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Im Geschäft mit Ölpalmen aus Afrika läuft viel über die Schweiz. © weyo/Depositphotos

Sexuelle Ausbeutung und Vertreibung auf Socfin-Plantagen

Red. /  Gewalt auf Kautschuk- und Palmöl-Plantagen in Afrika. Mittendrin ist der Konzern Socfin, der von Fribourg aus Agrarhandel betreibt.

(Red.) In Afrika macht der Firmenname Socfin viel von sich reden. Hierzulande kennen ihn vermutlich nur wenige. Die Organisation «Koalition für Konzernverantwortung» publizierte soeben einen kritischen Bericht über das Wirken des Agrarkonzerns in Afrika, der dort im Geschäft mit Palmöl eine grosse Rolle spielt. Infosperber publiziert eine gekürzte Version des Artikels, der unter dem Titel «Sexuelle Ausbeutung, Vertreibung und Verschmutzung um Socfin-Plantagen» erschienen ist.

Als die kamerunische Bäuerin Agnes Soppo im Jahr 2022 mit einem Sack Palmnüssen von ihrem Feld nach Hause läuft, muss sie die lokale Socfin-Plantage durchqueren. Dort trifft sie auf einen Wachmann, der sie beschuldigt, die Palmnüsse von Socfin gestohlen zu haben. Im Gegenzug solle sie nun mit ihm Geschlechtsverkehr haben. Als sie das ablehnt, erhebt er die Machete und befiehlt ihr, sich auszuziehen, um sie anschliessend zu vergewaltigen.

Agnes Soppo ist nicht die einzige Betroffene, die gegenüber Medien erzählt hat, was ihr widerfahren ist, und die bis heute für Gerechtigkeit kämpft. Denn der Vorfall auf der Socfin-Plantage in Kamerun ist kein Einzelfall. Unsere Recherche zeigt, dass rund um mindestens 15 Plantagen in verschiedenen Ländern, die dem Agrarkonzern Socfin gehören, in den letzten Jahren Vorwürfe der lokalen Bevölkerung oder von Nichtregierungsorganisationen erhoben wurden. Unabhängig voneinander, aber aufgrund von ähnlichen Problemen: Sexuelle Ausbeutung, Gewalt, die Vertreibung von ihrem Land oder die Verschmutzung von Wasser.

Dennoch ist Socfin für viele in Europa kaum ein Begriff. Denn der undurchsichtige Konzern, der über 30 ineinander verschachtelte Tochterfirmen betreibt, ist dafür berüchtigt, sich rabiat gegen Kritik zu wehren und seine Kritiker:innen mit Klagen einzudecken.

Koloniale Vergangenheit

Die Société Financière des Caoutchoucs (Socfin) wurde 1909 gegründet und unterhält Palmöl- und Kautschukplantagen in zehn Ländern Afrikas und Asiens, die fast alle von Kolonialmächten besetzt waren: Elfenbeinküste, Ghana, Indonesien, Kambodscha, Kamerun, Demokratische Republik Kongo, Liberia, Nigeria, São Tomé und Príncipe und Sierra Leone.

Während der Kolonialzeit war Socfin eine der führenden Plantagenbetreiberinnen. Als die Kolonien in den 1960er- und 70er-Jahren allmählich unabhängig wurden, verlor Socfin mehrere seiner Plantagen und gründete die Tochterfirma Socfinco – als Wirtschaftsberatungs-Abteilung. Eine Analyse der Weltbank-Archive der Alliance Against Industrial Plantations in West and Central Africa zeigte vor einigen Jahren, wie Socfinco in den 1970er- und 1980er-Jahre im Auftrag der Weltbank in ehemaligen Kolonien staatliche Palmöl- und Kautschukplantagen plante und teilweise auch im Mandat managte. Mit dem Argument, die Wirtschaft dieser Länder aufzubauen, wurde in einigen Fällen die lokale Bevölkerung enteignet, um die staatlichen Plantagen zu errichten.

Als einige solche staatliche Plantagenfirmen nach einigen Jahren hochverschuldet waren, kauften Socfin und Siat (ein belgischer Rohstoffkonzern, der von einem ehemaligen Socfinco-Mitarbeiter gegründet wurde) die Plantagen auf. Heute kontrollieren Siat und Socfin rund einen Viertel der industriellen Palmöl-Plantagen in Afrika.

Bis heute arbeiten zehntausende Arbeiter:innen auf den Plantagen von Socfin. Der Konzern machte 2023 einen Umsatz von rund 863 Millionen Euro.

Der Socfin-Konzern gehört zu 34.75 Prozent dem französischen Milliardär Vincent Bolloré. Insgesamt haben die Bolloré-Gruppe und Socfin gemäss Bloomberg mehr als 50 Verleumdungsklagen gegen Nichtregierungsorganisationen, Journalisten, Medienunternehmen und Autoren eingereicht, die die Praktiken der Unternehmen in verschiedenen Ländern angeprangert hatten.

Landrechte und sexuelle Ausbeutung

Es gibt zwei zentrale Missstände, die im Umfeld vieler Socfin-Plantagen dokumentiert sind. Zum einen wurden viele der Plantagen auf Land errichtet, das von der lokalen Bevölkerung über Jahrhunderte genutzt wurde. Menschen wurden vertrieben, können sich nicht mehr selbst durch Landwirtschaft ernähren oder haben keinen Zugang mehr zu ihren Friedhöfen und sakralen Stätten. Socfin profitiert davon, dass die lokale Bevölkerung entweder von den Regierungen enteignet wurde oder die Landrechte nicht schriftlich festgehalten sind. Dies ist gerade bei indigenen Bevölkerungsgruppen häufig der Fall. Trotzdem sind ihre Rechte in den internationalen Übereinkommen klar festgehalten und müssten von Socfin respektiert werden.

Das zweite wiederkehrende Thema ist die sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Viele Landarbeiterfamilien in den Regionen, in denen Socfin aktiv ist, leben trotz harter Arbeit in grosser wirtschaftlicher Unsicherheit. Die Frauen sind der Willkür ihrer Vorgesetzten auf den Plantagen ausgeliefert, denn sie wissen nicht, ob sie im nächsten Monat immer noch beschäftigt werden oder nicht. Diese Situation wird systematisch ausgenutzt, um die Frauen zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Es sind zudem mehrere Fälle von Übergriffen auf und Vergewaltigungen von Frauen dokumentiert, die nicht auf den Plantagen arbeiten, aber sich in der Nähe von diesen aufgehalten haben.

Gewalt von Sicherheitskräften

Viele der beschriebenen Missstände ziehen sich bereits seit vielen Jahren hin. An verschiedenen Standorten versuchte sich die lokale Bevölkerung zu organisieren, um für ihre Rechte einzustehen. Doch bei Protesten gegen Socfin-Plantagen kam es immer wieder zu Gewalt durch staatliche Sicherheitskräfte, die häufig auf der Seite der viel mächtigeren Konzerne stehen.

Ein neueres Beispiel für diese Gewalt stammt aus Nigeria. Im Jahr 2022 liess die Okomu Oil Palm Company, eine der Tochterfirmen von Socfin, gemäss einem Bericht des Observatoire des Multinationales einen metertiefen Graben um ihre Plantage ausheben und schnitt somit einen Teil der Bevölkerung von der Aussenwelt ab, die darauf angewiesen war, die Plantage zu durchqueren. Im Mai 2022 protestierten die Anwohner:innen und forderten, den Graben wieder zuzuschütten. Die 56-jährige Iyabo Batu hatte an der Demonstration teilgenommen, weil ihre Grosskinder wegen des Grabens die Schule nicht mehr besuchen konnten. Doch bei dieser friedlichen Demonstration wurde Iyabo Batu durch einen Schuss ins Knie verletzt. Batu und mehrere Augenzeugen sind sich sicher, dass Sicherheitsleute der Socfin-Tochterfirma geschossen haben.

Die Socfin-Tochter bestreitet, dass ihre Sicherheitskräfte bewaffnet seien. Doch gemäss Recherchen des Observatoire des Multinationales wird die Sicherheit der Okomu Oil Palm Company sowohl von privaten Sicherheitsleuten als auch von Polizisten und Militärangehörigen gewährleistet. Die Beamten würden zwar von der Bundesregierung bezahlt, aber sie erhielten auch Vergütungen der Firma und würden ihren Anweisungen folgen.

Auch in Kamerun kam es kürzlich zu Gewalt. Ein Frauenverein hatte auf einer brachen Fläche der Socfin-Plantage beim Dorf Apouh à Ngog Kochbananen angebaut. Die Frauen sagen, die Rückgabe ihres Landes sei seit Jahren blockiert und wegen der Plantage gebe es keinen Platz mehr für die Landwirtschaft in der Nähe des Dorfes. Am 26. März 2025 wurden die Pflanzen der Frauen von Plantagenmitarbeitern durch Palmen ersetzt und die Polizei setzte Tränengas gegen die Dorfbewohner:innen ein. «Sie waren mit Gewehren, Tränengas und Schlagstöcken bewaffnet», erzählte der Dorfbewohner Janvier Ematane Ematane einem lokalen Medium. Er kritisiert zudem, dass Socfin das Land neu bepflanzte, obwohl der Konzern von der Lokalregierung angewiesen worden sei, mit den Dorfbewohnern zuerst eine Einigung zu suchen.

Niederlassung in der Schweiz

Obwohl Socfin seinen offiziellen Hauptsitz in Luxemburg hat, wurde in den letzten Jahren der grösste Teil des Rohstoffhandelsgeschäfts und das Plantagenmanagement in die Schweiz verschoben. Der ehemalige Generalsekretär von Socfin begründete diesen Schritt damit, dass der Konzern so von den tiefen Unternehmenssteuern im Kanton Fribourg profitieren könne.

Insgesamt betreibt Socfin in Fribourg vier Tochterfirmen:

  • Sogescol FR ist die Tochterfirma, über die der Rohstoffhandel läuft. Gemäss Homepage von Socfin ist Sogescol zuständig für die Vermarktung und den Export von Kautschuk und Palmöl der konzerneigenen Plantagen.
  • Socfinco FR ist laut Homepage für das Management der Plantagen verantwortlich.
  • Sodimex FR ist die zentrale Beschaffungsstelle für die Plantagen.
  • Induservices FR übernimmt die Entwicklung und Bereitstellung von IT- und Verwaltungslösungen.

Reaktion von Socfin

(Red.) Socfin hat gegenüber der Tageszeitung «La Liberté» die Anschuldigungen zurückgewiesen und betonte, dass der Konzern seit mehreren Jahren die Prävention, Sensibilisierung und Kontrollen gegen jegliche Gewalt verstärkt habe. Im Juni dieses Jahres sei zudem ein neuer Aktionsplan gegen Belästigungen und sexuelle Gewalt in Kraft gesetzt worden. Jeder nachgewiesene Vorfall werde zu sofortigen Sanktionen führen. Auch wird volle Transparenz versprochen. Juliette Müller von der Koalition Konzernverantwortung reagierte skeptisch auf die Versprechen. Socfin habe zu lange die Augen verschlossen und während Jahren keine effektiven Massnahmen gegen Vergewaltigungen ergriffen.  


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Artikel wurde in einer gekürzten Version von der «Koalition für Konzernverantwortung» übernommen.
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