SBB Online Fahrplan 1996

Sieht inzwischen moderner aus, überzeugt aber immer noch nicht restlos: Der Online-Fahrplan der SBB. © SBB

Der SBB-Fahrplan ist noch immer eine Baustelle

Marco Diener /  Seit 30 Jahren gibt es den elektronischen Fahrplan der SBB. Aber noch immer ist er voller Lücken.

Von Bern aus führen nicht alle Wege nach Lugano, aber mehrere. Der Fahrplan auf www.sbb.ch gibt deren drei an:

1. Über Luzern: Die Fahrt dauert 2:58 Stunden. Ein einfaches Billett kostet 44 Franken.

2. Über Zürich: Die Fahrt ist zwei Minuten kürzer. Das Billett kostet 50 Franken. Es ist das teuerste.

3. Über Olten und Luzern: Die Fahrt dauert eine halbe Stunde länger. Es ist die längste. Das Billett kostet – wie über Luzern – 44 Franken.

Ohne langes Rechnen wird klar: Die erste Variante ist ausgezeichnet – für Leute mit wenig Zeit ebenso wie für Leute mit wenig Geld. Der Zug fährt jede Stunde. Aber im SBB-Fahrplan taucht er nur zu den ungeraden Stunden auf. Zu den geraden Stunden erscheint er nur, wenn der Kunde unter «Erweiterte Suche» als «Via» noch Luzern eingibt.

Wegen zweier Minuten

Warum der Zug zu den geraden Stunden fehlt, können die SBB nicht erklären. Sie schreiben auf Anfrage von Infosperber nur ganz allgemein: «Der Online-Fahrplan hat einen Algorithmus, der in der Regel immer die schnellste und komfortabelste Verbindung anbietet. Der Online-Fahrplan berücksichtigt die Preise nicht.»

Zwischen Bern und Lugano wähle der Algorithmus den Weg über Zürich, «weil die Verbindung zwei Minuten kürzer ist». Warum die Verbindung über Luzern in den ungeraden Stunden erscheint, in den geraden Stunden aber fehlt, bleibt damit unklar.

63 Prozent teurer

Anderes Beispiel: Von Bern nach Saint-Maurice VS gibt es eigentlich zwei Strecken. Die eine führt über Visp VS, die andere über Lausanne VD. Die Fahrt ist auf beiden Strecken gleich lang. Zur vollen Stunde dauert sie rund 2:15 Stunden, zur halben Stunde knapp 2:00 Stunden. Der entscheidende Unterschied: Das Billett über Lausanne kostet 24 Franken, dasjenige über Visp bis zu 39 Franken. Das sind 63 Prozent mehr. Die Fahrt über Visp ergibt keinen Sinn. Und trotzdem gibt sie der Fahrplan unaufgefordert an. Die SBB schreiben dazu: «Der Preis spielt für den Algorithmus keine Rolle.»

Weiteres Beispiel: Für die Strecke Bern – Laufen BL liefert der SBB-Fahrplan pro Stunde vier bis fünf Verbindungen. Die Mehrheit der Verbindungen führt nicht über Biel BE, sondern über Basel, obwohl die Fahrt länger dauert und das Billett über 30 Prozent mehr kostet.

Die günstigste Verbindung – diejenige über Solothurn und Moutier BE – unterschlägt der Fahrplan konsequent. Er liefert sie erst, wenn der Kunde unter «Erweiterte Suche» als «Via» sowohl Solothurn als auch Moutier eintippt.

Im Internet seit 1996

Seit rund 30 Jahren geben die SBB den elektronischen Fahrplan nun schon heraus. Anfangs erschien er auf Diskette, seit 1996 auf www.sbb.ch. Dennoch leidet er noch immer unter Kinderkrankheiten.

Kunden, die schnelle oder günstige Verbindungen bevorzugen, brauchen etwelches Vorwissen. Und sie müssen auch die Funktion «Erweiterte Suche» im Fahrplan kennen.

Dabei ginge es auch anders. In Japan gibt es seit 15 Jahren den Jorudan. Das ist ein Internet-Fahrplan, der für jede Verbindung auf einen Blick die Attribute «Cheap», «Easy» oder «Fast» angibt. Manchmal auch zwei davon. So kann der Kunde eine Verbindung auswählen, die günstig ist, nur wenig Umsteigen erfordert oder schnell ist.

