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Er verfolgte den Kriegsausbruch im Donbass genau: Historiker Nikolay Mitrokhin 2016. © Новости Донбасса

Russlands Krieg in der Ukraine dauert bald 9 Jahre

Pascal Sigg /  Nicht nur Roger Köppel spricht gern von «Bürgerkrieg». Doch die Rolle Russlands beim Krieg im Donbass seit 2014 ist gut belegt.

Fast sämtliche Massenmedien berichteten vor Monatsfrist über den Jahrestag der russischen Invasion der Ukraine. Dieses Gedenken lief allerdings Gefahr, den Krieg im Donbass seit 2014 zu vergessen. Und so zu suggerieren, dabei habe es sich um einen vorwiegend inner-ukrainischen Konflikt gehandelt. Weltwoche-Chef Roger Köppel behauptete vor wenigen Wochen auch: «Niemand bestreitet, dass es vor der Eskalation vor einem Jahr einen Bürgerkrieg auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetrepublik Ukraine gegeben hatte.»

Vom ukrainischen «Bürgerkrieg» zum russischen «Selbstverteidigungskrieg»

Köppel ist nicht allein. Die Schweizerische Friedensbewegung schrieb in der Begründung für ihre Petition «JA zur Neutralität, NEIN zur Annäherung an die NATO!» vor wenigen Wochen über den gegenwärtigen Krieg in der Ukraine: «Diesem Krieg gingen acht Jahre Bürgerkrieg in der Ostukraine voraus.» Auch Daniele Ganser spricht derzeit in seinen Vorträgen von «acht Jahren Bürgerkrieg in der Ostukraine».

Der US-Politikwissenschaftler John Mearsheimer sprach ebenfalls in der Weltwoche von einem «Bürgerkrieg gegen die Russen im Donbass» und leitete daraus ab: «Wer diese Fakten akzeptiert, muss zum Schluss kommen, dass die Russen einen Selbstverteidigungskrieg führen, der durch den Westen provoziert wurde.»

Zahlreiche Berichte widersprechen dem Bild eines «Bürgerkriegs» allerdings deutlich. Demnach waren russische Kräfte von Beginn weg am Ausbruch des Kriegs im Donbass beteiligt und haben den Kriegsverlauf im August 2014 entscheidend verändert. Ein Kenner dieser Geschichte ist der russische Historiker Nikolay Mitrokhin, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bremen. Er verfolgt den Konflikt im Donbass seit 2014 und hat ihn in zahlreichen Beiträgen im Magazin «Osteuropa» dokumentiert. Also lange vor der offenen russischen Invasion im Februar 2022.

Allerdings sind seine wissenschaftlichen Beiträge nicht frei verfügbar. Gedruckte Ausgaben der Zeitschrift finden sich in Universitätsbibliotheken. PDFs gibt es für 3 Euro pro Artikel beim Verlag oder mit entsprechendem Zugang über die Datenbank JSTOR.

Nationalisten, Kleinkriminelle, Kriegsveteranen

In einem ersten Artikel von Mitte 2014 beschreibt Mitrokhin, wie kleine nationalistische Gruppierungen mit engen Kontakten in russische faschistische Kreise im März 2014 die ersten Aufstände durchführten. Zu ihnen gesellten sich Banden Kleinkrimineller und bezahlte Jugendliche, welche der ukrainischen Strafverfolgung und der Macht lokaler Mafia-Grössen entkommen wollten. Viele von ihnen wurden darauf verhaftet und von einer Gruppe von Akteuren mit deutlichen Kontakten zum russischen Geheimdienst und mit Militärerfahrung abgelöst. Darunter waren vor allem auch Veteranen der Kriege in Afghanistan und Tschetschenien.

Eine wichtige Figur war Igor Girkin, ein Russe, über den damals auch die Süddeutsche Zeitung oder die NZZ berichteten. Mitrokhin bilanziert: «Wie auf der Krim waren zunächst kleine Spezialeinheiten des russländischen Militärgeheimdienstes GRU sowie eine deutlich grössere Zahl von ehemaligen Soldaten, Kosaken und rechtsradikalen Kriegsabenteurern beteiligt.»

Klare Verbindungen nach Russland

In einem zweiten Artikel vom Sommer 2014 mit dem Titel «Infiltration, Instruktion, Invasion: Russlands Krieg in der Ukraine» arbeitet Mitrokhin die Verbindungen der frühen «Separatisten» zu Russland detaillierter heraus. «Sie haben in der sowjetischen oder der russländischen Armee gedient, teilweise im Offiziersrang. Und sie stammen entweder gar nicht aus dem Donbass und sind erst im Laufe der vergangenen zehn Jahre in die Region gezogen, oder aber sie kommen aus dem Donbass, haben jedoch lange Zeit in Russland gelebt.»

Im August 2014 wurde durch die Veröffentlichung eines Vortrags des damaligen russischen Generalstabschefs Valerij Gerasimov zudem bekannt, dass Russland seit 2013 das Schüren eines bewaffneten Volksaufstands strategisch als Teil der verdeckten Kriegsführung in Nachbarländern in Betracht zog. Zu diesem Zweck stellte das russische Verteidigungsministerium bereits im März 2013 Einheiten für Spezialoperationen zusammen.

Bald 9 Jahre russischer Krieg in der Ukraine

Mitrokhins Arbeit zeigt aber vor allem, dass der Krieg Russlands in der Ukraine bald 9 Jahre dauert. Er schreibt: «Russländische Soldaten beteiligen sich seit Monaten an den Kampfhandlungen in der Ukraine. Seit Mitte August 2014 gibt es auch in Russland Belege, die die letzten Zweifel daran ausgeräumt haben.»

Nach Mitrokhin schien im Sommer 2014 das Reservoir an «Freiwilligen» erschöpft. Denn Russland entsandte Mitte August erstmals reguläre Einheiten, welche «ohne ideologische Motivation und schlicht auf Befehl der Armeeführung in die Ukraine kamen.» Mitrokhin beruft sich dabei unter anderem auf Berichte der russischen Zeitung Novaya Gazeta, welche mit Angehörigen getöteter russischer Soldaten gesprochen hatte.

Wehrerfassungsämter rekrutierten Männer mit privaten Problemen

Die Rekrutierung dieser Kämpfer erfolgte über die Wehrerfassungsämter. Sie machten ehemalige Soldaten aus den Kriegen in Tschetschenien, Afghanistan oder Georgien ausfindig. «Der ideale Kandidat hatte aus diesen Kriegen militärische Erfahrung und arbeitete nun bei einem Wachdienst, auf dem Bau oder als Fahrer und hatte Schulden oder familiäre Probleme.»

Entscheidenden Einfluss aufs Kriegsgeschehen nahm Russland aber in der zweiten Augustwoche 2014. Die ukrainische Armee hatte zuvor die wichtigste Nachschubroute der «Separatisten» nach Moskau abgeschnitten und den prorussischen Kämpfern drohte die vollständige Einkreisung. Doch darauf wurden die Ukrainer bei heftigen Kämpfen zurückgeschlagen.

Gemäss Mitrokhin erklärte Aleksandr Zacharchenko, der kurz zuvor eingesetzte neue Ministerpräsident der sogenannten Volksrepublik Donezk den Umschwung bei einer Pressekonferenz «am 16. August 2014 ganz offen damit, dass seine Leute aus Russland Hilfe in Form von 150 Panzerfahrzeugen erhalten hätten und 1200 Mann im Verlaufe von vier Monaten in Russland eine militärische Ausbildung erhalten hätten.» Mitrokhin gibt dafür ein mittlerweile gelöschtes Youtube-Video als Quelle an.

Nemtsov-Bericht belegte russische Kriegsführung im Donbass

Zum selben Schluss kam auch ein im Mai 2015 veröffentlichter Bericht einer Gruppe russischer Oppositioneller um Boris Nemtsov. Er listet biografische Angaben und Fotos zahlreicher russischer Soldaten auf, die 2014 im Donbass starben. Gemäss dem Bericht kamen allein in der Schlacht um Ilowajsk 150 russische Soldaten ums Leben. 70 weitere starben in Debaltseve im Februar 2015, noch während der Verhandlungen über das Zweite Minsker Abkommen.

Später wurde bekannt, dass an diesen Kämpfen auch Wagner-Söldner teilgenommen hatten. Nemtsov wurde Ende Februar 2015 auf offener Strasse in Moskau ermordet. Vor einem Jahr machten das Investigativ-Magazin Bellingcat und die BBC in einer Kurzdoku bekannt, dass Nemtsov in den Monaten vor seinem Tod vom selben FSB-Agenten verfolgt wurde, der später auch den Oppositionellen Vladimir Kara-Murza und Alexey Navalny nachstellte.

«Who killed Nemtsov?» Doku vom 28.03.2022 (BBC News)

Der Report ist auch heute noch öffentlich in Englisch verfügbar. Denn nach Nemtsovs Tod stellten mit ihm befreundete Regimekritiker wie der gegenwärtig inhaftierte Ilja Jaschin den Bericht fertig. Jaschin sagte anlässlich der Präsentation des Berichts: «Alle Schlüsselerfolge der Separatisten werden durch russische Truppen gesichert.» Russische Truppen seien entscheidend für das Überleben der neuen sogenannten Volksrepubliken, schrieb die «International Crisis Group» 2016 in einem Bericht über die Lage im Donbass.

Auch ein Team des ARD-Formats «Weltspiegel», das zufällig die Kämpfe in Ilowajsk Ende August 2014 direkt miterlebte, berichtete von einem «Wendepunkt in der Ostukraine – ausgelöst durch eine massive Verstärkung der Separatisten durch russische Militärtechnik, Freiwillige und aktive Soldaten».

Tödliche Falle Ilowajsk im Weltspiegel extra vom 2. September 2014 (Youtube)

Falscher Gegensatz zwischen Bürgerkrieg und Invasion

Dass es sich beim Konflikt im Donbass seit 2014 nicht um einen Bürgerkrieg handelte, bedeute jedoch, dass man bereits von einer Invasion sprechen könne. Dies schreibt der auf die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine spezialisierte US-Politikwissenschaftler Paul D’Anieri in seinem Buch «Ukraine and Russia: From Civilized Divorce to Uncivil War». Der Gegensatz zwischen Bürgerkrieg und Invasion sei mindestens teilweise falsch. «Viele gewaltsame Konflikte haben Elemente internationaler und ziviler Kriege. In der Ukraine war die Unterscheidung zwischen ‹intern› und ‹von Russland unterstützt› nie ganz klar, weil Russland jene Ukrainer, die engere Verbindungen zu Russland suchten, konsistent unterstützte und ermutigte. Wer stärkere Autonomie der östlichen Regionen und engere Beziehungen mit Russland wollte, suchte Unterstützung in Russland. Und Russland stellte diese gerne zur Verfügung.»

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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Pascal Sigg

Pascal Sigg ist Redaktor beim Infosperber und freier Reporter.

