Agrarrohstoff-Börse

Rohstoffhandelsunternehmen profitieren von schwankenden Preisen. © weyo/Depositphotos

Rohstoffhandelskonzerne sind vor allem neue Schattenbanken

Markus Mugglin /  Rohstoffhandelskonzerne verdienen weniger vom Verkauf von Agrargütern als von neuen Finanzierungsgeschäften.

Der Angriffskrieg von Russland in die Ukraine löste auf den Agrarmärkten einen Schock aus. Die Preise schnellten in die Höhe, bescherten den Agrarrohstoffhändlern Rekordgewinne und der Schweiz sowie den Kantonen Genf und Zug einen reichen Steuersegen.  

Seit Ende 2023 liegen die Preise wieder deutlich tiefer, aber noch immer über dem Niveau vor dem Ukraine-Krieg. Sie bewegen sich in einem vergleichsweise engen Band. Aber sie schwanken weiterhin. Und das zahlt sich offenbar aus. Volatilität macht «Profitabilität» möglich. Die Uno-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) stellt im soeben publizierten «Trade and Development Report 2025» fest: «Führende Unternehmen des Agrarrohstoff-Sektors profitieren von der Marktvolatilität.» Die Bruttogewinne der Branche liegen zwar tiefer als in den Rekordjahren 2022-2023, aber «immer noch 2,5 mal höher als in den Jahren 2011-2019». Sie haben «eine neue Reiseflughöhe erreicht», nannte es ein Finanzvorstand im Frühjahr 2025 gegenüber der Agentur Bloomberg.

Neue Finanzpraktiken bringen Profit

Eine «unsichtbare Säule des globalen Handels» macht laut Unctad-Report die Extragewinne möglich. Nicht der Verkauf der realen Güter sei besonders einträglich. «Die Rohstoffhändler verdienen mehr mit Finanzgeschäften als mit dem Transport von Gütern.»

Bei den traditionellen Agrarrohstoffhändlern Cargill, Bunge und Archer Daniels Midland bringen die Finanzgeschäfte zwischen 50 und gut 70 Prozent der Einnahmen ein. Für den Konzern Glencore, der vor allem mit für den Energiesektor wichtigen Rohstoffen handelt, bringen die Finanzgeschäfte mehr als 80 Prozent der Einnahmen ein. (siehe Grafik). Die Unctad folgert: «Die Preisgestaltung für Lebensmittel und Energie spiegelt zunehmend Finanzstrategien und weniger wirtschaftliche Fundamentaldaten.»

Quelle: Unctad, Report 2025, Seite 91

Die oft gehegte Meinung, wonach der Handel mit Rohstoffen ein Geschäft mit grossen Volumen und geringen Margen sein soll, trifft offensichtlich nicht oder zumindest nicht mehr zu. Die Einkünfte resultieren neuerdings vor allem aus den Gewinnen von Derivat-Geschäften, welche die Händler durch den Verkauf von Kontrakten an externe Investoren generieren.  

Finanzialisierung nach globaler Finanzkrise  

Die «Finanzialisierung» der Rohstoffhändler setzte nach der globalen Finanzkrise von 2008/09 ein. Ausgerechnet die damals beschlossene Regulierung des Banken- und Finanzsystems ebnete ihr den Weg – das Dodd-Frank-Regelwerk in den USA, die Direktive «Markets in Financial Instruments» in der EU und die «Basel III»-Bestimmungen. Die Banken mussten strengere Eigenkapitalpolster anlegen und höhere Liquiditätsanforderungen erfüllen. Sie überprüften ihre Geschäftsfelder und zogen sich aus den traditionellen Handelsfinanzierungen zurück, da sie diese nicht mehr als attraktiv genug einschätzten. 

In die Lücke sprangen die Rohstoffhändler. Sie weiteten ihre Finanzaktivitäten aus und verwandelten «sich in der Praxis zu Nichtbanken-Finanzinstitutionen oder Schattenbanken». Nicht mehr der Verkauf der Rohstoffe, von denen die Volkswirtschaften von 80 Entwicklungs- und Schwellenländern abhängen, ist ihr Hauptpfeiler. «Die Einkommen der Händler basieren auf Gewinnen aus Derivaten», stellt der Unctad-Report fest. Sie fallen regelmässig üppig aus: «Seit 2018 machen die Erträge aus Finanzdienstleistungen durchweg 74 bis 76 Prozent der Einnahmen der grossen Agrarhandelsunternehmen aus.»

Das freut die Kantone Genf und Zug sowie die Schweiz als Steuer-Standorte zahlreicher Rohstoffhändler, aber nur wenig die Länder, wo die Güter herkommen.   


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