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Bis zu 250 Tonnen Fisch fängt ein europäischer Supertrawler in Westafrika pro Tag. © Pierre Gleizes/Greenpeace

Fischerei: Welche Nationen besonders oft «schwarz schippern»

Daniela Gschweng /  Schiffe schalten häufig ihr Ortungssystem aus, um illegale Fischerei zu verschleiern. Vier Nationen tun das besonders oft.

Das Problem hat System: Trotz Umwelt-Labels, Fangquoten und Schutzgebieten wird immer noch zu viel «schwarz» gefischt. Jeder fünfte Fisch wird illegal oder ungemeldet gefangen, in «Problemzonen» wie vor der westafrikanischen Küste ist es jeder dritte. Illegale Fischerei bedroht die Nahrungssicherheit vieler Menschen und kostet die Weltwirtschaft jedes Jahr zwischen 10 und 25 Milliarden Dollar.

Mit Hilfe moderner Technik wäre es ein Leichtes, Verstösse festzustellen und zu ahnden. Jeder grössere Fischkutter hat ein Ortungssystem, das AIS (Automatic Identification System). Das UKW-basierte System ermöglicht es, jederzeit festzustellen, wo sich ein Schiff befindet. Seine Position ist öffentlich sichtbar, beispielsweise auf der Seite «vesseltracker.com». Theoretisch.

Wer im Dunkeln schippert, hat oft Illegales vor

Praktisch können Schiffe den Peilsender ausschalten. Dafür gibt es einige legale und nachvollziehbare Gründe, zum Beispiel, weil sie von Piraten nicht gesehen werden wollen oder Wettbewerbern nicht verraten möchten, wo die guten Fischgründe liegen.

Oft steht hinter dem plötzlichen Verschwinden aber die Verschleierung illegaler Aktivitäten: Das Schiff will in Gewässern fischen, für die es keine Erlaubnis hat, oder eine verbotene Ladung an ein Kühlschiff weitergeben. Nicht gemeldete und unregulierte Fischereiaktivitäten, kurz IUU (illegal, unreported, unregulated fishery), werden auch mit Zwangsarbeit und Menschenhandel in Verbindung gebracht.

Das Schweigen der Sender

Forschende aus den USA haben sich auf die Suche danach gemacht, wann und wo AIS-Transponder schweigen. Gebiete, in denen illegaler Fischfang vermutet wird, wurden prominent sichtbar. Die meisten Abschaltungen gab es im nordwestlichen Pazifik vor China und Japan, an der Küste Argentiniens und Westafrikas sowie zu einem kleineren Teil bei Alaska. Vier Länder stachen dabei besonders hervor.

In seiner am 2. November in «Science Advances» publizierten Arbeit wertete das Team den AIS-Datensatz von Global Fishing Watch für die Jahre 2017 bis 2019 aus. Unter den mehr als 3,7 Milliarden AIS-Meldungen identifizierten sie mehr als 55’000 vermutlich absichtliche Abschaltungen, die mehr als 50 Seemeilen von der Küste entfernt waren.

Bild1AIS Abschaltungen 2017 b 2019 Karte
Vor den Küsten von China und Japan, vor Westafrika, in Alaska und vor Argentinien schalteten Schiffe 2017 bis 2019 die AIS-Transponder besonders häufig ab.

In diesen Gewässern tauchten mehr als zwei Fünftel der Schiffe zeitweise unter. Auf einen ähnlichen Anteil (37 Prozent) kam auch ein wissenschaftliches Projekt, das vor zwei Jahren mit Hilfe von Albatrossen Schiffe in internationalen Gewässern verfolgte (Infosperber berichtete).

Mehr als 4,9 Millionen Stunden oder sechs Prozent der Schifffahrtsaktivität wurden so nicht per AIS verfolgt. Davon entfielen 83 Prozent auf Schiffe unter der Flagge von vier Nationen: den grössten Anteil hatte Spanien, gefolgt von den USA, Taiwan und China. Am häufigsten schalteten Thunfischfangschiffe ihre Transponder ab.

