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«Partnerschaft» zwischen USA und EU nach dem Gusto der Konzerne © greenpeace/cc

TTIP-Leak zeigt: Lobby soll Gesetze vorkochen

Kurt Marti /  Laut einem geleakten EU-Papier sollen Wirtschafts-Lobbyisten und US-Behörden die EU-Gesetze «frühestmöglich» zurechtbiegen können.

Die Nichtregierungs-Organisationen LobbyControl und Attac haben ein EU-Verhandlungspapier zur Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) zwischen der EU und der USA öffentlich gemacht. Dabei geht es um die EU-Position zur sogenannten «Regulatorischen Kooperation». LobbyControl und Attac sprechen von einer «Mogelpackung» und einem «Täuschungsversuch».

Wachsende Macht der Lobbyisten

Laut LobbyControl hat sich die EU-Kommission «durchaus empfindlich für unsere Kritik» und «den öffentlichen Druck von Bürgerinnen und Bürgern» gezeigt. Der umstrittene «Rat für regulatorische Zusammenarbeit» wurde nämlich aus der EU-Verhandlungsposition gestrichen. Doch das ist laut LobbyControl nur eine «kosmetische Korrektur».

Im EU-Verhandlungspapier kommt zwar der Rat nicht mehr vor, wohl aber seine ursprünglichen Funktionen. Die EU-Kommission fordert weiterhin die «frühestmögliche» Einbeziehung von Lobbyisten von US- und EU-Konzernen in den Prozess der Gesetzgebung. Auf diese Weise können die Lobbyisten ökologische und soziale Auflagen schon frühzeitig eliminieren beziehungsweise abschwächen. Beispielsweise im Bereichen der Gentechnik und den Pestiziden.

Demokratische Legitimation fehlt

Die EU-Kommission und die US-Regulierungsbehörden erhalten laut dem EU-Verhandlungspapier viel Einfluss auf die Gesetzgebung der jeweils anderen Seite. Laut LobbyControl ist das «besonders fragwürdig», weil dafür die demokratische Legitimation fehlt: «Warum sollen US-Regulierungsbehörden bei EU-Gesetzen und die EU-Kommission umgekehrt in den USA mitsprechen dürfen?»

Alexandra Strickner von Attac Österreich erklärte gegenüber der österreichischen Tageszeitung «Der Standard»: «Der Einfluss von US- und EU Konzernen, von US-Regulierungsbehörden und von Europäischer Kommission auf den Rechtssetzungsprozesses wird somit festzementiert.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

keine

Zum Infosperber-Dossier:

Konzerne_Weltkugel

Pro und Contra Freihandelsabkommen

Die grossen Konzerne gewinnen. Die Risiken gehen oft zulasten der Staaten und ihrer Bürgerinnen und Bürger.

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4 Meinungen

  • am 17.03.2016 um 12:29 Uhr
    Permalink

    Das System des Liberalismus verursacht Missstände, die schleichende Privatisierung (auch vom Service public) macht die Staaten zu dienstbaren Steigbügelhalter für einige wenige Superreiche, für Konzerne, Multis und für die Hochfinanz etc. mit Staatsgarantie für Gewinnausfälle, sprich die Gewinne gehen an wenige Reiche, die Verluste bezahlen die Steuerzahlenden (Bankenrettung etc.). Der Liberalismus steht für Sozialabbau, Lohndumping, Aushöhlung der Menschenrechte usw., Zerstörung jeder Form von Demokratie, von Solidarität, von sozialer Verantwortung, von Ethik, von Bildung und Kultur, Zerstörung der Umwelt. Der durch die Steuergeschenke an die Wirtschaft und an die Hochfinanz (Unternehmenssteuerreformen etc., Freihandelsabkommen) finanziell geschwächte Staat verliert zusehends die Kontrolle und kann das Wahrnehmungsmanko des «Marktes» und den Wachstumswahn nicht mehr steuern und regulieren.
    Der Einfluss von transnationalen Konzernen und von globalisierten Oligarchen in den Prozess der Gesetzgebung nimmt zu, ökologische und soziale Auflagen sollen abgeschwächt oder eliminiert werden (siehe TISA, TTIP, CETA etc.). Die wirtschaftliche Macht übernimmt immer mehr die politische Macht.
    Nebst der Vollgeldinitiative ist eine Konzernverantwortungsinitiative (EvB) am laufen, die auch zum Thema gehört.

  • am 17.03.2016 um 14:50 Uhr
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    Man muß doch gerichtlich gegen diese vorsätzliche Täuschung der europäischen Bevölkerung vorgehen können ??? Ist da nicht der europäische Gerichtshof für zuständig ??? Für mich sieht das aus wie vorsätzlicher Betrug !!!

  • am 18.03.2016 um 08:28 Uhr
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    Zu Beginn der angedachten Globalisierung Ende Anfangs 90′ sollte die ILO, Internationale Arbeiter Organisation ganznim Sinn und Zeitgeist der 80′ die Handelsverträge ausarbeiten und Verhandlungsführer gegenüber den Staaten sein, also ein Kopf = 1 Stimme so wie man sich demokratische Willensäusserungen eigentlich vorstellt

    Die ILO jedoch war den Kapitalisten viel zu sozial und Arbeiterfreundlich. Auch darauf wurde im The Economist mehrfach hingewiesen und ineffizienzen durch staatliche Regulierung von Arbeiterrechten, Umweltschutz, Streikrechten etc. beklagt. Nichts dürfe die Effizienz privater Entscheidungen bestimmen ausser Kapitaleigentümer selber. Keine staatliche noch demokratische Willensäusserung, weder Streiks, Demonstrationen, Arbeits- Umweltschutzgesetze, Vorschriften, Regeln, Parlamentarische Abstimmungen…

    Daraufhin haben mächtige Akteure die WTO gegründet und diese gezielt gegen die ILO angesetzt um dann deren Verhandlungsführung zu annektieren. Der Hauptgrund für die krass asoziale und ausbeuterische Variante einer Globalisierung die wir heute erdulden müssen und immer noch kein Wort mitreden und schon gar nicht mitbestimmen dürfen.

    In der WTO wurde kein einziger sozialer Parameter verbindlich noch wohlwollend für das Wohl der Gesellschaft, der Familien, unserer Lebensräume reguliert. Es gilt dort die finessen und gerechtigkeit liberalisierter Märkte zu erdulden, ertragen… einer Dystopie gleich

    Heute haben wir 1$ = 1 Stimme. Freiheit und Demokratie?

  • am 18.03.2016 um 11:45 Uhr
    Permalink

    Ja, Hans Schmitz, das wundert mich schon lange, dass alle unsere «Rechtsgelehrten"
    zu all dem schweigen. Es geht nicht nur um die Situation mit Arztzeugnissen. Es geht
    vor allem darum, dass Umsatz vor Gesundheit kommt. nur als Beispiel: die OECD mahnt die Schweiz, dass bei Psychischen Krankheiten mehr therapiert wird, aber weniger mit Ziel zurück zum Arbeitsplatz als in den Vergleichsländern.
    Aber auch unsere Politiker sollten mal offen dazu stehen, warum sie Gesetze unter-
    schreiben, die alles verbieten, was Kosten sparen könnte. Codex alimentarius zeigt bereits, was TTIP & Co bringt.
    Oder BIG FOOD so gefährlich wie Big Tobaco. Nur Tabak wird bekämpft. aber «BIG FOOD». Da erlaubt man Werbung, die bereits auf Buschi und Kleinkinder zielt und so
    Krankheiten vorprogrammiert.
    Warum schweigen die «Rechtsgelehrten"?

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