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In Europa gibt es eigentlich genügend Holz - trotzdem wird der Baustoff knapp. © public-domain pxhere

Kein Holz für die Hütte

Daniela Gschweng /  Die Bauwirtschaft kämpft ums Holz. In Deutschland herrscht Holzmangel, die Schweiz hat bisher noch Glück.

In einigen Kleinbetrieben macht sich Verzweiflung breit, in grossen runzeln die Projektplaner bedenklich die Stirn. Die Märkte haben derweil ein neues Gold ausgerufen: Holz. Der Holzpreis ist in den letzten Monaten steil angestiegen. Vor allem Deutschland fürchtet Holzknappheit.

Das heisst, sie ist schon da. Seit März hat sich der Holzpreis verdoppelt. Die Sägereien arbeiten auf Hochtouren, die Lieferfristen werden länger und die Preise steigen. Der Preis einer Dachlatte hat sich verdreifacht. Und das im Sommer, wo auf dem Bau Hochsaison ist.

In einem der waldreichsten Länder der Welt, das zu den Top-Exporteuren gehört, gibt es eigentlich genug Wald. Es liegt auch nicht daran, dass plötzlich alle Holzhäuser bauen, obwohl Holzbau beliebter geworden ist. Auch nicht am anhaltenden deutschen Bauboom, der durch niedrige Zinsen befeuert und durch Corona nur wenig abgebremst wurde.

Ohne Latte kein Dach

Viele Betriebe haben bisher mit Lagermaterial gearbeitet, dieses geht aber zur Neige. Sie müssen die Kosten nun nach oben verschieben, was viele Bauherren verärgert und Aufträge vorerst oder ganz ausfallen lässt. Ein Haus wird um einige zehntausend Euro teurer. Wer für einen Festpreis angeboten hat, dem bleibt gerade nur, eine Runde im Wald spazieren zu gehen – nach übereinstimmender Meinung von Experten hilft das, mit belastenden Situationen fertigzuwerden.

Zimmerleute leiden genauso wie grosse Baukonzerne, die Verträge einhalten müssen. Einige Betriebe rechnen mit Kurzarbeit, wenn die Lagerbestände aufgebraucht sind. Andere führen Aufträge nicht mehr aus, weil es sich nicht mehr lohnt. Selbst wer bezahlen kann, bekommt einfach keine Lieferung. Ganz schlechte Karten haben Hausbesitzer, bei denen Reparaturen anstehen. Denn ohne Latte kein Dach.

Weil alle bauen

Holz ist ein globales Handelsgut wie Zement, Stahl oder Kaffee. Weil Herstellung und Transport wegen Corona eingeschränkt waren, sind weltweit viele Materialien knapper geworden, aber nirgends ist es so schlimm wie beim Holz. Global gesehen, gibt es derzeit nicht nur einen Verteilungskampf um Impfstoff, sondern auch um Holz. Die Nachfrage ist schon 2020 gestiegen. Inzwischen wandern die Bäume, die in deutschen Sägereien geschnitten werden, vermehrt nach Übersee. Weil alle bauen. Weltweit.

Vor allem China und die USA haben grossen Bedarf an Bauholz. Sehr nachhaltig sei das nicht, schimpft da so mancher, der dabei in die Röhre schaut. Die Waldbesitzer ärgern sich, denn bei ihnen kommt die Preissteigerung kaum an. Viele schlagen deshalb weniger Holz als üblich, was den Mangel verschärft.

Noch vor drei Jahren gab es in Deutschland mehr als genug Holz. Trockenheit, Stürme und Borkenkäfer sorgten dafür, dass Pächter und Besitzer gar nicht wussten, wohin damit. Das drückte die Preise, noch 2020 waren sie so niedrig wie lange nicht. Schadholz allerdings ist zum Bauen nicht geeignet. Woran es im Moment am meisten fehlt, ist Bauholz, das heisst, Nadelholz in guter Qualität.

Die Sägewerke wiederum sind froh, dass sie nach mageren Jahren wieder besser verdienen. Laut dem Bundesverband der deutschen Säge- und Holzindustrie exportierten sie im letzten Jahr 20 Millionen Festmeter Rund- und Schnittholz, 80 Prozent mehr als 2019. Sogar Schadholz ging ins Ausland. Die Preise für in die USA exportiertes Fichten- und Tannenschnittholz lagen im Februar um 50 Prozent höher als im Vorjahresmonat und 66 Prozent höher als im Februar 2019.

Preiserhöhung trifft die Schweiz in abgemilderter Form

Das gleiche passierte in der Schweiz, die mindestens drei Fünftel ihres Holzbedarfs importiert, in abgemilderter Form. Die Preise für Holz bewegten sich noch Anfang März auf tiefem Niveau. