Palmölplantage Malaysia

Palmöl wird in riesigen Flächen und in Monokultur angebaut. Dafür muss nicht nur Regenwald weichen, auch Indigene werden vertrieben. © Nazarizal Mohammad / Unsplash

Streit um Palmöl: Vertrag mit Indonesien betritt Neuland

Monique Ryser /  Erst die Umsetzung kann zeigen, was die Palmöl-Vereinbarung mit Indonesien taugt, meint Handels-Expertin Elisabeth Bürgi Bonanomi.

Am 7. März wird über das Freihandelsabkommen mit Indonesien abgestimmt. Die «Palmöl-Allianz» hat das Referendum gegen das Abkommen ergriffen, das den Import von Palmöl erleichtert. Palmöl ist umstritten, weil es auf riesigen Flächen in Monokultur angebaut und dafür Regenwald abgeholzt wird. Die Rodungen zerstören nicht nur wertvollen Regenwald, sondern auch den Lebensraum von indigenen Völkern. Das Palmölbusiness ist ein Milliardengeschäft und indigene Gemeinschaften und traditionelle Kleinbauern können oft nur noch den Multis zudienen. Das von der EFTA ausgehandelte Abkommen sieht nun vor, dass nur dann Palmöl-Importe von Zollerleichterungen profitieren sollen, wenn Prinzipien der Nachhaltigkeit eingehalten werden. Die Rechtswissenschafterin Elisabeth Bürgi Bonanomi hat sich intensiv mit dem Abkommen beschäftigt. Sie ist Spezialistin für internationales Handelsrecht und Nachhaltigkeit und lehrt am Zentrum für Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern. Sie erklärt die Vor- und Nachteile des Abkommens.

Infosperber: Wieso die grosse Kritik an diesem Abkommen?

Elisabeth Bürgi Bonanomi
Elisabeth Bürgi Bonanomi

Elisabeth Bürgi Bonanomi: Handelsabkommen haben zum Ziel, Zölle und andere Handelshemmnisse zwischen Staaten abzubauen, um die Marktintegration zu fördern. Gemäss dem Abkommen, das die Schweiz und die übrigen EFTA-Staaten mit Indonesien abgeschlossen haben, soll nun Palmöl zu reduzierten Zöllen importiert werden können. Die Importquoten sind aber begrenzt, und nur Palmöl, das nach ökologischen und sozialen Kriterien produziert worden ist, kann von tieferen Zöllen profitieren. Umstritten ist, ob diese Regelung viel Wirkung zeigen wird.

Es geht im Abkommen um maximal 12’500 Tonnen, die von einer Zollreduktion von 20 bis 40 Prozent profitieren sollen. Das ist rund ein Drittel der Palmölimporte in die Schweiz, die in den letzten Jahren durchschnittlich rund 32‘000 Tonnen betrugen. Der grösste Teil dieser Importe kommt heute nicht aus Indonesien, sondern aus Malaysia. Welche Bedeutung hat dieses Abkommen vor diesem Hintergrund?

EBB: Die Bedeutung für Indonesien ist nicht zu unterschätzen, erhalten die dortigen Produzenten doch besseren Marktzugang auch in die übrigen EFTA-Länder Norwegen, Island und Liechtenstein. Aus Nachhaltigkeitssicht interessant ist das Abkommen, weil die Schweiz erstmals in einem Handelsvertrag Zollreduktionen direkt an Nachhaltigkeitsbedingungen knüpft. Das ist ein innovativer und lange geforderter Ansatz: Nachhaltige Prozesse werden gefördert, indem sie  mit Marktanreizen verknüpft werden. Gleichzeitig wird der Absatz für nicht nachhaltig hergestellte Produkte nicht erleichtert. Dies nennt man auch «Produktedifferenzierung». 

Die Bauern haben das Referendum ebenfalls unterstützt, sie befürchteten, dass ihre Ölsaaten – also vor allem der Rapsanbau – unter Druck kommt.

EBB: Der Bundesrat geht davon aus, dass die Gesamtimporte nicht zunehmen werden, sondern dass Indonesien auf Kosten von Malaysia Marktanteile gewinnen wird. Das wird zu beobachten sein. Es wäre gut, wenn der Bundesrat eine ex post Analyse – also aus nachträglicher Sicht – vorlegen würde, was er bis heute nur selten macht.

Zurück zum Ansatz, dass Palmöl je nachdem, wie es hergestellt worden ist, verschieden behandelt wird. Gibt es auch sonst solche Produktedifferenzierungen im Handel?

