Korruption

Die Credit Suisse liess in Mosambik jede Sorgfaltspflicht vermissen und kassierte © COM

«Eigenverantwortung» der Credit Suisse in Mosambik

Thomas Kesselring /  Die CS begab sich tief in den Sumpf der Korruption in Mosambik, um hohe Profite und Gebühren zu kassieren. Jetzt drohen Verluste.

upg. Im Jahr 2013 hatte Mosambiks damaliger Präsident Armando Guebuza über drei halbprivate Firmen – geleitet vom Sicherheitsdienst – gigantische 2,0 Milliarden Dollar Kredite aufgenommen, um – angeblich – bei einer französischen Werft eine Fischereiflotte für den Thunfischfang bauen lassen, die Küstenwache gegen Piraterie zu stärken und eine logistische Basis für das künftige Erdgasgeschäft zu erstellen – unter Ausschaltung der Nationalbank Mosambiks, des Ministerrats, des Parlaments, des Verwaltungsgerichts, des IWF und der Weltbank. Die Credit Suisse war mit über einer Milliarde Dollar dabei. Hunderte Millionen Dollar verschwanden laut einem Untersuchungsbericht als Korruptionsgelder und ein grosser Teil des Kredits von insgesamt 2,0 Milliarden Dollar wurde für Rüstungsgüter abgezweigt. Abgesichert waren die Kredite mit einer offensichtlich luschen Staatsgarantie. Eine parlamentarische Untersuchungskommission erklärte sie als verfassungswidrig. Noch ist nicht entschieden, ob die Credit Suisse ihren Kredit abschreiben muss. Professor Thomas Kesselring, bis 2013 Professor an der Pädagogischen Hochschule Bern und bis 2015 Dozent an der Pädagogischen Universität von Mosambik, hatte bereits am 29. Dezember 2016 auf Infosperber darüber berichtet: «Kein Communiqué der CS – keine Medienberichte». Im Folgenden fasst er die Korruptionsgeschichte aufgrund eines neuen Audits zusammen.

Die Vorgeschichte

Zur Vorgeschichte: Im Jahr 2013 schloss die Credit Suisse London in Kooperation mit der russischen Bank VTB London Kreditgeschäfte von insgesamt 2,07 Milliarden Dollar mit Mosambik, dem neuntärmsten Land, ab – mit fatalen Folgen. Eine handverlesene Truppe um den damaligen Präsidenten, Armando Guebuza, und einen früheren Geheimdienstchef, Antonio do Rosario, wollte für Verteidigungszwecke in geheimer Mission einen Kredit von über 2 Milliarden US-Dollar aufnehmen. Weil dieser den Banken zu hoch erschien, wurde er dreigeteilt und zwischen Februar 2013 und Mai 2014 etappenweise ausbezahlt.

Verstoss gegen die Verfassung

Als Empfänger signierten drei neu gegründete halbprivate Firmen, die dem Geheimdienst unterstanden. Der Löwenanteil des Geldes war für Küstenschutz und militärische Projekte bestimmt. Die Kredite wurden vor der internationalen Öffentlichkeit, inklusive IWF, geheim gehalten und auch vor dem eigenen Parlament und der Staatsbank verschwiegen, zugleich aber mit Staatsgarantien versehen. Dies bedeutete einen Verstoss gegen die Verfassung und das Budgetgesetz, die vorschreiben, dass Kredite von einer bestimmten Höhe zwingend durch das Parlament abgesegnet werden müssen.

Nachdem im August 2013 Informationen über einen der Kredite durchgesickert waren, entschieden die Auftraggeber, diesen Kredit mit dem Aufbau einer Thunfisch-Fangflotte zu begründen.1 Diese Flotte, die maximal 90 Millionen Dollar kostete, sollte das eigentliche Geschäft tarnen – die Anschaffung von Waffen, Schnell- und Patrouillenbooten.

Zwei Jahre später wurde die wahre Summe dieses Kredits publik: 850 Millionen Dollar. Als im April 2016, unmittelbar nach Umschuldung dieses Fischerei-Kredits, die übrigen zwei Kredite aufflogen, stoppten IWF und Geberländer ihre Zahlungen an Mosambik. Das Land geriet in finanzielle Schieflage und erklärte Ende Oktober 2016 seine Zahlungsunfähigkeit.
[Stellungnahme der Privinvest vom 7.8.2017: «Your statement that the ‹true amount› of the loan was only revealed two years later is all the more bizarre – all relevant details were contained in the publicly available prospectus.» Stellungnahme vom 28.8.2017 auf deutsch: «Es stimmt nicht, dass die Thunfisch-Flotte das eigentliche Geschäft, die Anschaffung von Waffen, Schnell- und Patruillenbotten, hätte tarnen sollen. Alle Details des Projekts wurden in einem öffentlich einsehbaren Prospekt aufgeführt.»]

Die Kreditgeschäfte waren durch zwei Banken ermöglicht worden, die CS London und die russische Bank VTB London. Die Kredite waren für drei Firmen bestimmt – Proindicus 622 Millionen Dollar (CS 504/ VTB 118); Ematum 850 Millionen Dollar (CS 500/VTB 350); MAM (535 Millionen Dollar (CS 000, VTB  535) – und wurden jeweils in mehreren Tranchen abgewickelt.

Bericht einer Untersuchungskommission

Die Auszahlungs-Modalitäten wurden erstmals durch den Bericht der Untersuchungskommission des mosambikanischen Parlaments vom 30. November 2016 bekannt.
Die Credit Suisse London spielte bei der Kreditvergabe vermutlich die aktivere Rolle als VTB: Die CS war mindestens seit Januar 2013 mit Mosambik im Geschäft, um Zwecke und Umstände des Kreditdeals abzuklären, und wickelte alle ihre Kredite ab, bevor die VTB-Bank ihrerseits das Kreditgeschäft aufnahm. Der erste Kredit (für Proindicus) war ein Syndikat- oder Konsortialkredit (Leadmanager war wohl die CS), für den zweiten (Ematum) verkauften die Banken Bonds – vorwiegend an europäische und US-Investoren –, weshalb dieser Kredit als erster bekannt wurde. Die CS überwies zwischen März und September 2013 total 1,04 Milliarden Dollar (in Tranchen an Proindicus und Ematum).2
Erst danach, nämlich zwischen Ende September 2013 und Juni 2014, übermittelte die russische Bank VTB weitere 1,03 Milliarden Dollar. Beim MAM-Kredit scheint die CS nicht beteiligt gewesen zu sein.

Der «Kroll»-Report

Auf Geheiss des IWF setzte die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft im November 2016 ein unabhängiges Audit-Verfahren ein – durch die Firma Kroll, im Auftrag der schwedischen Botschaft in Mosambik und formell geleitet durch die mosambikanische Staatsanwaltschaft. Nach dreimaliger Verlängerung endete es am 12. Mai 2017, und ein Résumée von rund 60 Seiten («Kroll-Report») wurde am 23. Juni publiziert. Der detaillierte Audit-Bericht bleibt bis Ende August 2017 unter Verschluss.
Im Folgenden – aufgrund des Kroll-Berichts – ein kurzer Überblick über

  1. die Widerstände, mit denen das Audit zu kämpfen hatte,
  2. seine wichtigsten Ergebnisse,
  3. bisherige Reaktionen darauf und
  4. die absehbaren Konsequenzen.

Die Seitenzahlen beziehen sich auf den Kroll-Bericht.

1. Widerstände gegen das Audit

Teile der mosambikanischen Regierung sträubten sich monatelang gegen das ihr auferlegte Klärungsverfahren. Wichtige Mitspieler geizten mit Auskünften. Der Geheimdienst (SISE) verweigerte weitgehend die Kooperation. Auch das Finanzministerium und lokale Banken lieferten nicht alle verlangten Dokumente. Zentrale Sachverhalte blieben daher unaufgeklärt. Viele Informationen sind zu dürftig, um weiter gehende Schlüsse zuzulassen.

Antonio do Rosario, der Chef der drei halbprivaten Firmen, für welche die 2,07 Milliarden bestimmt waren, warf die Audit-Crew sogar aus seinem Büro, «because they wanted details of questions about state security.»3

Auch die Firmen Privinvest, zuständig für den Bau der Schiffe, und Palomar, die zur Privinvest-Gruppe gehört und unter anderem die Transaktionen abwickelte (s.unten, Punkt 3), hielten nach Angaben im Kroll-Report Informationen zurück (S.42): «Limited documents have been provided to Kroll by the Contractor [Privinvest] and the Mozambique Companies to evidence the price of assets and services» (S.42)…«The Contractor has stated that pricing information for the supply contracts is confidential and cannot be shared without a non-disclosure agreement being agreed with Kroll.» (S. 47). Privinvest bestreitet dies.
Die Ergebnisse des Audits sind lückenhaft:

  • a. Die erhaltenen Dokumente über relevante Verträge und Zahlungen sind unvollständig (S.6).4
  • b. Die Angaben über die Verwendung der drei Kredite von 850, 622 und und 535 Millionen Dollar beschränken sich auf 10, 11 und 16 Kurzzeilen (S.22, 31, 38). Es ist unklar, wohin die Gelder geflossen sind.
  • c. Es ist ebenfalls unklar, nach welchem Verfahren die mosambikanischen Firmen ihre Vertragsfirma – Privinvest – bestimmten.
  • d. Unklar ist ebenfalls, wieweit die Firmen Privinvest und Palomar die Geschäfte ordnungsgemäss abwickelten («due diligence») und
  • e. an welche Unternehmen sie wieviel auszahlten (S.50f.)

.

Im April 2017 bestätigte sich das Gerücht, dass ein Teil der Kredite in Waffenkäufe investiert worden sind, z.B. bei «Israel Weapon Industries», und ein Sohn des damaligen Präsidenten, Mussumbuluko Guebuza, diese Käufe überwachte.5

Die Dürftigkeit der gelieferten Informationen zwang die Firma Kroll dazu, die marktüblichen Kosten für den Schiffbau schätzen zu lassen. Dieser erwies sich als um 713 Millionen Dollar überteuert (S.16, 51). Am 25. Juni erklärte die verantwortliche Firma Privinvest, die Preise lägen im Rahmen des Üblichen («what it charged was in line with other customers»).6
[Gegendarstellung von Privinvest vom 29.8.2017: «Es stimmt nicht, dass sich der Schiffbau als um 713 Millionen Dollar überteuert erwiesen hätte. Die Schätzung von Kroll beruht – wie im Report von Kroll selber eingeräumt wird – auf unvollständigen Informationen und belegt keineswegs eine Differenz in der behaupteten Höhe»]

500 Millionen Dollar ohne Spuren
Beim 850 Millionen Dollar schweren Thunfischflotten-Kredit («Ematum») brachte das Audit keine Klärung über den Verbleib von 500 Millionen Dollar (S.14; 33f.), über die in Mosambik schon seit Juli 2015 gerätselt wird. Die Beteiligten – die Privinvest-Gruppe, der mosambikanische Verteidigungsminister und Antonio do Rosario, Chef der drei halbprivaten Firmen (= «Person A» im Audit-Bericht) – gaben dazu widersprüchliche Auskünfte.7

Bei einem Viertel der 2,07 Milliarden Dollar bleibt die Verwendung also ein Mysterium. Dazu kommen die 713 Millionen Dollar an überteuerten Preisen (S.16, 51). Ausserdem offenbarten Vergleiche der Businesspläne der drei Firmen Preisdifferenzen für äquivalente Waren von bis zu 440 Millionen Dollar (S.43f.).

Es zeigte sich, dass bei früheren Kredit-Prüfungen die mosambikanische Seite falsche Aussagen gemacht hatte. Manche Zahlungen bleiben ungereimt. So fand das Audit-Team den Hinweis auf die Überweisung einer mosambikanischen Behörde (Finanzministerium bzw. Geheimdienst) von 53 Millionen Dollar an die Credit Suisse. Laut Vertrag hätte diese Zahlung aber von Firma Abu Dhabi Mar (Teil von Privinvest) realisiert werden müssen (S. 31), und laut einem Dokument von Ernst & Young ist dies womöglich auch so geschehen (S.31). – Eigenartig, dass die CS diesen Punkt nicht aufzuklären half. So mysteriös wie die Quelle der Zahlung bleibt auch ihr Zweck.

2. Ergebnisse des Audits

  • a. Für die Schweiz besonders brisant: Die Credit Suisse hatte für die Kreditzahlungen drei Bedingungen gestellt: Die Kredite sollten von der mosambikanischen Zentralbank bewilligt, vom Verwaltungericht überprüft und dem IWF gemeldet werden. Keine dieser Bedingungen wurde jedoch erfüllt. Weshalb die CS die Kredite trotzdem ausbezahlte, bleibt ein Rätsel. Seine Aufklärung ist umso dringlicher, als dieser Deal wie ein Dominostein die verschiedenen Etappen einer Tragödie anstiess, deren Konsequenzen Mosambik in seiner sozialen Entwicklung um viele Jahre zurückwarfen.8 – Eine weitere, bereits seit längerem bekannte Bedingung, die die CS an die Kredite gestellt hatte, betraf die Bindung der Kredite an eine mosambikanische Staatsgarantie, die zwar formell gewährt wurde, aber – wie erwähnt – die mosambikanische Verfassung verletzte.
  • b. Die gesamten Mosambik-Kredite wurden unter Umgehung von Mosambique direkt an die Privinvest-Gruppe des Franco-Libanesen Iskandar Safa ausbezahlt, die eine wichtige Rolle spielte. Diese überwies nur gerade 18,2 Millionen Dollar davon an die mosambikanischen Firmen (S.13/17 bzw. 14/17). Die Privinvest-Gruppe hatte den Auftrag, die mosambikanischen Geschäfte zu regeln und die Schiffe (Thunfischfangflotte, Patrouillen- und Schnellboote, Katamarane) zu bauen – die Fischereiflotte sollte in einer Werft in Cherbourg, Frankreich, gebaut werden, was Präsident Hollande Anfang September 2013 bejubelte. Neuerdings kursiert ein Gerücht, ein Teil der Schiffe sei möglicherweise im Billiglohnland Rumänien gebaut worden.9 – Kroll bezifferte den geschätzten Wert der Waren und Dienstleistungen, die Mosambik mit den Krediten insgesamt bei Privinvest einkaufte, auf lediglich 505 Millionen Dollar.

    Doch die Schiffe waren nicht einsatzfähig und die Firmen konnten mit ihnen nicht verdienen (S. 25 «It appears that the assets are not yet operational for a variety of reasons including a lack of trained crew for vessels, and the absence of a satellite contract to enable the communication systems to function.», 36, 41).
    [Privinvest begründet die Operationsunfähigkeit laut Kroll-Bericht damit, dass Ematum keinen Ort für ein Koordinationszentrum und kein ausgebildetes Personal zur Verfügung gestellt haben (S.34)]

    Weitere 200 Millionen Dollar qualifizierte Kroll als Bankspesen. – Die CS liess verlauten, diese Zahlen seien nicht korrekt (s.unten, Punkt 3).

  • c. Die finanzielle Abwicklung besorgte die ebenfalls zu Privinvest gehörige Firma Palomar.10 Bei Palomar Capital Advisors in Zürich war für die Mosambik-Geschäfte ein Neuseeländer namens Andrew Pearse («Person B» im Kroll-Bericht) verantwortlich, der zuvor bei der CS London angestellt und dort bis im Juni 2013 für die Vorbereitung des Proindicus-Kredits zuständig war (S.50). Kroll vermutet (S.20), Pearse sei sogar Mitinhaber der Firma Palomar Capital Advisors. Pearse zufolge soll es keine Interessenkonflikte zwischen seiner Anstellung bei der CS und seinem anschliessenden Engagement bei Palomar Capital Advisors in Zürich gegeben haben.
  • d. Da für jeden der drei Kredite mehrere Auszahlungen erfolgten, kam es auch zu mehreren Verträgen mit entsprechendem (in verfassungswidriger Weise konzedierten) staatlichem Garantieschreiben (S.52).11 Der Kroll-Report nennt (in verschlüsselten Hinweisen, von denen die meisten inzwischen entschlüsselt werden konnten) die Personen, die für Mosambik die Kreditverträge bzw. die jeweilige Staatsgarantie unterzeichnet haben. Sie gehörten einer zu diesem Zweck gebildeten interministeriellen Kommission an, mit Vertretern u.a. aus dem Finanz- und Verteidigungsministerium, dem Geheimdienst, dem Transport- und dem Fischereiministerium.12 Eine dieser Personen ist der vormalige Finanzminister Manuel Chang («Person C»). Er gab freimütig zu, dass er sich vom Geheimdienst zu Unterschriften habe überreden lassen, mit denen er Verfassung und Budgetgesetze brach (S.18).
  • e. Die Besitzer der Unternehmen im Hintergrund, nämlich der damalige Präsident Armando Guebuza und die Chefs der Firmengruppe Privinvest, Iskandar Safa und Bruder Akram Safa, werden im Audit-Bericht nicht erwähnt – auch nicht in verschlüsselter Form.

3.Bisherige Reaktionen

Die CS widersprach unmittelbar nach Publikation des Kroll-Reports der Behauptung, sie habe 100 Millionen Dollar oder mehr an Bankspesen eingenommen.13 Kroll listet beim Proindicus-Kredit (S.19) gut 57 Millionen Dollar an Spesen für die CS auf, beim Ematum-Kredit (S. 26) 53 Millionen Dollar – insgesamt etwas über 110 Millionen Dollar.
Wie erklärt sich der Einspruch der CS? Hat Kroll etwa vergessen, bei der Schweizer Bank nachzufragen? Oder hat diese keine präzise Antwort gegeben?

Jedenfalls nahm die Bank den Kroll-Report zum Anlass, endlich eine Frage zu beantworten, die ihr schon seit Monaten immer wieder gestellt wird:14 Sie habe branchenübliche 23,8 Millionen Dollar oder 2,3 Prozent an Gebühren erhoben – für einen der Kredite oder für beide?

Hinzu kamen 141 Millionen Dollar «contractor fees», um den Käufern die Kredite (Proindicus und Ematum) schmackhaft zu machen. Die russische Bank VTB erhob für den MAM-Kredit 35 Millionen Dollar an Gebühren, aber keine «contractor fees».

  • In der Summe ergibt das 200 Millionen Dollar Bankspesen.

Weitere «mindestens 30,6 Millionen Dollar sind laut Kroll-Bericht im Zusammenhang mit Umstrukturierungen des Proindicus-Kredits an die Firma Palomar Capital Advisors AG mit Sitz in Zürich geflossen (S.19).
Zusammenfassung des «Kroll»-Reports abgeändert


Trotz Report-Status «Final» (rot markiert) wurde der Report noch leicht abgeändert, nachdem international tätige Anwaltskanzleien im Auftrag der Firmen Privinvest und der zur Privinvest-Gruppe gehörenden Firma Palomar interveniert hatten. Die «redacted» Version erschien, nachdem dieser Artikel geschrieben wurde. Hier die ursprüngliche Version.

Ein Vergleich der zwei Versionen offenbart folgende Unterschiede:

  • Ein Zwischentitel der ersten Fassung «People With Deep pockets» fehlt in der revidierten, der Untertitel «Overpaying for Fishing Boats» wurde in eine Frage umgewandelt: «Overpaying?»
  • In dem Satz «The inquiry also found that Abu Dhabi Mar, Privinvest and Palomar in particular had had leading roles in all the Mozambique project» wurde die Wendung «in particular» gestrichen.
  • Kroll habe Palomar nicht angehört oder Dokumente von diesem Unternehmen verlangt. Kroll habe vielmehr die Privinvest-Zulieferfirma ProIndicus beauftragt, sich relevante Dokumente von Palomar zu beschaffen.
  • Weitere Änderungen sind in der «redacted» Version aufgeführt (S. 5+6)

Laut dem Kroll-Report erhielt die Audit-Firma keine Belege zum Zahlungsverkehr zwischen Palomar und Proindicus21 sowie zwischen Palomar und MAM (S.50f.). In der neuen Version kommt Finews zum Schluss, das Audit-Team habe es unterlassen, die Firma Palomar zu befragen.
Die Firma Palomar Capital Advisors AG (Zürich) befindet sich seit November 2016 in Liquidation. Kroll zufolge (S.51) geriet das Unternehmen am 18. Oktober 2016 unter Zwangsverwaltung.15 Die Homepage einer Zürcher Firma Palomar Capital Advisors Ltd. ist aber noch intakt.

Iskandar Safa, ein franco-libanesischer Geschäftsmann, verantwortlich für die Privinvest-Gruppe), betreibt inzwischen auch eine Schiffswerft in Kiel. Er versucht, mit weiteren afrikanischen Ländern, wie Angola und Kongo, ins Geschäft zu kommen – Angola soll abgelehnt haben.
[Stellungnahme von Privinvest vom 7.8.2017: «The reference to dealings with Angola is unsubstantiated and incorrect».]

Iskandar Safa wird mitunter als «Emperor of the high Seas» betitelt.16 Nach Informationen von «Africa Intelligence» steht er wegen der Afrika-Geschäfte im Radar der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC. Einigen Informationen zufolge gibt es auch Vorabklärungen bei der britischen Bankenaufsicht FCA und der Schweizer FINMA.
[Gegendarstellung von Privinvest vom 7.8.2017: «Es stimmt nicht, dass die Chefs der Firmengruppe Privinvest, Iskandar Safa und Bruder Akram Safa, Drahtzieher oder Schlüsselfiguren eines angeblichen «Kredit-Skandals» seien und die Bürger Mozambiks ihre Bestrafung forderten. Die Privinvest und Herr Iskandar Safa wurden von keiner laufenden Untersuchung, weder des SEC, noch der FCA oder der FINMA, in Kenntnis gesetzt»]

4. Absehbare Konsequenzen

Aus Sicht des IWF hat die mosambikanische Regierung wegen mangelnder Kooperation beim Audit ihre Hausaufgaben nicht erfüllt. Die Washingtoner Behörde verlangt eine Fortsetzung des Audits zu fehlenden oder widersprüchlichen Informationen. Sie verweigert Mosambik weitere Finanzhilfe, bis ausreichend Transparenz hergestellt ist. Dies hat der zuständige IWF-Vertreter, Michel Lazare, anlässlich eines zehntägigen Besuchs in Mosambik (10.-19.Juli) nochmals bekräftigt.
Inzwischen ist bekannt geworden, dass die Weltbank und sämtliche Geberländer die Budgethilfe an Mosambik nicht wieder aufnehmen, bis die Bedingungen des IWF erfüllt sind. Gelder für konkrete soziale Projekte sollen aber weiterhin fliessen.

Seit April 2016, als die geheimen Kredite aufflogen und die ausländische Budgethilfe gestoppt wurde, schrumpften die Ausgaben für das Gesundheits- und Bildungswesen bereits drastisch. Der IWF drängt Mosambik nun zum Abbau von Defiziten und zur Erhöhung der Steuereinnahmen und also zu noch mehr Sozialabbau.

Der Audit-Report bestätigt viele der bisher gehegten Befürchtungen und gibt alten wie neuen Gerüchten Auftrieb: Weshalb wurden alle verfassungsmässigen und finanztechnischen Kontrollmechanismen ausgehebelt, wieso flossen die Kredite nicht nach Mosambik, sodass die Zentralbank keine direkten Informationen erhielt? Warum wurden der IWF und die Geberländer an der Nase herumgeführt? Wie erklärt sich die hartnäckige, langjährige Weigerung, die Verwendung der fehlgeleiteten 500 Millionen Dollar (oder mehr) offenzulegen? Darüber existieren diverse Spekulationen: der Krieg gegen die Renamo, der zeitgleich mit der Aufnahme des Ematum-Kredits aufflammte und möglicherweise beachtlichte budget-externe Ressourcen verschlang, die Finanzierung der Wahlkampagne von 2014 und/oder des Versuchs von Präsident Guebuza in den Jahren 2013 und 2014, die Verfassung zu ändern, um sich ein drittes Mandat zu sichern, persönliche Bereicherung und vielleicht auch Geldwäscherei.