26 Meinungen

  • am 21.03.2023 um 11:24 Uhr
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    Bei vielen «Bürgerkriegen» mischen Drittländer mit, manchmal verdeckt, manchmal offen. Den «Bürgerkrieg» in Syrien hätte es ohne die massive verdeckte Unterstützung der USA für den IS und die Kurden nicht gegeben. Der Begriff «Bürgerkrieg» ist nirgendwo verbindlich definiert, und ihn zu verwenden, bedeutet nicht, dass man ausländische Einflussnahme und Mitwirkung leugnet. Im letzten Absatz des Artikels steht ja sogar ausdrücklich: «Viele gewaltsame Konflikte haben Elemente internationaler und ziviler Kriege. In der Ukraine war die Unterscheidung zwischen ‹intern› und ‹von Russland unterstützt› nie ganz klar, weil Russland jene Ukrainer, die engere Verbindungen zu Russland suchten, konsistent unterstützte und ermutigte.» Für Russland sind die russischsprachigen, sich als Russen fühlenden Einwohner des Donbass «Landsleute», und wenn die um Hilfe rufen, kommt Russland ihnen selbstverständlich zu Hilfe. Dass sie 2014 um Hilfe gerufen haben, daran war allen voran Kiew schuld, wer sonst?

  • am 21.03.2023 um 12:11 Uhr
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    Die Geschichte fängt doch nicht erst nach dem Maidan statt… Vor Schuldzuweisungen muss doch untersucht werden, weshalb der Maidan-Aufstand stattfand und wer ihn unterstützt und provoziert hatte. Und hatten die Bewohner der Krim und des Donbass kein Recht, den Putsch, das unrechtmässige Regime und die Einschränkung ihrer Rechte abzulehnen?

  • am 21.03.2023 um 12:17 Uhr
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    Kling wie ein Henne-oder-Ei-Problem der Geopolitik: hätten die Russen ohne Maidanputsch trotzdem verdeckte Operationen im Donbass ausgeführt? Wie wäre die Situtation in der Ukraine wenn es über den Status der Ukraine und den Schwarzmeerzugang Russlands einen ehrlichen Interessenausgleich (Neutralität, kein Anschluss an NATO od. EU) gegeben hätte? Wir wissen es nicht; ich sehe diese beschriebenen Aktionen Russlands als völkerrechtlich bedenkliche, letztlich illegale Interessenwahrung; ohne russische Söldner und Unterstützung wäre die ukrainische Armee wohl durchmarschiert. Andererseits trieb dieses russische Engagement die Ukraine noch tiefer in die NATO und EU. Jetzt ist die Ukraine de facto NATO-Mitglied und militärisch mit der EU eng verbunden. Die Eskalation hat beiden Seiten außer Krieg und Zerstörung nichts gebracht, der Konflikt lässt sich nur diplomatisch lösen.

    • am 21.03.2023 um 23:44 Uhr
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      Das wäre zu schön um wahr zu sein.
      Nur mit wem soll Russland noch verhandeln? Wortbruch und Vertragsbruch seitens des Westens mit dem Ziel die Ukraine zu stärken um gegen Russland agieren zu können tragen nicht gerade dazu bei ein Verhältnis des Vertrauens in die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse zu gewährleisten.
      Da Frieden offensichtlich nicht gewollt ist, sondern immer weiter der Krieg eskaliert wird, werden Stück für Stück sämtliche Türen die jemals aufgestossen waren, zugemauert.

  • am 21.03.2023 um 16:54 Uhr
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    Ich rate zur Vorsicht, sich schnell und unbedacht auf eine Seite in diesem Konflikt zu schlagen. Ob Ukrainer oder Russen, Europäer oder Amis – es gibt sehr verschiedene Interessenlagen, die nur eines gemeinsam haben: es wird gelogen, intrigiert und erfunden wie in einem orientalischen Märchenzyklus!

    Wir haben es mit den Zerfallsprozessen eines Imperiums zu tun. Das Zarenreich existierte seit Peter dem Großen über 200 Jahre, die darauf folgende Sowjetunion noch einmal 70 Jahre – das sind zusammen neun Generationen. Bis alle Bindungen und Prägungen dieser langen Zeit überwunden sind, braucht es Jahrzehnte!

    Die russische Föderation ist immer noch ein Vielvölkerstaat, weitgehend dünn besiedelt, aber voller Bodenschätze. Wohin der Zerfall führen wird, kann niemand wissen. Dass es ein Hauen und Stechen geben wird, um seine Schätze zu verteidigen – allerdings mit modernen Waffen bis hin zu Atombomben – das ist sehr wahrscheinlich. Wir haben noch viele Kriegsjahre vor uns, fürchte ich.

