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Gut versteckt im Hintergrund: Der Postschalter im «MattePostBrocki» in Bern wirkt wie eine Kinderpost. © Post

Dorfläden werfen die Post raus

Marco Diener /  Viele Läden wollen nicht mehr als Postagentur fungieren – weil die Post zu wenig zahlt und weil der Aufwand zu gross ist.

Die Bewohner und Bewohnerinnen von Glion VD, einem Dorf oberhalb von Montreux, müssen flexibel sein:

  • Bis Ende Juli 2010 hatten sie die Post im Dorf.
  • Während neun Jahren gab es wenigstens eine Postagentur beim Bahnhof – bis auch diese schloss.
  • Im September 2019 richtete die Post einen Hausservice ein. Doch die Post-Verantwortlichen überlegten es sich bald schon wieder anders.
  • Nach weniger als einem Jahr eröffnete die Post in einer Ecke des Dorfladens wieder eine Postagentur.
  • Aber nicht für lange. Den Dorfladen gibt es nicht mehr. Seit Anfang März hat die Post deshalb erneut einen Hausservice aufgezogen.
  • Affaire à suivre, sagt man in der Romandie dazu.

Die Post hat ganz offensichtlich Schwierigkeiten mit ihren Postagenturen. 2021 kündigten 51 Geschäfte ihren Postagentur-Vertrag. Letztes Jahr waren es sogar 73. Die Betreiber nennen drei Hauptgründe: Die Post zahle zu wenig. Der Aufwand sei zu gross. Und der Platz für die vielen Retourpakete fehle.

Die Post hängt die Probleme nicht an die grosse Glocke. Zwar schuf sie Ende 2016 auf ihrer Website ein Gefäss mit dem Namen «Veränderungen im Postnetz». Anfänglich meldete die Post jede kleine Änderung am Netz – rund 30 Mal pro Monat.

«Die Post erstrahlt in neuem Glanz»

Doch inzwischen ist die Anfangseuphorie der Medienstelle erlahmt. Noch drei Mal pro Monat vermeldet die Post Neuigkeiten. Häufig dann, wenn sie erfreulich sind: «Pratteln/BL: Die neue Post: schöner, grösser, heller.» «Bern/BE: Die Post im Postparc wird zur Vorzeigefiliale.» Oder: «Stäfa/ZH: Die Post erstrahlt in neuem Glanz.»

Dass im September der Spar und damit auch die Postagentur in Stettlen BE von einem Tag auf den anderen schloss — davon steht in den «Veränderungen im Postnetz» kein Wort. Dass im September die Postagentur im Dorfladen in Wimmis BE zu ging– davon ist auf der Post-Website ebenfalls nichts zu lesen. Und dass die Buchhandlung Sinwel in Bern die Post rauswarf — auch darüber berichtete die Post nicht. Ebenso wenig wie über die bevorstehenden Schliessungen der Postagenturen in der Migros in Würzenbach LU und in «Emmas Bäckerei» in Reussbühl LU.

Daniel Stehelin von der Buchhandlung Sinwel in Bern erklärte der Berner Zeitung, zu Beginn sei die Abgeltung der Post noch akzeptabel gewesen. Doch dann habe die Post den Vertrag geändert, und die Buchhandlung habe nicht mehr genug erhalten. Über Kürzungen klagen auch andere Ladeninhaber. Beat Kohler, Geschäftsführer von «Emmas Bäckerei», sagte gegenüber «Zentralplus»: «Für uns hat sich die Zusammenarbeit nicht mehr gerechnet.» Die Post entgegnet, die Posttheken seien kleiner und einfacher zu bedienen als früher. Daher die niedrigere Abgeltung.

Wie eine Kinderpost

Wie klein die Posttheken inzwischen sind, zeigt das Beispiel des «MattePostBrocki» in Bern besonders gut (siehe Bild oben). Inmitten der ganzen Gebrauchtware, die das Brockenhaus anbietet, nimmt sich die Posttheke wie eine Kinderpost aus. Trotzdem spricht die Post grossspurig von «Filialen mit Partner». Dabei sind es keine Postfilialen, sondern eher «Läden mit Postnische».

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Keine
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2 Meinungen

  • am 15.11.2023 um 11:56 Uhr
    Permalink

    Das Problem alleine ist ja nicht nur die Vergütung, sondern dass auch der Aufwand deutlich gestiegen ist.
    Früher durften die Kunden die Pakete selbst auf der Waage frankieren, Heute muss dies der Angestellte der Filliale mit Partner selbst erledigen.
    bis vor 3 Jahren gab es mindestens 7% mehr Entschädigung als Heute

  • am 15.11.2023 um 18:52 Uhr
    Permalink

    Die Post und Swisscom folgen der Logik des neoliberalen Umbruchs 1990. Durch eine Pseudo-Privatisierung werden seither Pseudo-Gewinne erzielt, die zwar dem Bund zugute kommen, aber die durch das Abschaffen der einst vom Service-Public erbrachten Leistungen verursachten Kollateral-Schäden (sprich geschlossene Filialen) bezahlt dann der Steuerzahler respektive der frühere Kunde. Es ist immer dasselbe, keiner schaut hin, jeder glaubt, von diesem gigantischen Bschiss irgendwie zu profitieren. Die SBB sind in derselben Spur. Wie auch das gesamte, zutiefst kranke Gesundheitswesen oder etwa der Energiebereich. Als nächstes folgt die Bildung. Bonne soirée, camarade Levrat.

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