  • Die Credit Suisse und VTB haben mangels Vorsichtsmassnahmen sehr direkt die big-scale Korruption finanziert und die Käufer der Ematum-Bonds sowie die Gläubiger des Proindicus-Kredits in den Skandal hineingezogen.

Die Gläubiger der geheimen Kredite zerfallen in zwei Lager. Das Syndikat der Ematum-Bond-Inhaber betrachtet diese Bonds als of «‘unquestionable‘ legality», weil die illegale Staatsgarantie dafür schon im März 2016, anlässlich ihrer Umschuldung, anscheinend legalisiert worden sei. Um die Chancen auf Rückzahlung zu erhöhen, raten sie der Regierung Mosambiks, die Schulden von Proindicus und MAM nicht anzuerkennen.18
Diese Haltung ist inkonsistent, denn alle drei Kredite sind unter verfassungswidrigen Bedingungen aufgenommen worden, und alle drei hat man im Nachhinein zu legalisieren versucht. Die Gläubiger aber wollen selbstverständlich ihr Geld zurück und hoffen, dass sich die mosambikanische Zivilgesellschaft nicht dagegen wehren kann. Diese verlangt indessen, unterstützt durch die örtliche Kirche, dass die Schulden – als «odious debts» – abgeschrieben werden. Sie wird dabei von der englischen und deutschen Jubilee Debt Campaign tatkräftig unterstützt.19

Die mosambikanische Gesellschaft ist tiefer gespalten als je seit Ende des Bürgerkriegs 1992. Die Übermacht einer kleinen Frelimo-«Elite» und ihr Einfluss auf zentrale mosambikanische Institutionen bereitet wachsenden Teilen der Bevölkerung Sorgen: Dem von der Frelimo dominierten mosambikanischen Parlament werfen viele vor, Ende April 2017 die verfassungswidrigen Staatsgarantien für die Kredite (wenn auch unter Protest der Opposition) nachträglich legalisiert zu haben.
Die mosambikanische Generalstaatsanwaltschaft (Procuradoria Geral) wird kritisiert, weil sie das Audit erst viele Jahre nach Aufflammen des Skandals und erst unter anhaltendem Druck aus dem Ausland initiierte, und weil sie, die formell das Audit leitete, die Aussageverweigerung von physischen und juristischen Personen tolerierte, ohne einzuschreiten.20
Viele Bürgerinnen und Bürger kritisieren diese Zustände öffentlich und verlangen, dass die Drahtzieher des Skandals bestraft werden. Die Wortführer der Unzufriedenen werden immer häufiger bedroht und fühlen sich ihres Lebens nicht mehr sicher.

Die neuen IWF-Auflagen dürften weitere Beschneidungen der Sozialausgaben (insbesondere bei Gesundheit und Bildung) zur Folge haben. Manchen Spitälern fehlt es bereits jetzt am Nötigsten, die Sterblichkeit steigt. Die Ärmsten und Schwächsten haben einmal mehr das Nachsehen!
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Die Bemerkungen in [Klammern] in diesem Artikel sind am 7.8. oder 9.8.2017 ergänzt worden. Da der leicht revidierte Kroll-Bericht erst kurz nach dem Verfassen diesen Beitrags erschien, beziehen sich einzelne Seitenzahlen noch auf den ursprünglichen Bericht, sofern die Textpassagen im revidierte Bericht unverändert blieben.
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FUSSNOTEN