    • am 22.03.2023 um 08:02 Uhr
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      Es zerfallen zwei Imperien: auch die USA, mit exorbitanter Staatsverschuldung, tiefer interner Spaltung und zerfallendem Einfluss nach aussen (Reputation, Währung).

    • am 22.03.2023 um 09:13 Uhr
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      Ihre Diagnose «Zerfallsprozess eines Imperiums» würde ich eher auf das amerikanische Imperium anwenden. Ein russisches Imperium sehe ich nicht, ich denke, der Fachausdruck «Föderation» passt da schon besser. Eine Gleichsetzung des russischen «Imperiums» mit dem US-amerikanischen erscheint mir lächerlich.

  • am 21.03.2023 um 17:25 Uhr
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    Der Autor ist Member of the board at the Program Branch “Social Contract” by Open Society Institute (Soros Foundation)
    Leute, die für Open Society arbeiten, sind per definitionem pro USA und gegen Russland …
    Warum bingt Infosperber diesen Text?
    Ich empfehle diesenText als Contrapunkt: «Der stellvertretende Tod der Ukraine».
    Olivier Fehr hat die Tendenz des Aufsatzes des Soros-Foundation-Members gut erfasst.

  • am 21.03.2023 um 18:00 Uhr
    Permalink

    Indem P. S. nur vom russischen Anteil an den Ereignissen im Donbas ab 2014 berichtet, entsteht ein einseitiges Bild. Die dreizehntausen Toten und grässlichen Verwüstungen und Zerstörungen im Donbas gehen zum grösten Teil zu Lasten der ukrainischen Truppen, will heissen, die ultranationalistischen ASOW-Krieger und Söldner. Die Marionettenregierung in Kiew hat entgegen der Verhandlungslösung, die durch das Minskerabkommen vorgegeben war, im Donbas zugeschlagen. Nach Aussage von Frau Merkel ging es nur darum, Zeit zu gewinnen, um die Ukraine aufzurüsten.
    Im Abschnitt: Klare Verbindungen zu Russland steht:….,dass Russland seit 2013 das Schüren eines bewaffneten Volksaufstands (…) in Betracht zog. Zu diesem Zweck stellte das russische Verteidigungsministerium (…)Einheiten für Spezialoperationen zusammen.

    • am 22.03.2023 um 17:51 Uhr
      Permalink

      Die von putinfreundlichen Journalisten und Kommentarschreiber gerne genannte Zahl von Opfern im Donbasskonflikt schreiben sie sich voneinander ab und niemand macht sich die Mühe, sie zu überprüfen. Die Zahl von rund 14‘500 Toten setzt sich zusammen aus ca. 5000 ukrainischen Soldaten und Freischärler, ca. 5000 Aufständischen inkl. bis zu 1000 russischen Armeeangehörigen. Zivile Opfer auch rund 5000 auf beide Seiten der Frontlinien (die genauen Zahlen kann man in den veröffentlichten OSZE-Berichten entnehmen). Das Minsker Abkommen ist durch den Einsatz von russischen Truppen im Donbass mindestens ebenso missachtet worden wie durch das Verhalten der damaligen ukrainischen Regierung. Insofern nützt es nicht weiter zu kolportieren, was Merkel gesagt habe sondern man muss den Kontext verstehen.

  • am 21.03.2023 um 22:05 Uhr
    Permalink

    Spätestens seit dem Abschuss der MH13 (mit knapp 300 Insassen) mit modernstem russischen Gerät durch ukrainische Staatsbürger, die sich danach nach Russland abgesetzt haben, um der Strafverfolgung zu entgehen (und die nur deshalb verurteilt wurden, weil sie nach internationalem Recht keinen anerkannten Kombattantenstatus hatten) wissen wir, dass man in dieser Region weder von einem Bürgerkrieg noch von einem Angriffskrieg sprechen kann.

