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Der Tiertransporter Al-Kuwait, der 2005 Schafe aus Australien geladen hatte, in Oman. © cc-by Tom Jervis

Gravierende Mängel auf Tiertransportschiffen

Daniela Gschweng /  Die Viehfrachter der EU sind eine Gefahr für Mensch und Tier, fand eine Studie, die 78 Schiffe untersucht hat.

Müssen Behörden in EU-Ländern Tiertransporte in nicht-EU-Länder genehmigen, stehen sie häufig vor einem Dilemma: Mangels Kontrollmöglichkeiten können sie das Tierwohl auf den teilweise sehr langen Transportwegen kaum garantieren. Besonders Tiertransporte nach Nordafrika, den Nahen Osten, Zentralasien oder auch in die Türkei stehen deshalb seit langem in der Kritik.

Eine Studie der französischen Organisation Robin des Bois, der deutschen Animal Welfare Foundation (AWF) und des Tierschutzbundes Zürich gibt der Kritik nun zusätzlich Auftrieb. Das durchschnittliche in der EU zugelassene Tiertransportschiff könne «als minderwertiges Schiff bezeichnet werden», schliesst die Studie aus den Daten von 78 von der EU für den Transport lebender Tiere zugelassenen Schiffe.

Mehr Mängel als jede andere Schiffskategorie

Das englische «substandard ship» liesse sich möglicherweise auch als «unterdurchschnittlich» übersetzen, die Fakten eher nicht. Die Mängel sind gravierend. Die meisten der untersuchten Schiffe sind überdurchschnittlich alt. Bis auf fünf Schiffe wurden die ehemaligen Containerschiffe, Autotransporter und Kühlschiffe in einem Alter für den Tiertransport umgerüstet, in dem andere Schiffe verschrottet werden, konstantiert die im Auftrag des Untersuchungsausschusses zum Schutz von Tieren bei Transporten im EU-Parlament (ANIT) erstellte Studie.

Teilweise erklären Alter und Umrüstung, dass fast alle überprüften Viehtransporter überdurchschnittlich häufig Mängel aufwiesen – mehr als jede andere Schiffskategorie. Für die Tiere, die tage- bis wochenlang auf den Schiffen eingesperrt sind, ist ein nachträglicher Umbau selten optimal. So werden zusätzliche Decks eingezogen, der Schwerpunkt des Schiffes verändert sich, technische Anlagen sind nicht optimal angelegt. Auch für die Mannschaft und die Allgemeinheit kann das gefährlich sein, speziell dann, wenn die Schiffe nicht regelmässig gewartet werden.

Bedingt seetauglich

Zwei Drittel der überprüften Schiffe wiesen in den vergangenen zwei Jahren unter anderem Mängel bei der Navigationssicherheit, beim Brandschutz und dem Arbeits- und Gesundheitsschutz der Crew auf. Bei der Hälfte fanden sich strukturelle Mängel, maschinelle Mängel sowie Mängel am Notfall- und Kommunikationssystem. Insgesamt wurden bei den 78 untersuchten Schiffen in den letzten zwei Jahren 2504 Verstösse aufgezeichnet.

Einige spektakuläre Unfälle der letzten Jahre, bei denen zehntausende Tiere starben, verdeutlichen, dass das kein rein theoretisches Problem ist. Die Wahrscheinlichkeit eines Totalausfalls sei bei Viehfrachtern doppelt so hoch wie bei allen anderen Transportschiffen, berechnete der «Guardian» im Oktober 2020. 

Unter schwarzer Flagge

Unter dem Strich sei ein europäischer Viehtransporter ein Hochrisikoschiff, sagt die AWF-Expertin Iris Baumgärtner gegenüber der «Süddeutschen Zeitung». Baumgärtner bezieht sich dabei auf die Art der Flagge, unter der die Schiffe registriert sind. Die Schifffahrt unterscheidet dabei zwischen «weissen» Flaggen, bei denen es selten zu Beanstandungen kommt, «grauen» und «schwarzen» Flaggen. Letzteres fasst die Flaggen von Ländern zusammen, bei deren Schiffen es häufig Mängel gibt.