EBB: Lange wurde dieser Ansatz von den Handelspartnern als nicht-WTO-konform abgelehnt. Heute sieht man das differenzierter und anerkennt, dass das WTO-Recht hier Spielraum belässt. So verknüpft die EU den Import von Rohstoffen zunehmend mit Bedingungen an die Herstellung, beispielsweise bei Holz, Fisch oder Biodiesel. Bilaterale Abkommen sind noch bessere «Übungsfelder», weil alle Partnerländer zum Ansatz ja sagen und einander versprechen, ihn gemeinsam umzusetzen. Zur Förderung von Nachhaltigkeit in internationalen Lieferketten hat das grosses Potenzial.  

In der Verordnung, die der Bundesrat im Dezember in die Vernehmlassung geschickt hat, wird präzisiert, wer unter welchen Bedingungen von Zollpräferenzen profitieren kann. Reicht das als Sicherheit?

EBB: Die Idee steht und fällt mit der Umsetzung. Die Verordnung geht nicht sehr weit. Sie baut vor allem auf bestehenden Zertifikaten auf und möchte sicherstellen, dass diese von guter Qualität sind und wirklich das zertifizieren, was sie auch versprechen. 

Bereits bestehende internationale Zertifzierungsstellen (Roundtable on Sustainable Palmoil, International Sustainability and Carbon Certification) sollen die Rechtmässigkeit beurteilen.

EBB: Die Qualität der Zertifikate zu verbessern ist sicher wichtig. Damit ist allerdings noch keine «Nachhaltigkeit» erreicht, wie es das Abkommen vorsieht. Das Abkommen verlangt, dass für das Palmöl, das wir beziehen, keine Brandrodungen durchgeführt und Torfmoore geschützt werden, die Wasser- und Luftverschmutzung verringert wird, der Einbezug der Kleinbauern gewährleistet ist und indigene Völker geschützt sind. ExpertInnen, die Indonesien gut kennen, betonen, dass es solche nachhaltigen Anbausysteme noch gar nicht gibt, sie vielmehr zusammen mit Indonesien aufgebaut werden müssen. Im Rahmen der Entwicklungsfinanzierung und zusammen mit Indonesien sowie den betroffenen Leuten können die EFTA-Länder solche Umstellungsprozesse anstossen und begleiten. Solche Mittel wurden im Abkommen zwar in Aussicht gestellt, bislang aber noch nicht beziffert.

Ist es nicht eine Art koloniale Einmischung, wenn die EFTA-Staaten Indonesien vorschreiben wollen, wie sie zu produzieren haben?

EBB: Da die Bestimmung in einem bilateralen Abkommen enthalten ist, haben alle Partnerländer – auch Indonesien – dieser zugestimmt. Somit ist es keine Einbahnstrasse. Ausserdem unterstützen alle beteiligten Staaten die Nachhaltigkeitsziele der UNO und haben sich auf entsprechende internationale Abkommen verpflichtet. Das Ziel ist es demnach, sich gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit einzusetzen. Interessant wäre, wenn auch die Gegenseite Bedingungen stellen würde. Indonesien hätte beispielsweise vorsehen können, dass die Zölle für Käse und Jogurt aus der Schweiz oder den anderen EFTA-Staaten nur dann gesenkt werden, wenn in der Produktion die natürlichen Kreisläufe berücksichtig worden sind.

Ist die Nachhaltigkeitsbestimmung im Abkommen mit Indonesien auch Vorbild für das Abkommen mit den Mercosur-Staaten und weiteren geplanten Abkommen wie beispielsweise dem Palmölproduzenten Malaysia? 

EBB: Der Ansatz ist vielversprechend und sollte bei anderen Handelsabkommen weiterentwickelt werden. Er ergänzt das Nachhaltigkeitskapitel, das bereits länger in Handelsabkommen enthalten ist, wirkungsvoll. Das Mercosurabkommen enthält jedoch – soweit bekannt – keine solchen Produktedifferenzierungen, obschon dies bei Soja oder Fleisch angebracht gewesen wäre. Was beispielsweise die Sojaimporte aus Brasilien anbelangt, so zeigt eine neue Studie des Bundesamtes für Umwelt, dass dank einer Branchenvereinbarung Soja in die Schweiz gelangt, das GVO-frei ist und nicht auf Abholzung beruht. Die Studie zeigt allerdings auch, dass nicht alle Umweltprobleme gelöst sind, dass zum Beispiel der Pestizideinsatz weiterhin hoch ist. Eine nachhaltigere Sojaproduktion lohne sich für die Produzierenden aber nicht, da die Preisunterschiede zu konventionellem Soja zu gering seien. Könnte nun nachhaltiger angebautes Soja zu besseren Konditionen in die Schweiz importiert werden, würde ein wichtiger Marktanreiz gesetzt. Im vorliegenden Fall wäre es für die EFTA-Staaten nicht einfach gewesen, eine solche Differenzierung auszuhandeln, da Soja bereits heute zollfrei importiert werden kann. Die Zölle für nicht-nachhaltiges Soja hätten deshalb angehoben werden müssen. Dies hätten die Mercosur-Staaten wohl nur akzeptiert, wenn sie weitere wichtige Zugeständnisse erhalten hätten.

