Migros Brötchen Rückruf Ethylenglykol

In diese Migros-Produkte ist Ethylenglykol geraten. Fachleute warnen davor, diesen Frostschutz in der Lebensmittel-Industrie zu verwenden. © Migros

Frostschutz im Migros-Brot

Marco Diener /  Die Migros ruft Backwaren zurück. Doch sie sagt den Kunden nicht, was drinsteckt. Infosperber weiss: Ein gefährlicher Frostschutz.

Insgesamt zehn Produkte musste die Migros zurückrufen: Hamburger-Brötchen, Aufback-Gipfeli, Foccacia, vegane Crèmeschnitten. «Aufgrund eines Fehlers in der Produktion ist kontaminiertes Wasser in einige Produkte gelangt», teilte die Supermarkt-Kette lapidar mit. Und sie empfahl, «betroffene Produkte nicht zu verzehren». Bei Erwachsenen seien «gesundheitliche Beeinträchtigungen sehr unwahrscheinlich». Bei Kleinkindern sei «eine Gefährdung jedoch nicht ausgeschlossen».

Die Migros sagte nichts

Womit das Wasser verunreinigt worden war – das behielt die Migros für sich. Auch auf eine erste Nachfrage von Infosperber. Waren es Darmbakterien? War es ein Schmiermittel? Die Migros verwies zunächst nur auf ihre nichtssagende Medienmitteilung.

«Bis zum Nierenversagen»

Doch Infosperber fand trotzdem heraus: In der Migros-Grossbäckerei Jowa war Kühlwasser in den Brotteig geraten. Dieses könne zu Rauschsymptomen führen, teilte die Migros denjenigen Kunden mit, die hartnäckig nachfragten. Und vor allem seien «Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und bei Kindern eine Abnahme des Blutzuckers» möglich. «Grosse Mengen können zu Herzkreislauf-Störungen und Stoffwechselveränderungen, vor allem aber zu Nierenschädigungen bis hin zum Nierenversagen führen.»

Es war Ethylenglykol

Was war drin im Kühlwasser, dass es derartige Symptome verursachen kann? Erst nach mehrmaligem Nachhaken von Infosperber teilte die Migros mit, dass es sich beim Stoff um den Frostschutz Ethylenglykol handle. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) wirkt er «zunächst erregend, dann narkotisch».

Zum Enteisen von Flugzeugen

Anwendung findet Ethylenglykol vor allem in der Automobil-Industrie. Es dient aber auch zum Enteisen von Flugzeugen sowie von Start- und Landebahnen. Verwendet wird Ethylenglykol ferner in Kondensatoren und Wärmetauschern, als Lösungsmittel, als Bremsflüssigkeit sowie zur Verbesserung der Streichfähigkeit in Lacken und Klebern. Bekannt wurde Ethylenglykol 1985, weil es in Österreich illegal zum Süssen von Weinen verwendet wurde. Weintrinker litten unter Übelkeit und Nierenbeschwerden. Tote gab es – soweit bekannt – nicht.

Warum nur?

Nicht empfohlen wird Ethylenglykol hingegen für die Verwendung in der Lebensmittel-Industrie. Fachleute raten dringend davon ab. Der Gebäudetechnikverband (Suissetec) schreibt klipp und klar: «Nicht für lebensmittelnahe Anwendungen geeignet.» Warum setzt die Migros-Grossbäckerei Jowa trotzdem das giftige Ethylenglykol statt des ungiftigen Propylenglykols ein? Weil es billiger ist? Die Migros sagt dazu nichts.

Über eine Woche lang

Zu den Verunreinigungen mit dem Frostschutz muss es über eine längere Zeit gekommen sein. Den Rückruf veröffentlichte die Migros am 15. März. Schon eine Woche davor war aber kontaminierte Ware im Verkauf. Die Migros beantwortete die Frage, wie lange Frostschutz in den Brotteig gelangte, nicht.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Einseitige Vertragsklauseln. Täuschungen. Umweltschädlich. Hungerlöhne. Erschwerte Klagemöglichkeiten.

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Eine Meinung zu

  • am 24.03.2023 um 11:31 Uhr
    Permalink

    Migros ist nicht-profitorientierte Genossenschaft? Will kaum Gefahrenmeldungen äussern? Will nicht beantworten, warum sie das Gift im Foodbereich einsetzt (Infosperber: Nicht empfohlen wird Ethylenglykol hingegen für die Verwendung in der Lebensmittel-Industrie. Fachleute raten dringend davon ab. Der Gebäudetechnikverband (Suissetec) schreibt klipp und klar: «Nicht für lebensmittelnahe Anwendungen geeignet.» Warum setzt die Migros-Grossbäckerei Jowa trotzdem das giftige Ethylenglykol statt des ungiftigen Propylenglykols ein? Weil es billiger ist? Die Migros sagt dazu nichts). Meine Vermutung: Die Genossenschafter (wie ich) haben dort faktisch nichts zu sagen. Ich finde die Profitbolzerei antisozial (dem Preisüberwacher «Bio» Juristen auf den Hals schicken, um Meldung an Konsumenten zu vereiteln; ich kaufte gestern ausschliesslich paar Früchte und Tiefkühlfrüchte, über 35 Franken). Mein neuer Migros-Slogan: «Ein M Miserabler»

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