SABA_1_Ansicht-Anlage-Niederwangen-BE

Strassenabwasser-Behandlungsanlage an der A12 in Niederwangen BE: Gegenwärtig sind 179 solche Anlagen in Betrieb, 4 im Bau und 51 geplant. © Astra

Über eine Milliarde für dreckiges Strassenabwasser

Marco Diener /  180 Strassenabwasser-Behandlungsanlagen stehen in der Schweiz. Sie sind nötig, weil von den Strassen dreckiges Wasser abfliesst.

Das Gewässerschutzgesetz ist klar formuliert: «Verschmutztes Abwasser muss behandelt werden.» Und Strassenabwasser kann sehr stark verschmutzt sein. Denn darin sammelt sich neben Kies, Sand und Abfall auch Pneu- und Belagsabrieb, wie Infosperber kürzlich ausgeführt hat (Woher am meisten Mikroplastik stammt? Von den Autos! und Das Feinstaubproblem bleibt ungelöst). Deshalb muss der Bund landauf, landab so genannte Strassenabwasser-Behandlungsanlagen (Saba) bauen.

Bald 230 Sabas

2006 wurde die erste Saba bei Birmensdorf ZH in Betrieb genommen. Inzwischen gibt es deren 179. 4 weitere sind im Bau. 51 geplant. Weitere werden dazukommen. Denn im Rahmen der Strassen-Unterhaltsprojekte prüft der Bund jeweils auch, ob es mehr Lärmschutz braucht, Wildtierbrücken oder eben Sabas.

Grosse Speicher

Saba unterscheiden sich stark von herkömmlichen Abwasserreinigungsanlagen. Weil Strassenabwasser im Gegensatz zu Haushaltsabwasser sehr unregelmässig anfällt, braucht es einen grossen Speicher. Und weil Schwermetalle enthalten sind, braucht es andere Filtersysteme. Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Sabas: natürliche und technische.

Beide sind mit einem Grobabscheider versehen. Sinkstoffe wie Sand und Kies lagern sich am Boden ab. Schwimmstoffe wie Pet-Flaschen oder Zigarettenfilter werden abgeschöpft. Danach unterscheiden sich die beiden Systeme:

  • Natürliche Sabas: Diese bestehen nach dem Grobabscheider aus zwei Becken. Im ersten Becken liegt Splitt. Daran blieben drei Viertel der Partikel hängen. Alle drei bis fünf Jahre muss die oberste Splittschicht entsorgt werden. Im zweiten Becken sorgen Humus sowie Gras- und Schilfwurzeln für eine weitere Reinigung. Danach versickert das Wasser oder fliesst ins nächste Gewässer.
saba_mit_bodenfilter
Natürliche Saba.
  • Technische Sabas: Wenn der Platz knapp ist, kommen technische Sabas zum Zug. Zum einen besteht eine technische Saba nach dem Grobabscheider aus einem Speicher- und Absetzbecken mit schrägem Boden. Die Partikel werden an der tiefsten Stelle als Schlamm abgesogen. Zum anderen besteht sie aus einer Filtereinheit, die das Wasser weiter reinigt.
technische_saba
Technische Saba.

80 Prozent des Drecks

Doch auch die grossen Speicher reichen nicht für alle Eventualitäten. Das Astra geht davon aus, dass Strassenabwasser wegen starken Regens drei bis fünf Mal pro Jahr durch ein Überlaufsystem ungereinigt in Gewässer gelangt. Ziel des Astra ist es, dass die Sabas mindestens 80 Prozent des Strassendrecks zurückhalten.

Nötig wären gegen 600 Sabas

Im Normalfall entwässert eine Saba etwa 4 Kilometer. Das Nationalstrassennetz misst gegenwärtig 2259 Kilometer. Damit das Strassenabwasser des gesamten Nationalstrassennetzes gereinigt werden könnte, bräuchte es also gegen 600 Sabas.

«Über die Schulter»

Doch das kommt teuer. Wirklich verlässliche Zahlen gibt es vom Astra nicht. Doch klar ist, dass die bisherigen 179 Sabas bereits über eine Millarde Franken gekostet haben. Betrieb und Unterhalt sind dabei noch nicht einmal eingerechnet. Weil im Gewässerschutzgesetz ziemlich schwammig formuliert ist, was als «verschmutztes Abwasser» gilt und weil die Kosten horrend sind, nimmt es das Astra mit der Reinigung nicht überall gleich genau. Das Amt schreibt: «Wenn immer möglich setzt das Astra auf eine ‹Entwässerung über die Schulter›. Dabei versickert das Wasser über die Bankette in den umgebenden Boden.» Und weiter: «Durch die natürlichen Abbauprozesse wird das Strassenabwasser in den Banketten gereinigt.»

