Deutsche Landwirte entdecken den grünen Strom
Kleinere und mittlere Landwirtschaftsbetriebe versuchen seit jeher, ihr Einkommen mit zusätzlichen Tätigkeiten aufzubessern. In Deutschland hat dieser Trend deutlich zugenommen: Im Jahr 2023 erzielten 137’000 Landwirtschaftsbetriebe Einkommen durch sogenannte Diversifizierung. Das sind mehr als die Hälfte aller Betriebe.
Vor 15 Jahren waren es noch ein Drittel, berichtet die deutsche «Tagesschau» unter Bezug auf das Bundesministerium für Landwirtschaft (BMEL) und das Statistische Bundesamt. Ein Fünftel der Zuverdiener erwirtschaftet damit sogar mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes.
Grüne Energie überholt klassische Nebenerwerbe
Besonders häufig setzen Landwirtinnen und Landwirte auf die Produktion nachhaltiger Energie: Rund die Hälfte der Zuverdienenden betreiben Photovoltaik- oder Biogasanlagen. Auch die Kombination aus Ackerbau und Solartechnik (Agri-Photovoltaik oder Agri-PV) wird immer beliebter.
In Baden-Württemberg dominiere die Solarenergie, berichtet neben «Top Agrar» auch die «Esslinger Zeitung». 2023 betrieben dort über 8600 Betriebe eine Solaranlage, 960 nutzten Biomasse, 680 eine Biogasanlage. Damit hat grüne Stromproduktion klassische Nebeneinkünfte wie die Forstwirtschaft (27 Prozent der Betriebe) oder die Direktvermarktung von Produkten (26 Prozent) überholt.

Auch Lohnarbeiten für andere Landwirtschaftsbetriebe oder Pferdepension gehören zu den häufig genutzten Einkommensquellen, wenn ein Hof sich nicht allein trägt oder finanziell stabiler aufgestellt werden soll.
Mehr Einkommen, mehr Eigenständigkeit
Es geht aber nicht nur ums Geld. Die Gründe für Diversifizierung sind vielfältig. Manche Höfe wollen mehr Wertschöpfung im Betrieb halten, ohne flächenmässig zu wachsen. Andere passen sich an, weil Nachfolger:innen andere Vorstellungen vom Berufsalltag haben. Ein zweites oder drittes Standbein kann da Flexibilität schaffen.
Die «Tagesschau» schildert das Beispiel einer Familie, die neben ihrem Betrieb einen Hofladen sowie ein Hotel mit Restaurant betreibt. Landwirtschaftskammern und Berufsverbände begleiten solche Projekte oft beratend und fördern sie.
Wachsende Nachfrage nach Agri-PV
Auch Agri-Photovoltaik stösst auf wachsendes Interesse. Viele Solarprojekte auf Äckern oder Stalldächern wurden bislang staatlich gefördert. Besonders im Obst- und Weinbau testen Landwirte den doppelten Nutzen: Nahrungsmittel und Strom zugleich zu produzieren.
Die «Deutsche Welle» berichtete bereits vor vier Jahren über Fabian Karthaus, einen Nebenerwerbslandwirt, der Beeren unter Solarpaneelen anbaut. So vermeidet er Folientunnel, schützt seine Pflanzen trotzdem und steigert gleichzeitig Ertrag und Stromproduktion. Damals wollte Karthaus seine Fläche von 0,4 auf zehn Hektaren erweitern, kämpfte aber noch mit der damit verbundenen Bürokratie. Ab einer bestimmten Grösse ist beispielsweise ein Bebauungsplan nötig. Auch andere Solar-Landwirte mit und ohne Agri-PV klagen über solche Hürden.
Viel Potenzial, aber keine Lösung für alle Probleme
In ganz Deutschland gelten schätzungsweise 4,3 Millionen Hektaren als geeignet für Agri-PV. In der Schweiz wird das Potenzial auf über 130 Terawattstunden pro Jahr geschätzt. Nach einer Berechnung der ZHAW müssten bis 2050 nur ein bis zwei Prozent der Agrarflächen damit ausgestattet sein, um bis zu acht Terawattstunden pro Jahr zu produzieren (Infosperber berichtete).
Trotz des Potenzials mahnen die Verbände zur realistischen Einordnung: Diversifizierung sei zwar begrüssenswert, könne aber die schwierigen Marktbedingungen nicht ausgleichen. «Sie kann nicht kompensieren, dass sich über den Verkauf von Milch, Fleisch oder Getreide oft nicht so viel Geld verdienen lässt, wie es notwendig wäre», sagte Philipp Brändle von der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (ABL) gegenüber der «Tagesschau».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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