Kommentar

Trumps hohe Zölle – die Schweiz ist der ideale Sündenbock

Christof Leisinger © zvg

Christof Leisinger /  Man mag sich gedemütigt fühlen. Aber die Welt ist nicht untergegangen. Sie hat sich nur verändert und es gilt, sich anzupassen.

Die «grösste Niederlage seit Marignano» oder «das ist der Selenski-Moment für die Schweiz» – die Reaktionen der Schweizer Medienwelt auf den seit dem Morgen geltenden Steuersatz von 39 Prozent auf die meisten Exporte in die USA sind eindeutig. Aber sie sind auch auf lächerliche Weise übertrieben. Denn im Unterschied zur Ukraine etwa geht es nicht unmittelbar um Leben und Tod.

Stattdessen geht es «nur» um wesentliche Änderungen im geo-, finanz-, wirtschafts- und handelspolitischen Umfeld. Die Schweiz hatte sich bestens in der regelbasierten Ordnung der vergangenen Jahrzehnte zurechtgefunden. Nun, da sonnenklar geworden ist, dass solche nicht mehr länger gelten, können emotionale Reaktionen wohl kaum überraschen.

Die Schweizer Regierung mag sich in diesem Rahmen scheinbar ungeschickt verhalten haben und Grund für Kritik geben. Aber was heisst das schon, wenn weltpolitisch plötzlich archaisches Handeln das Geschehen dominiert, wenn auch im scheinbar zivilisierten Westen das Recht des Stärkeren gilt und wenn staatspolitische Ziele über den höflichen, diplomatischen Umgang miteinander gestellt werden?

In den Augen Donald Trumps und seiner Entourage jedenfalls hat der «regelbasierte» Freihandel in der Realität nicht gehalten, was Handelstheoretiker aus den Elfenbeintürmen immer versprochen hatten – dass sich die Handelsströme zwischen den verschiedenen Ländern langfristig ausgleichen.

anfällig für handelskonflikte
Die Schweiz und Europa sind deutlich stärker vom Export abhängig als die USA und China. Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

Die chronischen Defizite und der dahinserbelnde Mittelstand der USA widerlegten das bekannte Theorem des britischen Ökonomen David Ricardo über die ausgleichende Wirkung von komparativen Vorteilen, behaupten sie und gehen nun mit aller Macht dagegen vor. Die Schweiz kommt ihnen dabei gerade gelegen, um ein Exempel zu statuieren. Schliesslich erzielt sie merkliche Überschüsse im Handel mit den USA und in den Augen vieler auswärtiger Betrachter war sie schon immer berüchtigt dafür, sowohl den Fünfer und auch das Weggli haben zu wollen.

Nun mag sich die Schweiz kurzfristig gedemütigt fühlen. Letztlich aber ist die Welt nicht untergegangenen, sondern hat sich nur etwas verändert. Bei den Zöllen ist das letzte Wort mit grosser Wahrscheinlichkeit noch nicht gesprochen – und selbst wenn, liessen sich die neuen Rahmenbedingungen gestalten.

«Wie wäre es – wenn wir statt Kommentar-Spalten zu füllen, den Bundesrat zu kritisieren, die Uhrenbosse die Schuld der Pharma zuschieben und die Linken den Rechten und umgekehrt – wenn wir gemeinsam Wege suchen», argumentiert zum Beispiel der langjährige Präsident der Globetrotter Group André Lüthi auf Linkedin. Damit meint er, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und die Offenheit für den Rest der Welt. Visionäre blicken dabei nicht nur nach Asien, sondern immer öfter auch nach Afrika, einem völlig unterentwickelten Markt.