Wenig überraschend finden sich auf der «schwarzen Liste» sogenannte Billigflaggen oder FOCs (siehe Kasten) aus Panama, den Komoren oder dem Libanon. 43 Schiffe, mehr als die Hälfte der EU-Viehtransporter, sind unter einer «schwarzen» Flagge registriert. Das bedeutet im Zweifelsfall weniger Vorschriften und Kontrollen.

Ausflaggung («Flags of Convenience», FOCs)

Um Kosten zu sparen, melden Reeder ihre Schiffe bei der Ausflaggung in anderen Ländern an. Etwa weil dort die Steuersätze niedriger, die «Heuer», also die Gehälter der Seeleute, günstiger oder die Regulierungen weniger streng sind. Um eine Zulassung zu bekommen, reicht in manchen Ländern schon eine Briefkastenfirma im betreffenden Staat. So kann ein Reeder aus den Niederlanden seine Schiffe unter panamaischer Flagge fahren lassen.

«Flags of Convenience», wie diese Operation auf Englisch heisst, werden deutsch oft als «Billigflaggen» bezeichnet. Für die Länder, die die offene Schiffsregistrierung anbieten, ist diese oft eine wichtige Einkommensquelle. Die BBC erklärt das in diesem Artikel von 2014 am Beispiel von Panama. Möglichkeiten, Verstösse gegen internationales Recht oder beispielsweise auch Unfälle zu untersuchen, haben diese Länder oft nur in geringem Masse.

Ausflaggung steht manchmal in Verbindung mit Umweltverbrechen, illegaler Fischerei oder Steuerhinterziehung. Sie ist – formaljuristisch – legal und wird von Reedereien auch immer wieder angedroht, um in Steuerdebatten Einfluss zu nehmen. Sie verschleiert die Besitzverhältnisse, und es ist unter Umständen schwer, den wirklichen Eigentümer eines Schiffs zu finden.

Ausflaggung ist legal, sie taucht aber auch im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung, illegaler Fischerei und umweltschädlichen Verschrottungspraktiken auf, auch beim Verschrotten von Ölplattformen findet sie Verwendung.

Tierschützer fordern EU-Registrierung

Tierschutzorganisationen fordern seit längerer Zeit, dass Schiffe, die Tiere in und aus der EU transportieren, auch dort zugelassen sein müssen und nur Transportern aus der «weissen» Kategorie überhaupt erlaubt werden soll, lebende Tiere zu verschiffen.

Drei Millionen Tiere werden pro Jahr aus der Europäischen Union exportiert, grösstenteils Rinder und Schafe. Vor allem viele Kälber sind in der EU überflüssig, da eine Kuh zwar regelmässig kalben muss, wenn sie weiter Milch geben soll, die Kälber von Milchvieh für die Mast aber nicht geeignet sind.

Gerade für Kälber sind Transporte besonders anstrengend. Abhilfe schaffen könnte unter anderem die vermehrte Verwendung von Zweinutzungsrassen, die aber noch wenig verbreitet ist, weil dafür die Bauern Einbussen bei der Milch- und Fleischausbeute hinnehmen müssen.

Angenehm ist die Überfahrt auch für ausgewachsene Tiere auf keinen Fall. Der Tierschutzverbund Zürich beschreibt die gegenwärtigen Zustände als «katastrophal». Lange Wartezeiten in den Häfen seien üblich, brutale Verladepraktiken auch. Die Tiere müssen oft die ganze Zeit stehen, weil nicht genügend Platz ist, nicht selten stehen sie im eigenen Mist und werden davon krank. An Bord gebe es oft keine medizinische Versorgung, kontrolliert werde selten. Wie viele Tiere die Überfahrt nicht überleben, ist unbekannt. Die Kadaver gehen auf der Reise über Bord, genauso wie Gülle und Mist, Zahlen werden nicht gemeldet.

