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Das ZDF kauft bei einem Zürcher Carbon-Credit Händler ein klimaschädliches Putzmittel grün. Fragen stellt das Unternehmen keine. © ZDF

Eins, zwei, Klimaschummelei – CO2 kompensieren leicht gemacht

Daniela Gschweng /  Die ZDF-Frontal-Redaktion zeigt auf, wie einfach es ist, mit CO2-Zertifikaten noch das klimaschädlichste Produkt grün zu waschen.

CO2-Gutschriften sind dafür gedacht, klimaschädliche Emissionen zu kompensieren, die sich vom Hersteller auch mit der grössten Mühe nicht mehr einschränken lassen. So sieht das zumindest der Gesetzgeber. Aber werden sie auch so genutzt? Und kompensieren sie tatsächlich Klimaemissionen?

Daran gibt es nach diversen Enthüllungen und einer grossen Recherche Anfang 2023 erhebliche Zweifel.

Die Redaktion von ZDF Frontal hat es ausprobiert. Sie gründete eine Scheinfirma und mischte ein extra klimaschädliches Reinigungsmittel mit grünen Marketing-Slogans zusammen.

Das schmutzige Putzmittel

«Ecoviel» sei «Gut für Mensch und Natur» wirbt die Firma «CDF Reinigungstechnik». Das sei zwar dreist, rechtlich aber völlig in Ordnung, versichert Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der bei der Rezeptur half.

Neben Erdöl-Derivaten, Alkohol und Kokosfett enthält der Universalreiniger flüssigen Kunststoff und einige Duftstoffe. Verpackt ist er in einer dicken, fabrikneuen PET-Flasche. Ein Behälter, der wenigstens teilweise aus Recycling-Kunststoff hergestellt ist, würde schon eine ganze Menge CO2 einsparen, genauso wie eine klimabewusste Rezeptur. Aber das wollten die Frontal-Journalist:innen ja gerade nicht.

Zwei Millionen Flaschen «Ecoviel» emittieren auf ihrem Lebensweg 2986 Tonnen CO2, rechnet das Institut für Technischen Umweltschutz der TU Berlin für ZDF Frontal aus – etwa so viel wie 2000 Autos pro Jahr ausstossen.

Für 2400 Euro sind 3000 Tonnen CO2 grüngewaschen

Kompensation ist aber kein Problem, findet die Redaktion. Ein Klima-Zertifikat samt Siegel gibt es für 2400 Euro problemlos vom Zürcher Unternehmen Carbon Connect. Der schmutzige Reiniger ist damit «klimaneutral», das Siegel wird auf die Flasche gedruckt.

Und das, obwohl «CDF Reinigungstechnik» nur einen Bruchteil der Emissionen kompensiert hat, nämlich 120 Tonnen. Details, die den Händler nicht interessieren. Dass Unternehmen nur Teile des tatsächlichen Klimaschadens ausgleichen und damit davonkommen, kommt häufiger vor. Umstritten sei zum Beispiel die Klimabilanz des Autoherstellers Mercedes, der für ein Fahrzeug eine Laufleistung von 200’000 Kilometern angibt. Realistisch seien eher 250’000 bis 300’000 Kilometer.  

Für Zertifikate Kleinbauern über den Tisch gezogen

«Wir machen aus CO2-Emissionen Wald», wirbt der Zertifikat-Händler Carbon Connect. Die ZDF-Journalist:innen wollten auch das genau wissen und reisten «ihrem» Zertifikat nach. Im Amazonas trafen sie auf Kleinbauern, die das fragliche Waldstück in Subsistenzwirtschaft bewirtschaften. Dem Wald schaden sie dabei kaum. Ihre kleinen Felder verschieben sie alle fünf Jahre, damit er sich erholen kann.

Von den CO2-Händlern sind sie tief enttäuscht. Von den Versprechungen, für die sie ihre Rechte aufgegeben hätten, sei keine einzige wahr geworden, sagen sie. Die versprochenen Solarzellen hätten sie beispielsweise nie bekommen. Soziale Projekte habe es nicht gegeben. «Das ist illegal», sagt die Anwältin Andreia Barreto, die deshalb Klage wegen Landraubs eingereicht hat.

