Sonnenuntergang über der Carmichael-Mine.

Sonnenuntergang über der Carmichael-Mine © Matthew Abbott/Panos

Rohstoffkonzerne reissen sich um Australiens Kohle

Pascal Derungs /  Auch zwei Rohstoffmultis mit Sitz in der Schweiz forcieren den Kohleabbau massiv – ungeachtet der globalen Klimaziele.

Der Schweizer Rohstoffriese «Glencore» und der indische Konzern «Adani» wollen die Kohleförderung in Australien auf neue Rekordwerte treiben. Das dokumentiert eine Reportage der Menschenrechtsorganisation «Public Eye» im Online-Magazin vom Januar 2023. Infosperber fasst im Folgenden die wesentlichsten Fakten und Erkenntnisse daraus zusammen.

Dank Energiekrise boomt der Markt für Kohle 

Der Adani-Konzern plant, die Carmichael-Mine im nordostaustralischen Queensland zu einer der grössten Kohleminen der Welt auszubauen. Firmenchef Gautam Adani ist dank dem Kohleboom zum drittreichsten Mann der Welt aufgestiegen (142,4 Milliarden US-Dollar Vermögen, Stand Mitte November 2022). Adani kontrolliert ein Drittel der indischen Kohleimporte. Wie das Magazin «The New Yorker» im November 2022 berichtete, ist der Konzern in seiner Heimat dafür bekannt, Dörfer zu schleifen und Wälder abzuholzen, um dort riesige Kohleminen zu graben. 

Sprengung in der Carmichael-Mine in Queensland.
Sprengung in der Carmichael-Mine in Queensland

Im April 2020 hat der indische Konzern in Genf über ein lokales Treuhandunternehmen einen Handelszweig eingerichtet, der den Verkauf seiner Kohle organisiert. Laut der spezialisierten Plattform «Global Coal Mine Tracker» ist der indische Kohlekönig Adani mit 60 Projekten hinter «Coal India» der multinationale Konzern mit den meisten Plänen zur Eröffnung neuer Kohleminen weltweit. Der Rohstoff-Multi «Glencore» mit Sitz in der Schweiz rangiert in dieser Liste mit 37 Projekten auf Platz sechs.

Staat und Kohlemultis wittern gigantische Profite

Australien hat die drittgrössten Kohlereserven der Welt. Das würde ausreichen, um noch vier Jahrhunderte lang weiter zu produzieren. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wird australische Kohle zum Dreifachen des Durchschnittspreises der letzten zehn Jahre gehandelt. Das sind profitable Aussichten für weitere Investitionen in den Kohleabbau. Die Landesregierung und die Regierung von Queensland bieten Bergbaukonzernen die Hand für Abbau und Export weiterer 400 Millionen Tonnen Kohle. Es winken 120 Milliarden australische Dollar (76 Milliarden Franken) an Einnahmen. 

Die Kohleminen in Queensland.
Die Kohleminen in Queensland

Die thermische Kohle soll hauptsächlich in fast 10’000 Kilometer entfernten indischen, chinesischen und koreanischen Kraftwerken verbrannt werden. Der führende Kohleförderer Australiens ist der Zuger Konzern «Glencore» mit 15 Minen. Damit bestreitet er zwei Drittel seiner Produktion. Zusammen mit «Adani» und den australischen, chinesischen und japanischen Konkurrenten bildet er ein mächtiges und einflussreiches Netzwerk mit besten Verbindungen in die Medien und die Politik. 

Arbeitsbeschaffung als Feigenblatt für Ausbeutung

In Queensland nimmt die Kohlelobby für sich in Anspruch, 58,8 Milliarden australische Dollar (über 37 Milliarden Franken) zur lokalen Wirtschaft beizutragen und 292’000 Arbeitsplätze zu schaffen, davon 35’000 direkte. Die Bevölkerung in den ländlichen Gebieten im Landesinneren ist sehr abhängig von diesen Arbeitsplätzen. Neben der Landwirtschaft stellt der Bergbau fast die einzige Einkommensquelle dar. 2019 hat die lokale Regierung von Queensland den indigenen Gemeinschaften die Eigentumsrechte aberkannt und diese den Bergbaukonzernen überlassen. Diese behandeln die Aborigines seitdem wie Eindringlinge, berichtet «Public Eye» in seiner Reportage.

Im April 2020 hat «Glencore» Genehmigungsanträge für die vielleicht grösste Mine Australiens eingereicht: sechs Kohleschächte mit einer Produktion von 20 Millionen Tonnen pro Jahr. Codename: «Valeria Project». Baubeginn: 2024. Dauer: 30 Monate, einschliesslich des Baus der dazugehörigen Eisenbahn- und Strominfrastruktur. Das Ganze soll 37 Jahre lang nutzbar sein. Das ist weit nach 2050, dem Jahr, in dem der Zuger Konzern bei den Emissionen netto null erreichen will. Gemäss «Public Eye» erklärte «Glencore» Anfang Dezember 2022, das «Valeria-Projekt» herabgestuft zu haben; es sei aktuell «auf dem Prüfstand».

