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Bundesrat Berset hatte einen fiktiven Preis mit Rückvergütungssystem abgelehnt. © az medien

Bundesrat Berset dürfte Streit mit Roche verlieren

upg /  Das nicht mehr kassenpflichtige Krebsmedikament Perjeta entpuppt sich als eines der wirksamsten. Roche wird den Preis diktieren.

Etwa zwanzig Prozent aller Frauen mit fortgeschrittenem Brustkrebs leben im Durchschnitt fast 16 Monate länger, wenn sie als Chemotherapie nicht nur Herceptin und Docetaxel einnehmen, sondern zusätzlich noch das Roche-Medikament Perjeta. Das ergab eine Roche-Studie mit 808 Patientinnen, von denen die eine Hälfte mit und die andere als Kontrollgruppe ohne Herceptin behandelt wurde. Die Frauen der Kontrollgruppe überlebten im Median-Durchschnitt 40,8 Monate, die Gruppe mit zusätzlich Herceptin 56,5 Monate, also fast 16 Monate länger. Herceptin hat die Nebenwirkungen der Chemotherapie nicht verschlimmert. Diese Resultate der Studie wurden am 28. September an der Jahreskonferenz der «European Society for Medical Oncology» in Madrid bekannt.
Unabhängige US-Krebsforscher äussern sich in der «New York Times» beeindruckt: «Normalerweise verlängert ein neuen Krebsmedikament das Überleben um zwei Monate
Von den Frauen, die an einem fortgeschrittenen, matastasierenden Brustkrebs leiden, können diejenigen zwanzig Prozent profitieren, die eine für die Behandlung notwendige genetische Voraussetzung haben (HER2-positiv).
In der Schweiz nicht mehr kassenpflichtig

Ausgerechnet Perjeta ist seit dem 1.8.2014 nicht mehr kassenpflichtig, weil Bundesrat Bersets Bundesamt für Gesundheit den von Roche verlangten Preis nicht akzeptieren wollte (siehe «Kassen müssen Brustkrebsmittel nicht mehr zahlen» vom 12.8.2014).
Vorher kostete eine Packung Perjeta (ohne Herceptin) 3782 Franken. Allerdings konnten die Krankenkassen «für jede bezogene Packung» nachträglich eine Rückvergütung von 1600 Franken einfordern, so dass der effektive Preis bei 2182 Franken lag.
Der offizielle Listenpreis diente als «Schaufensterpreis» für ausländische Behörden, welche die Preise in ihren Ländern teilweise nach den Preisen in der Schweiz ausrichten. Die gewährte Rückvergütung versteckte das BAG im Kleingedruckten der «Limitatio». Diese Praxis hat nicht nur bei Krankenkassen Irritation ausgelöst, sondern auch bei der Parlamentarischen Verwaltungskontrolle, die Ende März diese «abenteuerlichen Einigungen» zwischen dem BAG und der Pharmaindustrie beanstandete und sich erstaunt zeigte über diese «offensichtlich bestimmungsfremde Nutzung der Limitationen». Diese beschränken die Anwendung des Medikaments auf bestimmte Patientengruppen.
Der Preis für eine Monatsbehandlung mit Perjeta ist in den USA mit rund 5900 Dollar am höchsten (zusätzlich 5300 Dollar für Herceptin und weitere Kosten für Docetaxel). In der Schweiz verlangt Roche für Perjeta für die Behandlung im ersten Monat (doppelte Dosis) 7560 Franken, für die weiteren Monate rund 5000 Franken (alle drei Wochen eine Packung). Dazu kommen die Kosten für Herceptin und Docetaxel.
Von Januar bis Juni gibt Roche ihren Perjeta-Umsatz mit 388 Millionen Franken an, wobei nach Angaben der «New York Times» mehr als die Hälfte der Einnahmen in den USA erzielt wurden.
Bundesrat Berset gerät unter Druck
Nach den neuen Erfolgsmeldungen der Behandlung mit Perjeta, Herceptin und Docetaxel wird das Bundesamt für Gesundheit unter argen Druck geraten, den Preisforderungen von Roche zu entsprechen. Bundesrat Berset hatte sich geweigert, einen rechtlich fragwürdigen Schaufensterpreis zu akzeptieren. Doch jetzt ist zu erwarten, dass Bundesrat Berset den Streit mit Roche verlieren wird.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor vertritt Prämienzahlende und PatientInnen in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission.

Zum Infosperber-Dossier:

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Preise von Medikamenten

Medikamente verschlingen jeden vierten Prämienfranken. Warum müssen die Kassen viel mehr zahlen als im Ausland?