1 Dies die Aussage des früheren Geheimdienstchefs, A. do Rosario, vor der Enquete-Kommission des mosambikanischen Parlaments, die der parlamentarische Untersuchungsbericht vom 30.Nov.2016 zitiert.
2 Genaue Zahlen und Daten: Kroll-Report, S.52.
3 Ag. Bloomberg, 30.06.2017
4 Seitenangaben beziehen sich auf den Kroll-Report vom 23.06.2017. Ursprüngliche Version / «redacted» Version.
5 Tageszeitung »Canal do Moçambique”, 05.04.17, S.2-4.
6 Ag. Bloomberg, 30.06.2017
7 «Person A [= Do Rosario] told Kroll that invoices for Tuna-fishing vessels concealed the purchase of other assets. Privinvest said this was ‘completely untrue and potentially very damaging’ to the company.” (Ag. Bloomberg, 30.06.2017)
8 Vgl. dazu meine Berichte unter www.rat-kontrapunkt.ch [Rubrik ‚Wirtschaft‘] und die Zusammenfassung bei Infosperber, 26.12.2016.
9 Vgl. die ZDF-Doku über die Geschäfte von Iskandar Safa: «Fragwürdige Geschäftspartner. Korvetten für die Marine.» Sendung ZDF Frontal 21, 18.07.17
10Zitat aus dem Kroll-Bericht (S. 18): «The Contractor [Privinvest], as well as Palomar, a Privinvest Group company, has had an expanding role in the Mozambique Project.» Privinvest und Palomar waren (als «contractor») zuständig für: «structuring the projects; introducing Credit Suisse as a lender; agreeing the Contractor Fees (…); providing funds to the Mozambique Companies to cover operational expenditure and share capital; funding loan repayments; arranging the MAM loan agreement alongside VTB Capital; contracting with the Mozambique Companies and the Ministry of Finance to restructure the loan agreements (and receiving fees for doing so); and (for ProIndicus) taking responsibility for generating revenues and contracting to receive a proportion of any future revenues.» [zit. nach Hanlon, 24.06.17
11 Die Daten der einzelnen Kreditverträge und der Staatsgarantien sind im Kroll-Report S.52 zusammengestellt und S.53 erläutert.
12 @Verdade, 7.7.17. zählt 12 Personen auf, die die Geheimen Kredite mit auf den Weg brachten: «Portanto o @Verdade conseguiu identificar um grupo não pequeno, de pelo menos 12 funcionários do Estado, que tinham conhecimento e desempenharam um papel activo na contratação dos empréstimos inconstitucionais e ilegais: Armando Guebuza, Gregório Leão, António Carlos do Rosário, Manuel Chang, Maria Isaltina Lucas, Filipe Nyusi, Victor Bernardo, Eugénio Henrique Zitha Matlaba, Henrique Álvaro Cepeda Gamito, Raúfo Ismael Irá, Victor Borges, Alberto Mondlane.»
13 Ag. Bloomberg: Credit Suisse Disputes Fees Shown in Kroll Mozambique Audit. 26.06.17
14 Vgl. zum Beispiel den Offenen Brief von Rat-Kontrapunkt.ch an die Leitung der CS, den die WOZ am 8.12.2016 publizierte.
15 «On 18 October 2016 Palomar Capital Advisors Ltd was placed into administration. On 17 February 2017 Palomar assigned its rights to receive the Running Fees to an entity called VR Global Partners, L.P., a company that appears to be registered in the Cayman Islands and part of the VR Global Capital Group.» (Kroll-Report, p.51)
16 Intelligence Online 31.8.2016
17 Africa Intelligence, 16.06.17
18 Ag. Bloomberg, 29.06.17 und Ag. Bloomberg, 30.06.17
19 Jubilee Debt Campaign
20 Centro de Integridade Pública, Edição 25/2017 – Julho: «Dívidas Ocultas: Não Existe Ambiente Legal e Político para Responsibilação»
21Kroll-Report S. 52: «No documentation was provided, at the time of reporting, to understand the basis for the Running Fees to be paid to Palomar or why its fees were larger than similar fees due to Credit Suisse or VTB Capital.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Professor Kesselring ist auch Mitglied von Rat Kontrapunkt.

Zum Infosperber-Dossier:

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Credit Suisse im Mosambik-Skandal

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Eine Meinung zu

  • am 2.08.2017 um 12:47 Uhr
    Permalink

    Auch hier wieder mal eine CH Bank. Die Haptskandalbank der CH. was machen eigentlich FIMA usw? Kein Wunder versuchen immer mehr Afrikaner als Asylsnten nach Europa zu kommen!(was alles spielt sich sonst noch ab?). Und wann wird diese Skandalbank gestoppt?

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