Aktivist gegen die Kohlekonzerne und die Umweltschäden.
Aktivist gegen die Kohlekonzerne und die Umweltschäden

Die Kohleförderung schadet der Umwelt enorm

Zu den umweltschädlichsten Tagebauminen Australiens gehört «Hail Creek», an der Glencore 2018 die Mehrheit übernommen hat. Die Fördermenge beträgt rund 7 Millionen Tonnen. Satellitenbilder zeigen, dass aus der Mine mehr als zehnmal so viel Methan entweicht als Glencore den Regulierungsbehörden gemeldet hat. Die ökologische Kritik fokussiert in Australien nicht mehr so sehr auf die Kohleverbrennung, sondern vielmehr auf die Umweltbelastung bei Gewinnung und Verarbeitung. Die Hauptrolle dabei spielt das Methan, ein potentes Treibhausgas, das beim Kohleabbau freigesetzt wird. Es ist 82-mal stärker als CO₂ und soll laut einem der letzten Berichte des Weltklimarats IPCC für den Anstieg der globalen Temperaturen um 0,5 Grad in den letzten 100 Jahren verantwortlich sein. 

Das Industrieland Australien ist weltweit am anfälligsten für Klimakatastrophen wie steigende Meeresspiegel und Waldbrände. Deshalb ist der Methanausstoss zum zentralen Streitpunkt avanciert. Matthew Currell, Professor für Umwelttechnik an der «RMIT University», ist zudem besorgt darüber, dass die Kohleförderer die Wasserressourcen in den halbwüstenartigen Gebieten Australiens ausbeuten dürfen. «Die Regierung von Queensland hat Adani eine Lizenz erteilt, beliebig viel Grundwasser zu pumpen. Doch es fand keine seriöse Umweltverträglichkeitsprüfung statt», bemängelt Currell gegenüber «Public Eye». Ein Grossteil des Kohleexports wickelt sich über Schiffsterminals in unmittelbarer Nähe des «Great Barrier Reefs» ab. Das bringt zusätzliche Belastung für dieses grösste Korallenriff der Welt, das seit 1981 zum Unesco-Weltnaturerbe gehört. Es wird von immer heftigeren Wirbelstürmen und einer beschleunigten Korallenbleiche heimgesucht. Im Mai 2022 waren laut einem Regierungsbericht 91% der Riffe von einer andauernden Hitzewelle betroffen. Es war bereits die vierte seit 2016.

Kohlenmine «Hail Creek».
Kohlenmine «Hail Creek»: 2018 kaufte Glencore mit Sitz in Zug für 1,7 Milliarden US-Dollar Anteile von Rio Tinto und hält seither die Aktienmehrheit. «Hail Creek» gehört zu den umweltschädlichsten Tagebau-Minen.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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4 Meinungen

  • am 27.01.2023 um 11:39 Uhr
    Permalink

    Wenn man richtig Kohle machen kann, dann macht halt in Kohle, dann reicht das Geld auch für volklimatisierte Häuser und Hallen, wenn man sich im Freien nicht mehr vergnügen kann.
    Die Australier können in die Antarktis umziehen …

  • am 27.01.2023 um 13:19 Uhr
    Permalink

    Gewinnsteigerungen 2021 im Vergleich zum Durchschnitt der 5 grössten Agrarhändler , in Prozenten und US Dollar :
    Cargill, 141 % = 6680 Millionen, COFCO 364 %, = 1498 Millionen, Bunge 1421 % = 2078 Millionen, LDC 146 % = 697 Millionen, ADM 63 % = 2709 Millionen.
    Florierender Handel mit Oel, Gas und Kohle. Gewinnsteigerung 2021 im Vergleich zum Durchschnitt , in Prozenten und US Dollar : Vitol 133 % = 4200 Millionen , Trafigura 230 %= 3100 Millionen , Glencore, 661 % = 4974 Millionen, Mercuria 210 % = 1255 Millionen. Quelle :Public Eye, Bern
    Von mir : Die Finma ist die Aufsicht über Schweizer Banken. Höchste Zeit dass auch gegenüber dem Rohstoffhandel eine kontrollierende Behörde vorhanden ist. Die politische Mehrheit in der Schweiz will in diesem Sektor weder Regulierung noch Transparenz. Höchste Zeit dass dies ändert.

  • am 28.01.2023 um 03:44 Uhr
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    Die Kernfusion und neue erneuerbare Energietechnologien stehen vor der Türe. Wärmepumpen mit dem Faktor 1 zu 5 bei 10 Grad Aussentemperatur sind bereits erschwinglich. Mit der Kernfusion könnten sogar grosse Anteile der AKW-Abfälle entsorgt werden und derren Restenergie könnte verwertet werden bis die Strahlung stark reduziert wäre. Fusionskraftwerke haben keine Reaktoren welche entgleisen könnten. Bis dahin wollen die Kohle-Konzerne noch so viel wie möglich verkaufen, denn danach wird es eng für diese Konzerne. Mit entsprechenden Filteranlagen könnten die Emissionen verhindert, und mit Renaturierung die Umweltschäden behoben werden, wenn es denn die notwendigen gesetzlichen Regeln gäbe welche auch durchgesetzt würden. Die Energiegewinnungs-Technologie untersteht aktuell einem schnellen Wandel, schon Morgen könnte etwas kommen, was alles bisherige in den Schatten stellt.

    • am 28.01.2023 um 23:21 Uhr
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      Ich glaube, dass das möglich wäre. Wir haben aber die Erfahrung gemacht, dass neue Technologien zurückgehalten und verhindert werden, solange man mit den alten gute Geschäfte machen kann. Also wenn auf jedem Hügel ein Windrad und die halbe Schweiz mit Solarpanels überdeckt ist, wird eine neue Energiequelle kommen. Man kann dann zugleich mit der Entsorgung des alten Schrottes ein gutes Geschäft machen. Dasselbe gilt für die Autos.

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