Nicht, dass sonst alles in Ordnung wäre

Tiertransporte über weite Strecken sind auch sonst oft die reinste Tierquälerei, führen Tierrechtsorganisationen an. Bei Schiffstransporten ist die Lage besonders unübersichtlich, weil auf See kaum kontrolliert werden kann. Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen sind auch bei Überlandtransporten oft unzulässig lange Zeit in engen, schlecht belüfteten Transportfahrzeugen eingesperrt, leiden unter Hitze, Kälte, Hunger, Durst und Enge oder werden beim Transport verletzt.

Die Kritik an diesen Zuständen wird intensiver. Bekannt geworden ist zum Beispiel der Fall einer Amtstierärztin im bayerischen Landshut, die sich 2019 weigerte, eine trächtige Kuh für den Transport nach Usbekistan freizugeben. Das Land Bayern verbot kurz darauf den Tierexport in 17 Staaten. Andere deutsche Länder sind sich weniger einig. Ein Vorstoss im deutschen Bundesrat, Tiertransporte in 17 Drittländer für alle deutschen Länder zu verbieten, scheiterte am 25. Juni in der Länderkammer.

Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner setzte sich drei Tage später auf einem Treffen der europäischen Agrarminister dennoch für ein Verbot von Tiertransporten in Drittstaaten ein – eine Kehrtwende. Bisher hatte sie stets auf die Verantwortung der Länder verwiesen. Auch Luxemburg und die Niederlande sprachen sich dafür aus.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

Kuh

Landwirtschaft

Massentierhaltung? Bio? Gentechnisch? Zu teuer? Verarbeitende Industrie? Verbände? Lobbys?

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4 Meinungen

  • am 5.07.2021 um 00:31 Uhr
    Permalink

    Tierschutzorganisationen sind keine objektive Instanzen. Ihre Existenz sichern sie nur indem sie mit Hilfe der Medien regelmässig Skandale veröffentlichen.

    Die Tiere auf den Transportschiffen wurden mit Geld bezahlt. Sie Haben also einen Wert. Tiere die während dem Transport sterben, abmagern oder sich sonstwie entwerten sind deshalb nicht erwünscht.

    All die Fragen um den Tierschutz können unterschiedlich bewertet werden. Das scheint vielen nicht klar zu sein. Vielen scheint nicht klar zu sein dass sie sich diesbezüglich eine totalitäre Gesinnung angeeignet haben.

  • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
    am 5.07.2021 um 08:34 Uhr
    Permalink

    @Alfred Schmid Sie übersehen eins: natürlich sind lebende Tiere geldwerte Ware, als solche werden sie rechnerisch auch behandelt – mit wenig Rücksicht auf das Tierwohl, wenn schlechte Bedinungen trotz Ausfall rentieren. Dasselbe geschieht ja mit Menschen, solange sich schlechte Arbeitsbedingungen rechnen. Die Daten, die Robin de Bois ausgewertet hat, stammen von Schiffahrts- und Hafenbehörden, die Verstösse festhalten. Diese stehen sicher nicht im Verdacht «totalitärer Gesinnung».

  • am 5.07.2021 um 10:36 Uhr
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    Das ist ein ganz finsteres Kapitel. Seit vielen Jahren kämpfen Tierschutzorganisationen vergeblich gegen ein Verbot dieser äusserst brutalen Transporte, die massenhaft stattfinden. Das Elend ist auch dank engagierten Medienberichten bekannt, auch den PolitikerInnen und wird im wahrsten Sinne in Kauf genommen. Das Verbot muss möglichst rasch kommen, der Tiere wegen, aber auch um der menschlichen Zivilisation willen, deren Grausamkeit gegenüber den Mitgeschöpfen ebenso grenzenlos wie würdelos ist. Sieht so die angebliche Ueberlegenheit aus? Danke für den Bericht.

  • am 7.07.2021 um 09:01 Uhr
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    Man sollte endlich mit dem Transport von lebenden Tieren, die am Ende als Fleisch zum Verzehr dienen aufhören! Fleisch als Tiefkühlgut transportiert verursacht viel weniger Leiden bei Tieren.

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