    Allerdings war die vorhergehende «Amtsenthebung» von Janukowitsch nicht nach demokratischen Regeln verlaufen. Die Tötungen auf dem Euromaidan 2014 wird Berkut-Polizisten zugeschrieben, die auch angeklagt wurden. Die meisten sind nach Russland geflüchtet; aber von einer rechtskräftigen Verurteilung findet man in dem Wikipedia-Artikel nichts. Interpol lehnt ukrainische Haftbefehle ab.

    Wir wissen auch, dass sich die EU- bzw. Nato-Staaten in einem kalten Krieg mit Russland sehen. Im Krieg ist die Berichterstattung anders als in zivilisierten Zeiten.

  • am 21.03.2023 um 22:56 Uhr
    Permalink

    Der Artikel zitiert fast ausschliesslich Quellen, die Putins Russland feindlich gesinnt sind. Es findet aber keine Bewertung der Vorgänge in den russischsprachigen Gebieten der Ukraine statt. Es ist bei Kenntnis der Verhältnisse im Donbass undenkbar, dass Russland weiter zugeschaut hätte, wie die russische Kultur und Sprache diskriminiert wurden. Dieser Vorgang setzt sich übrigens heute so fort, dass die vom ukrainischen Staat gesteuerte ukrainisch-orthodoxe Kirche russisch-orthodoxe Mönche aus ihren Klöstern in der Ukraine vertreibt, ein für orthodoxe Kirchen unerhörter Vorgang.

    • Portrait Pascal.Sigg.X
      am 21.03.2023 um 23:30 Uhr
      Permalink

      Ein diskriminierendes Sprachgesetz wurde erst später in Kraft gesetzt. Im Artikel geht es nur um Frühling 2014 bis Frühling 2015. Das ukrainische Parlament wollte 2014 zwar ein entsprechendes Gesetz erlassen, doch der damalige Übergangspräsident Turchynov unterzeichnete die Vorlage nie. Doch darüber wurde damals kaum berichtet.

      • am 22.03.2023 um 09:22 Uhr
        Permalink

        Ich finde Ihre Wortwahl seltsam. Wenn ein Parlament eine Gesetzesvorlage per Abstimmung in Kraft setzt, ist es keine Vorlage mehr, sondern ein Gesetz. Erst nach dem Parlamentsbeschluss folgt die Unterzeichnung durch das Staatsoberhaupt, durch die das Gesetz in Kraft gesetzt wird. Die Verabschiedung des Gesetzes im Parlament (womöglich mit großer Mehrheit) zeigte den russischen Bewohnern des Donbass, welches Schicksal ihnen bevorstand. Sie brauchten nicht darauf warten, dass der Nachfolger Turchynovs es per Unterschrift in Kraft setzte.

    • am 23.03.2023 um 07:40 Uhr
      Permalink

      Auch Deutschland wollte einmal der Diskriminierung deutschen Volkstums in Nachbarstaaten nicht mehr länger zusehen und hat sich durch dieses einleuchtende Argument dazu ermächtigt, die Rechte des deutschen Volkstums jenseits der Grenzen (die natürlich ein Unrecht gegenüber dem deutschen Volk darstellten) durchzusetzen. Europa hat sich von solchen Argumenten verabschiedet.
      Wer wirklich in Kenntnis der Lebensverhältnisse «die Vorgänge in den russischsprachigen Gebieten bewertet», weiss, dass der überwiegende Teil der russischsprachigen Bevölkerung keine Befreiung durch die russische Armee bzw. 2014 durch die von Russland unterstützten separatistischen Milizen wünschte, sondern auf einem Verbleib in der Ukraine bestand – in Charkov, Dnepro(petrovsk), Odessa usw. Ich weiss, es ist fast unmöglich, Menschen, die nie in der Ukraine waren, davon zu überzeugen, dass es sich bei der Behauptung, russischsprachige Ukrainer seien prorussisch eingestellt, um russische Propaganda handelt.