Das ist beschönigend. Der Dreck bleibt bestenfalls im Boden, schlimmstenfalls gelangt er auf den Teller. Erst kürzlich hat der Bundesrat in einem Bericht festgehalten, dass Mikropartikel «einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Umwelt verbleiben und negative Auswirkungen auf Menschen und Tiere sowie Böden und Gewässer haben». Österreichische Forscher haben Mikroplastik auch schon im menschlichen Stuhl nachgewiesen.

Der Pfaffensteig als Beispiel

Zwischen Bern-Bümpliz und Niederwangen BE befindet sich die Saba Pfaffensteig – und zwar an der A12 die von Bern nach Freiburg führt. Der Abschnitt misst 1,625 Kilometer. 40’000 Fahrzeuge sind dort täglich unterwegs. Jährlich fliessen auf diesem Abschnitt rund 33 Millionen Liter Strassenabwasser ab. Oder umgerechnet 33’000 Kubikmeter. Was darin alles weggeschwemmt wird:

  • Jährlich fallen auf den 1,625 Kilometern 3900 Kilo Dreck in Form von Feststoffen an.
  • Davon sind 1600 Kilo Pneuabrieb, 700 Kilo Sand und Kies und weitere 1600 Kilo andere Feststoffe, zum Beispiel Abfall, der aus dem Fenster geworfen wird.
  • Hinzu kommen: 6,4 Kilo Zink.
  • 2,1 Kilo Kupfer.
  • Und 340 Gramm Blei.

Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

5 Meinungen

  • am 5.01.2024 um 12:22 Uhr
    Permalink

    Und über welchs Konto wird das finanziert ?

    • Portrait Marco Diener.1 Kopie
      am 5.01.2024 um 13:46 Uhr
      Permalink

      Das Astra schreibt: «Ausbau, Betrieb und Unterhalt der Nationalstrassen werden über den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds (NAF) finanziert.» Dazu gehören auch die Saba.

  • am 5.01.2024 um 12:42 Uhr
    Permalink

    Es ist für mich schon lange bedenklich was da alles auf den Strassen Landet und Schlussendlich in der Natur! Der Verkehr ist eine reine Umweltsünde! Jeder muss sich die Überlegung machen ob man überhaupt das Auto nehmen muss oder ob es doch eine andere Möglichkeit gibt!

  • am 6.01.2024 um 00:33 Uhr
    Permalink

    2259 km Nationalstrassen sind das eine. Dort gibt es verhältnismässig wenig Abrieb (wenig Kurven, wenig Bremsen pro km).

    Daneben gibt es 17’203 km Kantonsstrassen und 65’406 km «übrige dem Motorfahrzeugverkehr geöffnete Strassen» (Gemeinde- und Privatstrassen) mit wohl ziemlich genau Null Sabas und wenigen anderen Behandlungs- und Retentionsanlagen. Der ganz überwiegende Teil des Regenwassers wird direkt «über die Schulter» entsorgt oder durch ungefilterte Einleitung in Oberflächengewässer.

    Insbesondere in grösseren Siedlungsgebieten wird zwar ein Teil des Wassers in die Kanalisation im Mischsystem inkl. Haushaltabwasser geleitet. Aber auch dies geschieht oft gedrosselt mit Überlauf, womit bei starken Regenfällen ein Teil des Strassenwassers wieder z.B. über einfache Absenkbecken geleitet in Oberflächengewässer gelangt – dann allerdings gemischt mit dem Abwasser aus den Haushalten… Das gibt dann im Sommer schon mal plötzlich so komisch braune Flüsse und lustig-braunen Schaum…

  • am 7.01.2024 um 10:51 Uhr
    Permalink

    Nicht vergessen: unser Eisenbahnnetz (5300km) produziert ebenfalls grosse Mengen an Feinstaub und Abrieb. Im Gegensatz zum Strassennetz wird hier nichts durch die Kanalisation aufgefangen, sondern alles im Erdreich verteilt.

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...