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Schlagzeile des «The Wallstreet Journal» vom 7. Juni 2021 © WSJ

Credit Suisse – Eine Bank ausser Rand und Band

Lukas Hässig /  Das Wall Street Journal zeigt, wie die Grossbank mit einem einzigen Kunden 5,5 Milliarden verspielen konnte. Blindflug total.

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Lukas Hässig, «Inside Paradeplatz»

CS-Chef Thomas Gottstein und seine Risikofrau Lara Warner hatten bis wenige Tage vor dem Kollaps des US-Hedgefunds Archegos keine Ahnung, dass ihre Bank mit diesem Kunden die Hälfte ihres Eigenkapitals aufs Spiel gesetzt hat. Dies schreibt das renommierte Wall Street Journal in einer langen Story unter dem Titel „Inside Credit Suisse’s $5.5 Billion Breakdown“.

Der Artikel entlarvt eine der grössten und wichtigsten Firmen der Schweiz als einen Hallodri-Laden, bei dem die höchsten Chefs null Ahnung haben von dem, was tatsächlich vor sich geht, und die sogenannte Key Risk Takers mit Millionen vergolden, obwohl sie mit ihren Wetten das ganze Unternehmen aufs Spiel setzen.

Eine Bank wie ein süchtiger Spieler, der mit all seinem Ersparten, seiner Pensionskasse, dem gesamten Vermögen ins Casino geht und in einer Nacht das Ganze verjubelt. Wieder zuhause, beichtet er seiner Frau das Drama. Die muss dann ihre Familie anpumpen, damit die Kinder genug zum Essen haben. Die Familie, das ist im Fall der CS die Schweiz und ihre Bevölkerung. Sie muss die CS im Fall einer Pleite retten.

Im April war der Bank das Geld ausgegangen. Sie brauchte eine Notinfusion durch die Aktionäre. Damit geriet sie noch stärker unter Kontrolle einiger weniger Fonds und Investoren aus dem arabischen Raum, Norwegen und den USA. Die Schweiz und ihre Steuerzahler bleiben in der Haftung. Wenn die CS einen nächsten Super-Gau erleidet, könnten sie zum Handkuss kommen.

Ein solches Szenario ist nicht abwegig, wenn man den Bericht im Wall Street Journal (WSJ) zum Massstab nimmt. Dieser zeichnet ein erschreckendes, unfassbares Bild einer Grossbank, die keine Ahnung hat, welche Risiken sie auftürmt. Über 20 Milliarden hatte die CS auf dem Höhepunkt gegenüber Archegos investiert in Aktien, mit denen der Hedgefund von Bill Hwang, eines 2012 wegen Insiderdelikten verurteilten Südkoreaners, seine Wetten einging.

Laut WSJ handelte es sich um „a derivative called a total-return swap“. Das Instrument habe es Hwang erlaubt, mit wenig eigenem Einsatz riesige Aktien-Positionen zu kontrollieren. Effektiv musste Hwang laut dem Bericht nur einen Zehntel des Werts der Aktien mit seinem Geld unterlegen. Das führte zur kaum zu glaubenden Tatsache, dass die CS kurz vor dem Kollaps Ende März Hwang sogar noch Cash zurückzahlte.

Die Aktien, mit denen Hwang spekulierte, gehörten nicht dem Spekulanten, sondern der CS. Als die Titel, darunter solche des US-Medienkonzerns ViacomCBS, am 22. März einbrachen, sass die CS auf gigantischen Buchverlusten.

„Zurich, We Have A Problem“, kabelten die Masters of the Universe von New York in die Limmatstadt. Erst jetzt merkten die Spitzenleute Gottstein, Warner und Brian Chin, der Leiter des Investment Bankings, was es geschlagen hatte.

Zimmert mal einen Exitplan mit Hwang und den übrigen Banken, lautete darauf die Order aus dem Kommandobunker. Am Donnerstag, 25. März, sassen die CS-Cheftrader am Tisch mit den Archegos-Leuten und den Vertretern anderer Banken. Was dann folgte, liest sich im WSJ-Artikel wie das Musterbeispiel einer Bank, die keine Ahnung hat vom Spiel, in das sie sich begeben hat.