      • am 23.03.2023 um 22:52 Uhr
        Permalink

        Das glaub ich gerne!
        Ich denke, es ist dem Umstand geschuldet das die von Putin angebotene Wirtschaftszone von Wladivostok bis Lissabon die politischen Ambitionne der USA, ähnlich wie bei Gaddafi mit dem Afrika Dollar, dazu führten das sich die politischen Verhältnisse inklusive des jetzigen Krieges in der Ukraine manifestierten.
        Wäre der Druck der USA, in Angst um den Dollar als Weltwährung, nicht gewesen, würde es allen europäischen Ländern und auch denen des ehemaligen Warschauer Paktes sehr viel besser gehen.
        Aber die USA währen nicht nur Pleite, sie währen auch bedeutungslos.
        Übrigens, Novichok wird auch in England und Amerika hergestellt!

  • am 22.03.2023 um 06:15 Uhr
    Permalink

    Ich bin nicht auf der Liste der Soros-Stiftung oder sonst gebunden, hingegen stark verbunden mit Menschen auf beiden Seiten. Aus unzähligen Gesprächen mit Augenzeugen aus dem Donbass kann ich die Aussagen von P. Sigg und N. Mitrokhin bestätigen: Russland war von Anfang an Kriegspartei im Donbass. Das heisst unter anderem auch: Nicht nur Angela Merkel und «der Westen» haben nicht mit offenen Karten gespielt in Minsk, auch die russische Seite hat das ganze Vertragswerk auf eine entscheidende Lüge gebaut und dadurch eine Umsetzung der Bestimmungen verunmöglicht. Ausserdem beruhen fast alle Argumentationen, welche Putin verteidigen, auf der Unkenntnis der Situation im Donbass bez. Bevölkerung und Sprache: Diese erlaubt keine Abstützung auf Volkszugehörigkeiten, da keine klaren Kriterien dafür bestehen. Der Sprachgebrauch entscheidet nicht über die politische Orientierung. «Die Russen» konnten nicht Russland um Hilfe rufen. Es gab darüber nie eine freie demokratische Willensbildung.

    • am 22.03.2023 um 17:01 Uhr
      Permalink

      «Russland war von Anfang an Kriegspartei» Welchen Anfang meinen Sie? Und welches ist die entscheidende Lüge, auf der die Minsker Verträge aufgebaut sind?

      • am 23.03.2023 um 04:05 Uhr
        Permalink

        «Von Anfang an»: Seit dem Putsch im Donbass im April 2014, der auf den Putsch in Kiew vom Februar 2014 antwortete. (Die für die Bewohner selber in beiden Fällen schwer durchschaubaren Vorgänge sind zum Donbass in «Osteuropa Heft 3-4/2019» sorgfältig rekonstruiert, in Übereinstimmung mit meinen eigenen Recherchen und dem im Artikel hier referierten Sachverhalt,)
        «Die entscheidende Lüge»: Wie bereits gesagt, bestand sie darin, dass den Verträgen die Fiktion zugrunde gelegt wurde, Russland sei nicht in die Kriegshandlungen involviert durch Angehörige der Armee, durch schwere Waffen, durch Finanzierung sowie durch Steuerung des neuen Führungspersonals. .

      • am 24.03.2023 um 07:44 Uhr
        Permalink

        Ich bin nicht Ukraine- und Donbasspezialist, aber Sie sagen ja selbst, dass der Putsch in Kiev die Ursache für die weitere Eskalation war. Damit müssen doch primär dessen Hintergründe und Gründe für die nicht umgesetzten Minsker Protokolle dargestellt werden… Dann ist aber nicht Russland, sondern sind die USA und ihre europäischen Verbündeten massgeblich für den Konflikt verantwortlich. Die Vorgeschichte auszublenden ist offensichtliche Manipulation.