Bei aller Emotionalität – die Welt dreht sich weiter und die Schweiz wird sich an die neuen Rahmenbedingungen anpassen. Das politische Geschick dafür hat sie in der Vergangenheit zu Genüge bewiesen. Und die Wirtschaft war schon immer anpassungsfähig – auch ohne dass der Staat mit grosser Kelle anrührt, was verschiedenste Lobbyisten gerne hätten und plump dafür plädieren. «Die Option, einfach den Kopf in den Sand zu stecken, nicht mehr zu produzieren und von Steuerzahlern Kurzarbeit zahlen zu lassen, muss die allerletzte Option sein», argumentiert denn auch Simon Michel, CEO der Ypsomed-Gruppe.

aussenhandel schweiz
Die USA sind für die Schweizer Wirtschaft wichtig, aber nicht alles … Hier gibt es eine grössere Auflösung der Grafik.

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US-Politik unter Donald Trump

Weichenstellungen: An seinen Entscheiden ist Trump zu messen, nicht an seinen widersprüchlichen Aussagen.

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5 Meinungen

  • am 7.08.2025 um 17:55 Uhr
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    Ein Kleinstaat mit einer starken einflussreichen und mächtigen Nationalbank und Heimat von globalen Grosskonzernen, könnte wohl in anglo-amerikanischen Finanzkreisen ein Dorn im Auge sein. Es ist ein Machtspiel entweder die Schweiz kippt oder bleibt standhaft.
    Gunther Kropp, Basel

  • am 7.08.2025 um 18:51 Uhr
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    Die Schweiz wird sich wie Feige EU, also von der Leyenund DEutschland mit BLACKROCK-KANZLER MERZ, von Trump demütigen und über den Tisch ziehen lassen . . .

    Wobei die Schweiz sich in ihrem Geschäftsgebaren gegenüber anderen Staaten auch nicht gerade fair verhalten hat.
    Auch der Einwurf der Rechten & Konservativen, man sollte sich der Mafiosen EU anschließen, ist eher ein Armutszeugnis derer, die seit Jahren dafür trommeln.

    Aber vielleicht kauft die Schweiz mehrere F-35 Kampfflugzeuge zu völlig überhöhten Preisen und zweifelhaftem Nutzen . . . wer weiß ?

  • am 7.08.2025 um 21:56 Uhr
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    Wetten, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wird hören und lesen werden, unsere Volksvertreter hätten, dank aufopferndem Einsatz, Trump’s Zölle noch ein paar Prozent heruntermarkten können? So geht «Deal»! Und alle ziehen ihre Vorteile aus derartigen «Showcases».

  • am 8.08.2025 um 14:25 Uhr
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    Es wäre jetzt an der Zeit umzudenken. Wieso machen wir für die USA noch Botschaftliche Dienstleistungen (z.B. Iran)? Ich würde die Flugzeuge und Militärausgaben für Waren von den USA streichen, ist überhaupt kein Verlass wie es sich gezeigt hat. Es ist dringend notwendig, andere Absatzmärkte zu erschliessen, evtl. sogar mit Hilfe von Bern, anstelle die Faust im Sack zu machen. Es ist sicherlich nicht angenehm, für KMUs, deren Absatz vor allem America ist. Aber besser jetzt umstellen und sich verändern, als dem Zoll nachheulen. Andere Länder zeigen, dass dies auch geht.
    Zum Schluss dürfen wir auch nicht vergessen, Trump ist auch nicht ewig Präsident, evtl. geht er schon schneller als geplant.

  • am 9.08.2025 um 01:51 Uhr
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    Ich bin völlig mit Andras Nagy einverstanden. Anstatt zu weinen, soll sich die Wirtschaft in Richtung Brics-Staaten orientieren und neue Märkte erschliessen. Diese Staaten sind nämlich stark am Aufkommen und die Schweiz könnte dort ihr Glück finden. Die USA sind endgültig vorbei für uns, also weder Repressionen noch Anbiederungen, europäisches Kriegsmaterial anschaffen und weg vom F-35. Sonst verschwenden wir unnötig Geld, Energie und Zeit. Die Annäherung an die EU scheint mir auch nicht klug, diese wird uns nur ins Verderben ziehen. Es hat keinen Sinn von einer Abhängigkeit in die andere zu hüpfen. Rückgrat und Selbständigkeit sind gefragt. Das gibt Sicherheit!

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