Das Efta-Abkommen mit Indonesien

Die Efta-Länder Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein haben mit Indonesien ein Wirschaftsabkommen (Comprehensive Economic Partnership Agreement, CEPA) ausgehandelt. Die Zollkonzessionen sind so ausgestaltet, dass alle wichtigen Schweizer Exportbranchen vom Abkommen profitieren können – sowohl die Industrie als auch die Hersteller landwirtschaftlicher Erzeugnisse. 98 Prozent der Schweizer Warenexporte können vom Abbau der Zölle profitieren. Im Gegenzug wird die Schweiz Indonesien zollfreien Zugang für industrielle Produkte gewähren. Zudem enthält es Bestimmungen zum Güter- und Dienstleistungshandel, den Investitionen und dem geistigen Eigentum. Für das umstrittene Palmöl senkt das Abkommen die Zölle um rund 20 bis 40 Prozent für eine beschränkte Menge und koppelt die Zollsenkung an Umweltauflagen. Nachdem das Parlament dem Abkommen zugestimmt hat, haben Umwelt-, Menschenrechts- und Bauernorganisationen das Referendum ergriffen. Einige prominente Nicht-Regierungsorganisationen gehören allerdings nicht zu den  Organisationen hinter dem Palmöl-Referendum, beispielsweise der WWF und die grossen Hilfswerke.


Themenbezogene Interessen (-bindung) der Autorin/des Autors

Dr.iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi ist Rechtswissenschafterin. Sie forscht und lehrt Recht & Nachhaltige Entwicklung am Zentrum für Entwicklung und Umwelt (CDE) der Universität Bern. Sie leitet das SNF-Projekt «Diversifizierte Ernährungssysteme dank nachhaltiger Handelsbeziehungen»

 

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4 Meinungen

  • Pingback: Der 13. Januar 2021 – die Tagesübersicht | facts24.ch - Nachrichten & Schlagzeilen,

  • am 15.01.2021 um 02:12 Uhr
    Permalink

    Ich musste den Artikel mehrmals lesen, um herauszufinden, was Frau Bürgi Bonanomi sagen
    will. Ein differenzierter Artikel, weitsichtig und mit guten Absichten , Handelsbeziehungen
    zwischen Ländern nachhaltig zu gestalten.
    Aber die Nachhaltigkeitsklausel, die ein interessanter Punkt ist, illustriert das Dilemma, in dem wir stecken. So etwas ist Neuland, und man müsse testen, ob es funktioniert, also das Freihandelsabkommen mit Indonesien (FHA) gutheissen.
    Wenn man bedenkt, dass diese Nachaltigkeitsklausel erst ins Spiel gekommen ist, als das FHA
    zu scheitern drohte wegen der Pattsituation Ende 2018 zwischen Nationalrat und Ständerat, und
    dass die Haupinteressierte am Erfolg des FHA die Schweizer Exportindustrie ist, so schmeckt diese
    Nachhaltigkeit nach Alibiübung.
    Unterdessen hat das indonesische Parlament das «Omnibus»-Gesetzespaket angenommen. Diese
    Gesetze öffnen den ausländischen Investoren Tür und Tor, was für die Umwelt, das Klima, die
    Biodiversität, die Lebensbedingungen von Klein-Bäuerinnen und -Bauern, Landarbeiter*innen
    und Indigene eine dramatische Verschlechterung bedeutet. Massive Proteste folgten.
    Eine schlechte Voraussetzung, um das Experiment mit N-Klauseln zu starten, vor allem wenn im Abkommen wichtige Elemente der Überwachung fehlen, wie Gerichte und Sanktionsmöglichkeiten. Auch betrifft diese N-Klausel nur Palmöl, Holz und Kautschuk nicht.
    Deshalb ist es besser, diese Übung abzubrechen, am 7.3.21 NEIN zu stimmen, und dann der Ansatz
    verbessern.

  • Pingback: Interesting article by my colleague Elisabeth Bürgi Bonanomi on the FTA EFTA-Indonesia and the tariff quota for sustainable palm oil | Andreas R. Ziegler,

  • Pingback: Es geht um mehr als nur ein Palmöl-Abkommen - infosperber,

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