„Credit Suisse suggested the banks work together to unwind Archegos’s trades over a month. Some considered it, according to people familiar with the discussions. But no deal was reached and some swiftly unloaded their positions to other investors.“

Die Manager von Goldman Sachs und Morgan Stanley taten nur so, als ob sie sich ein Stillhalten überlegen würden, wie dies die CS vorgeschlagen hatte. In Tat und Wahrheit hatten sie längst einen Exit-Plan vorbereitet. Diesen setzten sie nun um. Sofort riefen sie wie wild ihre grössten Kunden an und stiessen die Archegos-Aktien, die bei ihnen deponiert waren, zu Tiefstpreisen ab.

Das WSJ fährt fort:

„The next Monday, March 29, Credit Suisse warned of a significant loss … In April, it said exiting the positions cost $5.5 billion, and it raised $2 billion in fresh equity. Messrs. Chin and (risk manager) Shah and Ms. Warner were among the staff pushed out.“

Die Dummies von Zürich: Sie haben die Bank auf dem Gewissen. Der Fall Archegos könnte das Ende der Credit Suisse in ihrer heutigen Form bedeuten. Laut Spekulationen prüft die CS massive Veränderungen, sie könnte die Schweizer Einheit und das Asset Management abspalten. Alles nur, weil ihre Superstars im Investmentbanking das Geld, das letztendlich aus der Schweiz stammt, mit irrwitzigen Spekulationen für fast nichts gefährdeten. Derweil ihre Chefs in Zürich keine Ahnung hatten, was ihre vermeintlichen Masters of the Universe in New York tatsächlich trieben.

Es interessierte Thomas Gottstein, Tidjane Thiam, Lara Warner, Urs Rohner und wie sie alle heissen offenbar auch gar nicht. Hauptsache, es gab Kohle – für sich und ihre Buddies.

Risiko-Bremsen, Vorsicht, Kontrollen, zeitgemässe Überwachungs-Systeme: Wozu auch, läuft doch rund. Ein Sittengemälde der Führung einer einst stolzen Bank, schlimmer als in jedem Albtraum.

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Dieser Artikel erschien am 8. Juni auf «Inside Paradeplatz»


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2 Meinungen

  • am 11.06.2021 um 11:28 Uhr
    Permalink

    Vielleicht ist Herr Hässig ein wenig zu inside am Paradeplatz. Mit etwas mehr Abstand ist klar, dass nicht die CS-Manager die Verantwortung für die Archegos Geschichte tragen. Es ist vielmehr die FINMA, welche sich einfach nicht durchringen kann, das Richtige zu tun; nämlich der CS die Schweizer Bankenlizenz zu entziehen. Keine Ahnung, was es in der Augen der FINMA braucht, bis genug Heu unten ist.
    Auch erstaunt mich das Stillhalten der anderen Banken, war doch eine Schweizer Bankenlizenz einmal ein Gütesiegel für Genauigkeit, Zuverlässigkeit, Können , Qualität, Seriösität; und somit ein starkes Verkaufsargument.

  • am 11.06.2021 um 11:48 Uhr
    Permalink

    Der Fall CS ist ein vergleichsweise «kleiner Kollateralschaden» in einem inflationären Geldsystem, das von den Zentralbanken und Banken dieser Welt geschaffen wurde. Es werden in absehbarer Zeit grössere Schäden folgen.
    Dieses Geldsystem wird aus Gründen der Umverteilung und Profitmaximierung aktuell noch mit Billionensummen befeuertet.
    Aber es steht am Abgrund und wartet auf seinen erneuten Kollaps.
    Die volle Verantwortung dafür tragen letztlich die erwähnten Banken.

    Hauptsache es diente den Reichen und Mächtigen dieser Welt, um ihre Macht auszubauen und Hauptsache, es kann als perfektioniertes CBDC (Central Bank Digital Currency) weitergeführt werden, für eine gewisse Zeit.

    Die meisten Menschen werden es nie verstehen, warum ihnen demnächst die ganze illusionäre Finanzwelt – und leider auch die mit ihr aufs engste verknüpfte reale Welt – um die Ohren fliegen wird.
    Die Frage ist nur wann.
    Jeder Zusammenhang mit der aktuellen Covidkrise ist natürlich rein zufällig.
    Anschnallen, der Crash kommt.

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