Das betroffene Gebiet wäre nicht einmal von Entwaldung betroffen gewesen, urteilt die Kompensationsexpertin Jutta Kill. Im Gegensatz zu anderen Gegenden ganz in der Nähe. Für die Betreiberfirma also eine gute Möglichkeit, «ohne Aufwand Emissionsgutschriften zu verkaufen und Reibach zu machen», sagt sie. Leider keine Ausnahme, stellte eine grosse Recherche Anfang 2023 fest. Der Grossteil der Kompensations-Gutschriften kompensiere gar nichts, fand sie (Infosperber berichtete).

Schweigsame Betreiber im Steuerparadies

Die Betreiberfirma Amazon Forest People, die die Zertifikate an Carbon Connect verkauft hat, sitzt auf der steuergünstigen Kanalinsel Guernsey. Zu den Endkunden zählen Schwergewichte wie Siemens, Samsung und Boeing, aber auch öffentliche Unternehmen wie ein deutscher Energieversorger. Auf Nachfrage äussert sie sich nicht.

Inzwischen werden Unternehmen, die kompensieren wollen oder müssen, selbst Carbon-Credit-Händler, berichtet das ZDF-Magazin. VW zum Beispiel hat eigens ein Unternehmen gegründet, das Klimagutschriften verkauft. Nachfrage gibt es reichlich. Bis spätestens 2050 wollen oder müssen Konzerne wie Apple, Shell, Mercedes und viele andere Unternehmen klimaneutral werden – das verkünden sie zumindest in ihrer Werbung.  

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Berichtigung vom 31. Januar 2024

Im obign Artikel heisst es, die Firma Carbon Connect habe Klimazertifikate der Firma Amazon Forest People gekauft. Das stimmte nicht. Zutreffend ist, dass die Firma Carbon Connect das beschriebene Waldprojekt im Amazonas auf ihrer Webseite und auf Facebook beworben hat. Der Anwalt der Firma sagte dazu, es sei kein befriedigender Report erhältlich gewesen, weshalb «ein entsprechendes Projekt nie durchgeführt wurde».


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

3719017725_8c14405266

Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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2 Meinungen

  • am 31.12.2023 um 16:38 Uhr
    Permalink

    Der Infosperber ist Gold wert 🙂 – ja, das mit den Zertifikaten ist so eine Sache, das sieht man auch bei den Herkunftsnachweisen (HKN) bei Strom, wo ganz offiziell isländische Ökostromzertifikate (notabene betreibt Island ein Inselnetz und ist nicht mit dem europäischen Festlandstromnetz verbunden) nach Deutschland (und wohl auch Schweiz …) verkauft werden. Diese Zertifikate werden sogar doppelt genutzt, wie golem.de recherchiert hatte.
    Und in der Schweiz gründen wir jetzt einen neuen Zertifikatshandel: einen für Effizienz beim elektrischen Strom – Verteilnetzbetreiber, welche die im Mantelerlass gesetzten Effizienziele (die lächerlich niedrig sind) nicht erreichen, können sich dann Effizienzzertifikate kaufen …

    PS: eine Zertifikatsexpertin meinte mir gegenüber einmal, dass sie bei CO2-zertifikatskompensierten Produkten von «klimaneutralisiert» anstelle von «klimaneutral» rede.

  • am 31.12.2023 um 18:51 Uhr
    Permalink

    Huch, was für eine Überraschung, das hätte man im Kapitalismus nicht erwarten können. Ein paar bereichern sich, nachhaltig ist daran kaum etwas, aber alle fühlen sich besser, solange niemand nachfragt und so genau wissen will es ja eh keiner – man will sich ja wohlfühlen, beim «kompensieren». Wie bei der «Sommerzeit» – was und ob es was bringt will niemand wirklich wissen, aber irgendwas von «Energie sparen» faseln und schon ist man wieder in der Wohlfühlzone.
    Der Mensch: Beachtliche Fähigkeit zum Selbstbetrug und zum Aufrechterhalten von Illusionen in denen er gerne lebt.

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