Es kann Gründe geben, die Ortung auszuschalten

In Gegenden, in denen Kapitäne Piraten befürchteten, wie vor Westafrika, gab es tatsächlich mehr AIS-Abschaltungen, konnten die Forschenden sehen. Der Effekt nahm mit zunehmendem Abstand zu potenziell gefährlichen Gebieten ab und war insgesamt marginal.

Auch Deaktivierungen vor Alaska könnten legale Gründe haben. In den reichen Fischgründen schalteten vor allem US-Trawler ihr AIS aus – vermutlich, um die Konkurrenz nicht anzulocken. Diese Schiffe verfügen über ein System namens VMS, mit dem sie von den USA gemonitort werden. VMS-Nachrichten sind für andere Nationen nicht sichtbar; VMS darf nicht abgeschaltet werden. 

Anhand der Daten konnten die Forschenden sogar eine «unsichtbare» Umladeaktion verfolgen. Dabei schaltete ein Schiff zwar sein Signal aus, das mit einem Sender versehene Netz sendete während des Treffens mit einem Kühlschiff jedoch weiter.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Das reichhaltige und wundervolle Leben im Meer wird dezimiert. Industriell und rücksichtslos bis zum Ende.

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2 Meinungen

  • am 13.11.2022 um 07:07 Uhr
    Permalink

    Wer sich nicht zu erkennen gibt, hat etwas zu verbergen. Das kennen wir von Flugzeugentführungen, aus kriegerischen Handlungen aber auch aus der Wirtschaft. Wo immer Menschen sich in die Anonymität flüchten, läuft etwas faul. Wer korrekt und fair handelt, braucht sich nicht zu verstecken. Aber wo, bitte schön, funktioniert das noch? Die Macht- und Geldgier gewisser Menschen hat sich in ein System verrannt, wo Ehrlichkeit, Loyalität und Menschlichkeit keinen Stellenwert mehr haben. Da helfen auch keine frommen Bibelsprüche von den über 1000 Religionen und Sekten in unserer Welt, denen man eine ähnliche Macht- und Geldgier zuschreiben kann. Der Mensch ist eine Fehlentwicklung der Evolution. Schuld daran ist unser Kleinhirn, das sich zu einem selbst reflektierenden Organ entwickelt hat. Das Kleinhirn hat uns auf der einen Seite wunderbare Lebenshilfen entwickeln lassen, aber auf der anderen Seite auch viele lebens- und zukunftsbedrohliche Szenarien. Ich bleibe trotzdem ein Optimist.

  • am 13.11.2022 um 22:09 Uhr
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    Ich finde die Überfischung eines der schlimmsten Verbrechen der Menschheit, ein Thema über das erstaunlich selten geschrieben wird. Man redet oft von Fleisch aber nicht von Fisch. Das Verhalten beim Fischen ist dasselbe wie bei der Klimaerwärmung. Es ist doch genau dasselbe. Man fischt jetzt seit Jahrzehnten und geht wahrscheinlich davon aus, dass das einfach so noch Hunderte von Jahren gleich bleibt trotz dem Bevölkerungswachstum und Klimaerwärmung. Als ob die Ozeane eine unermessliche Fülle an Fischen bieten würden. Wie naiv das doch ist. Man stelle sich mal vor, das Ozean-Ökosystem kollabiert. Hunderte von Millionen von Menschen würden über Nacht die Nahrungsgrundlage verlieren. Es wäre der Untergang von ganzen Nationen.
    Im Film Matrix gibt es eine Schlüsselszene, in der die Agenten über die menschliche Rasse spotten. Sie vergleichen die unkontrollierte Vermehrung der Menschen mit Viren. Es müsste eigentlich auch hier globale Abkommen geben wie bei der Klimaerwärmung…

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