  • am 22.03.2023 um 06:41 Uhr
    Permalink

    Der Artikel unterschlägt vollkommen die andere Seite der Medaille. Die andere Seite des Bürgerkriegs hatte genauso Unterstützung von westlichen Kräften, allen voran der USA. Und diese Unterstützung und Steuerung ging der Beteiligung russischer Kräfte im Osten voraus. Sie führte zum Maidan-Putsch und darauf zur «ATO», dem Beginn der bewaffneten Auseinandersetzungen.

    • am 22.03.2023 um 17:30 Uhr
      Permalink

      Dem «Majdan-Putsch» ging eine breit in der Bevölkerung abgestützte Volksbewegung voraus, die auch viele russischsprachige Gebiete erfasste. Nach dem Putsch wurde die zunächst illegale Regierung durch Wahlen legitimiert, die (soviel ich weiss) in ihrer Durchführung nach europäischen Standards von niemandem in Frage gestellt wurden. Die oppositionelle Partei der Regionen konnte sich frei beteiligen und erhielt einen grossen Anteil an Stimmen, die rechtsextremen Gruppierungen blieben weit abgeschlagen. Im Gegenteil dazu wurden die ebenfalls durch einen Putsch an die Macht gekommenen, von Russland ausgewählten Führungen der Volksrepubliken nie durch Wahlen legitimiert, die auch nur annähernd demokratischen Normen entsprachen. Viele Augenzeugen berichten von einer Zeit der vollständigen Rechtlosigkeit während des Referendums unter den neuen Führern, keineswegs vergleichbar mit dem Zustand der Ukraine nach den Wahlen.

      • am 23.03.2023 um 15:30 Uhr
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        Ihr Satz «Nach dem Putsch wurde die zunächst illegale Regierung durch Wahlen legitimiert» ist schöne Realsatire. In einer modernisierten Version von Macchiavellis «Il Principe» würde sicher dieser Ratschlag stehen: «Vergiss nach einem Putsch nie, deine Herrschaft durch Wahlen legitimieren zu lassen.»

      • am 24.03.2023 um 05:45 Uhr
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        Belegen Sie Ihre Behauptung, diese Wahlen seien nicht nach anerkannten Standards von demokratischen Wahlen durchgeführt worden durch Zeugnisse unabhängiger Beobachter! Bei einer solchen Frage entscheiden nicht Meinungen und Antipathien. Oder belegen Sie durch eigene Erfahrungen, dass die Stimmung in den bei der Ukraine verbliebenen Landesteilen, die sich an der Wahl beteiligen konnten, geprägt war von Unmut gegen eine Pseudodemokratie, die de facto, wie Sie hier geltend machen, ein Putsch-Regime sei. Ich kann das Gegenteil bezeugen. (Viel Unmut richtete sich nicht gegen angebliche diktatorische Tendenzen, die ich nicht feststellen konnte, sondern gegen die Unfähigkeiten, das Land kompetent in die Zukunft zu führen und die Korruption zu bekämpfen, die seit Sowjetzeiten in Russland wie in der Ukraine nicht auszurotten ist.)

  • am 22.03.2023 um 08:42 Uhr
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    Am Ende des kalten Krieges wurde der Warschau-Pakt aufgelöst und die Truppen zurückgezogen. Gorbatschow ermöglichte die Wiedervereinigung Deutschlands.
    Die Nato hingegen wurde, entgegen den Versprechungen und trotz zahlreichen Warnungen prominenter westlicher Politiker, schrittweise bis an die Grenze Russlands erweitert. Sie installierte Raketenbasen in Polen und Rumänien und führte Grossmanöver durch. Die Sicherheitsforderungen Russlands wurden nicht respektiert.
    Eine Neutralitätserklärung und der Nato-Beitrittsverzicht der Ukraine (Beispiel Schweiz) hätten den Krieg verhindert.
    Hätten. Noch heute sind dies sowie Autonomierechte für Donbass und Krim die Voraussetzung für einen Waffenstillstand und Verhandlungen.

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