pro Jahr haben sich beim Bundesverwaltungsgericht gegen die GDK-Vorgabe beschwert und dort wegen eines Formfehlers der GDK vorläufig recht bekommen. Als Folge davon wird die Qualitätsvorgabe von mindestens 10 bzw. 20 Operationen jährlich für die ganze Schweiz verzögert.

Die einzelnen Kantone hätten allerdings schon längst solche Mindest-Fallzahlen vorschreiben können.

Der Kanton Zürich nimmt für die Bauchspeicheldrüsen-Operation nur noch Spitäler in die kassenpflichtige Spitalliste auf, welche mindestens 10 Eingriffe pro Jahr vornehmen. Solche kantonalen Regelungen bleiben in Kraft. Jahrzehntelang liessen die einzelnen Kantone das Jekami der Spitäler gewähren und sind deshalb für viele vermeidbare Komplikationen und Todesfälle verantwortlich.

So begründete die GDK ihre Vorgaben von mindestens 10 bzw. 20 Operationen der Bauchspeicheldrüse am 10.9.2013

  • «Für die Pankreasresektion gibt es gesicherte wissenschaftliche Evidenz, dass Krankenhäuser mit grösseren Behandlungsvolumina eine niedrigere Mortalität und bessere Langzeitergebnisse aufweisen. Das HSM Beschlussorgan geht deshalb davon aus, dass eine verstärkte Koordination bzw. Konzentration dieser Eingriffe zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität führt.»
  • «Für die Pankreasresektion ist ein interdisziplinäres und hochspezialisiertes Team erforderlich. Dies gilt nicht nur für den eigentlichen operativen Eingriff, sondern auch für die präoperative Vorbereitung des Eingriffs sowie die postoperative Betreuung dieser Patientinnen und Patienten inklusive der Beherrschung allfälliger Komplikationen am Standort des Eingriffs. Zudem ist die ärztliche und pflegerische Weiterbildung in diesen Techniken eine wichtige Aufgabe, die nur in einem genügend grossen Team mit entsprechend hohen Fallzahlen in der notwendigen Qualität angeboten werden kann.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

Arztfehler_Schere

Vermeidbare Arzt- und Spitalfehler

In Schweizer Spitälern sterben jedes Jahr etwa 2500 Patientinnen und Patienten wegen vermeidbarer Fehler.

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Eine Meinung zu

  • am 10.08.2014 um 16:49 Uhr
    Permalink

    Wir sollten nicht vergessen, dass das Fiasko der Spitalplanung in erster Linie darauf zurückzuführen ist, dass «der Staat» vor 25, als sich immer weniger Schweizer zusatzversichern wollten, nicht einen grossen Teil der Privatkliniken Konkurs gehen liess sondern alle von ihnen staatlich gerettet hat, indem er für Allgemeinpatienten die Kosten übernahm und so den Bettenbestand der Schweiz (in der Grundversorgung) gleich um viele Tausend Betten vermehrt hatte.

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