Dazu sagen die SBB: «Die Fahrplansortierung nach Reisedauer, Bequemlichkeit (Belegung oder Anzahl Umstiege), Preise, barrierefreies Reisen et cetera ist ein Thema. Aktuell können wir keine Angaben zu einer möglichen zeitlichen Umsetzung machen.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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7 Meinungen

  • am 11.07.2023 um 11:23 Uhr
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    Das ganze hat doch System! So kann man den Leuten am meisten Geld aus der Tasche ziehen und gleichzeitig wie das Beispiel Moutier zeigt auch noch unliebsame Strecken wegen schlechter Rentabilität evtl. still legen. Beim Autofahren schalte ich auch konsequent kein Navigationsgerät ein. Ich will mir doch von den Behörden nicht vorschreiben lassen welche Strecke ich benützen soll. Wer Karten lesen kann ist hier natürlich im Vorteil. 😉

    • am 12.07.2023 um 16:54 Uhr
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      Ich denke auch, dass die Kundschaft systematisch schlecht informiert wird, um höhere Preise zu ergattern. Das zeigt sich auch beim kürzlich erschienen Beitrag, wo die weitere Strecke günstiger ist als die kürzere. Oder dass man den Rabatt verliert, sobald man ein City-Ticket dazu wählt. Die Rückerstattung bei irrtümlich gelösten Tickets könnte unkompliziert und weitgehend automatisiert geschehen, bringt aber den SBB einfach so CHF 10.- fürs Nichtstun. Und dann wäre da noch EasyRide, das das Vertrauen in die Verkehrsbetriebe noch mehr strapaziert. Egal ob ein Betrieb heute staatlich, halbstaatlich oder privat ist, einziges Ziel ist nur noch die Kunden über den Tisch zu ziehen.

  • am 11.07.2023 um 11:35 Uhr
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    So funktioniert ein Staatsbetrieb mit dem besten Geldgeber der Schweiz im Rücken!

  • am 11.07.2023 um 15:34 Uhr
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    Das Tarif-Chaos ist offensichtlich gewollt, hat Tradition und wurde bis jetzt auch nicht besser.
    Es gibt dank den verschiedensten Abonnementen eine speziell gehätschelte Kundschaft. Wer einmal ein Normal-Billet kauft, der fühlt sich ins Raubrittertum zurück versetzt.
    Man träumt von früher als das Halbtax noch 360.– kostete, und es noch an allen Stationen offene Schalter gab. Man gab seinen Zielort an und es wurde das richtige, kleine, feste Karton-Billet aus dem Regal genommen und abgestempelt.
    Den Fahrplan zu interpretieren war Hirnleistung, man bekam aber Unterstützung.
    Die Schalter und Stationen sind verweist, Personal gibt es wahrscheinlich nicht weniger, aber dieses macht unproduktive Rechnereien für vielfältigste Tarifvarianten, um den ÖV noch attraktiver zu machen.
    Derweil verkümmert die Infrastruktur, ein Beilspiel von vielen erläutert Dr. Marco Caimi auf seine Art https://rumble.com/v2yx1tr-erstaunlich-kaputte-infrastruktur-auch-in-der-schweiz.html?mref=hfgoz&mrefc=2

  • am 11.07.2023 um 15:52 Uhr
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    «Warum der Zug zu den geraden Stunden fehlt, können die SBB nicht erklären.»
    Der Unterschied zwischen geraden und ungeraden Stunden:
    Bei ungeraden Stunden ist 1 Umsteigen dabei (Luzern, Zeit 17 Min.), zu ungeraden Stunden muss 2x umgestiegen werden (Luzern, Zeit 17 Min und Arth-Goldau, Zeit 4 Min, könnte knapp werden da IC vor IR priorisiert werden und selten Anschlüsse abwarten).
    Der Algorithmus ist wahrscheinlich etwas komplexer als erwartet.

    • am 12.07.2023 um 10:30 Uhr
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      Wenn der Algorithmus so komplex ist, dass ihn die eigenen Leute nicht mehr nachvollziehen können, dann haben die SBB sowieso etwas falsch gemacht.
      Manchmal erhält man auch ziemlich abwegige Verbindungen präsentiert. Nur wegen 1x mehr Umsteigen sollte eine Verbindung nicht unterschlagen werden. Und wenn der Zug in Arth-Goldau so häufig verspätet ist, dass der Anschluss meistens nicht klappt, dann müssten die SBB dieses Problem auch angehen.

  • am 13.07.2023 um 11:30 Uhr
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    Ich wünsche mir das alte Kursbuch zurück !!!
    Da konnte man alle Wagen- bzw. Zugsläufe auf einen Blick erkennen. Das half sehr viel bei der Reiseplanung.
    Wenn ich heute eine Reise vorbereite, muss ich am PC sehr viele Zusatzauskünfte recherchieren. Das ist oft mühsam.
    Durch diese Erschwerungen ist mir die Lust aufs Reisen – trotz des sensationellen Zugs-Angebotes – ziemlich vergangen. Also bleibe ich sehr oft lieber daheim.
    Hinzu kommt, dass die Turnschuh-Umstiege für alte Leute einen riesigen Stress bedeuten. Wer z.B. aus Richtung Chur in Heerbrugg in einem der hinteren Wagen ankommt – ev. noch mit Gepäck -, erreicht das Postauto nach Heiden kaum. Wer diese Situation nicht kennt, wartet dann einfach eine Stunde in einer unwirtlichen Umgebung.
    Viele ähnliche Situationen tragen zu einer Verminderung des Reisekomforts bei.

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