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7 Meinungen

  • am 30.09.2014 um 11:29 Uhr
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    Polizisten und Aerzte müssen einen Eid leisten, weil sie am längeren Hebel sitzen (Waffe, ohnmächtiger Patient). Dies ist der Versuch, dem Missbrauch entgegen zu wirken. Die Pharma muss keinen Eid leisten. Es würde sicher nicht viel nützen, aber es wäre ein Zeichen.

  • am 30.09.2014 um 13:01 Uhr
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    Mann muss die grundlegende Frage beantworten, ob ein Medikament, welches ’nur› lebensverlängernd wirkt, die Grundversicherung generell teurer zu stehen kommen darf als ein Heilmittel, welches die Erkrankung eben vollständig heilt (Behandlungskosten/Jahr)?! Im Vergleich zu Letzterem muss man bei Ersterem also berücksichtigen, dass die Grunderkrankung bestehen bleibt, resp. sich nach einer relativ progressionsfreien Phase erneut bis zum Tode kostengenerierend gestaltet. Wenn man bei der Preisgestaltung nun aber nur die Wirksamkeit des Medikaments berücksichtigt, lassen sich Fantasiepreise erzielen. Wird jedoch der therapeutische Nutzen, resp. die Zweckmässigkeit miteinbezogen, müsste die Wirtschaftlichkeit auch auf medizinischen Fakten basierend beurteilt werden! Im Prinzip sollten lebensverlängernde Medikamente inkl. Nebenkosten die OKP nicht stärker belasten als die entsprechenden Kosten heilender Arzneimittel. Mit Glivec hat man diesbezüglich einen SL-Referenzpreis von c.a. 70’000 Franken festgelegt. Daran müssten sich im Prinzip solche Medikamente orientieren. Wobei innerhalb eines Indikationsgebietes die Preise für heilende Arzneimittel aufgrund verbessertem Sicherheitsprofil, kürzerer Behandlungszeit, verringerter Begleitmassnahmen infolge des ökonomisch erzielten Zusatznutzens ansteigen dürfen. …

  • am 30.09.2014 um 13:15 Uhr
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    … Aber eben, BR Berset muss sich nicht über die Kostenineffizienz im Arzneimittelmarkt wundern, wenn er bei den neuen Preisänderungsvorschlägen die Zweckmässigkeit erneut ausser Acht lässt. So ist man der Pharmaindustrie stets ausgeliefert! Ansonsten dürften die Behandlungskosten von Perjeta – unter Miteinbezug der Co-Medikationen – pro Jahr nur etwa 35’000 Franken (oder 2900 Fr/Monat) betragen.

    Insofern war der Schaufensterpreistrick gegenüber dem Ausland für die OKP sogar sehr kosteneffizient, nur eben nicht legal, weil eine entsprechende Preistransparenz negative Auswirkungen auf die Preisverhandlungen im Ausland über den entsprechend angepassten Fabrikabgabepreis gehabt hätte. So belieben im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Industrie eben Bundesrat und Gesundheitsämter zu ‹tricksen›, mit der Problematik, dass die schlitzohrige Pharma nie als Verlierer dastehen wird, naive entsprechend lobbyierte Politiker sich aber in einer entsprechend verzwickten Sackgasse wiederfinden ;-)!

  • am 30.09.2014 um 15:56 Uhr
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    @Eduard Baumann: Das hilft nichts. In Ihren Service-Clubs leisten die Herren einen Eid, der alle anderen Versprechen, Bekenntnisse und Schwüre obsolet macht. Dieser Streit ist darüberhinaus «inszeniert».

  • am 6.10.2014 um 14:45 Uhr
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    Meine Herren, hat irgendwer die betroffenen Frauen gefragt, wie die Lebensqualtiät in den zusätzlichen Wochen oder Monaten ist? Ich habe es bei Bekannten erlebt, bewegungslos, allein in einem Zimmer, kaum noch im Stande sich irgendwie zu äussern. Wenn man das Tieren zumutet, kommt der Tierschutz und klagt vor Gericht.
    Der Kommentar ist sicher hart, aber wesentlich zu dem Thema.

  • am 6.10.2014 um 19:22 Uhr
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    @Schmidlin: Ich bin prinzipiell gegen solche Lebensverlängernde Massnahmen. Die Verlängerung geht ja nicht mit Lebensqualität einher.

    Was mich mehr stört: Denkt jemand an die Sauereien, die nach der Einnahme von solchen Medikamenten über den Urin in unsere Flüsse gelangen?

    Und seien wir ehrlich: Pharmainterne Studien haben weniger Wert als eine Ethikkommission in der FIFA (sorry Sepp).

    Keine Chemie auf dieser Welt kann Krebs heilen. Im Gegenteil: Die Sauereien der Chemo-Industrie und die kontaminierten Ausscheidungen der Patienten verursachen unter dem Strich mehr Krebs als sie jemals zu heilen vermögen.

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