Sperberauge

Schweizer Wettbewerbskommission prüft Verfahren gegen Google

Urs P. Gasche © Peter Mosimann

Urs P. Gasche /  Google hat in Frankreich eine happige Strafe und eine Änderung der Geschäftspraxis akzeptiert. Die Schweiz kann den Fall aufrollen.

Vor zehn Tagen wurde bekannt, dass Google in Frankreich ein Fehlverhalten eingestanden habe und sich mit der französischen Wettbewerbsbehörde auf einen Vergleich geeinigt hat: Die Tochter des US-Konzerns Alphabet zahlt eine Strafe von 220 Millionen Euro und verpflichtet sich, ihre Geschäftspraktiken zu ändern. Die marktmächtige Plattform hat bei den Werbe-Algorithmen (Google Ad-Manager) eigene Produkte bevorzugt.

Die Leiterin der französischen Wettbewerbsbehörde, Isabelle de Silva, bezeichnete den abgeschlossenen Vergleich als «historisch». Es handle sich um das weltweit erste Urteil, das sich mit den komplexen Algorithmen hinter der Platzierung von Werbeplätzen im Internet befasst», erklärte de Silva in «Le Monde». Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire ergänzte: «Es ist wichtig, dass die grossen, marktbeherrschenden Internet-Plattformen die Wettbewerbsregeln in Frankreich einhalten.»

Jetzt reagiert die Schweizer Wettbewerbskommission

Die Frage lag auf der Hand, warum denn die Schweizer Wettbewerbskommission WEKO bisher kein Verfahren gegen Google eröffnet hat. Grosse Medien haben diese Frage bisher weder gestellt noch beantwortet. Dabei gilt doch in der Schweiz noch mehr als in Frankreich die Devise «Statt Staatsinterventionen möglichst viel dem Markt und den Kräften des Wettbewerbs überlassen». Wird der Wettbewerb ausgehebelt, kann die Wettbewerbskommission Bussen bis zur Höhe von zehn Prozent des in der Schweiz erzielten Umsatzes verhängen.

Infosperber hat der Wettbewerbskommission folgende Frage gestellt:

Wäre beim gleichen Verhalten von Google auch nach dem Schweizer Wettbewerbsrecht ein Verfahren gegen Google möglich gewesen? Falls ja: Hätte die Wettbewerbskommission auch ohne eine Klägerpartei ein ähnliches Verfahren gegen Google eröffnen können?

Antwort der Wettbewerbskommission:

«Soweit wir Informationen zum Entscheid [in Frankreich] entnehmen konnten, könnte der Fall auch in der Schweiz aufgegriffen werden. Wir werden den Entscheid prüfen und insbesondere die möglichen Auswirkungen des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung von Google in Frankreich auf die Schweiz analysieren. Anschliessend entscheiden wir, ob ein Verfahren zu eröffnen ist oder nicht. Für die Eröffnung einer Untersuchung benötigt die Wettbewerbskommission keine Klage oder Anzeige.»

Nachdem Google in Frankreich ein Fehlverhalten eingestanden hat, prüft nun also auch die Schweizer Wettbewerbskommission, ob sie ein Verfahren eröffnet. Ein solches Verfahren könnte sich indessen erübrigen, weil Google nach der akzeptierten Busse in Frankreich versprochen hat, ihre Geschäftspraktiken nicht nur in Frankreich, sondern «auch in anderen Ländern» anzupassen.

Die Kartell-Geschichte der Schweiz zeigt, dass Wettbewerb nicht immer konsequent durchgesetzt wird. Der Marktmacht von Konzernen wird zu wenig Paroli geboten. Die Wettbewerbskommission könnte aktiver sein, wenn ihr die bürgerliche Mehrheit im Parlament deutlich mehr Personal zur Verfügung stellte.


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5 Meinungen

  • am 18.06.2021 um 10:20 Uhr
    Permalink

    Hatte schon gehofft das Google wegen Zensur angeprangert wird…
    War leider nicht so, aber trotzdem gut.

  • am 18.06.2021 um 11:17 Uhr
    Permalink

    Ok – und einerseits gut so !

    Andererseits bin ich mir aber sicher:
    Google hat noch viel mehr drauf, als wir auch nur erahnen können – und daher jucken solche Strafen google kaum.

    Das Problem sehe ich darin, dass man an google nicht vorbeikommt:
    Wo kann man bestens suchen ? ===> frag google
    Wer bietet gute, kostenlose mails ===> frag google

    So lange w i r immer noch nicht in der Lage sind, w e n i g s t e n s e i n e etwa gleich-wertige europäische Alternative dagen zu setzen
    ===> verklagt google
    aber google bleibt unangefochtener Sieger
    mit all den für uns un-erfreulichen Konsequenzen !

    Oder – hat jemand bereits einen Tip zu -wirklich g u t en- Alternativen ?!

    Dann, bitte, her damit – und danke-schön !

    Wolf Gerlach, Ingenieur

  • am 22.06.2021 um 07:33 Uhr
    Permalink

    Zur Bemerkung, dass die Medien in der Schweiz das Thema noch nicht aufgenommen haben: Es scheint eine gewisse Google-Blindheit zu herrschen. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass praktisch flächendeckend alle – ausser die «Republik» und die «WoZ» – mit ihren Online-Auftritten in das Datensaug-Mycel von Google und Konsorten verstrickt sind. Das passiert über so «praktische» Dienstleistungen wie Analytics, Schriften, APIs, Tag Manager etc.
    (Auch der Infosperber meldet die Leser z.B. dieses Artikels an drei Google-Server, ich habe Herrn Gasche vor einigen Wochen darauf aufmerksam gemacht.)
    Eine mit der Firefox-Extension Lightbeam erstellte Visualisierung des Datensaug-Mycels im Allgemeinen und bei den Schweizer Medien im Besonderen ist auf http://www.dateninkontinenz.ch zu finden.
    Offenlegung der Interessen: Der Schreibende ist zusammen mit Pidi unter dem Alias Norf Co-Autor von «Siebenspiel 3: Goggel, Fatzke & Zwitsch, Bande dessinée über das Internet und die Grosse Nase am Mount Rushmore «, wo in einer Episode das Datensaugmycel einen fantastischen Hintergrund abgibt.

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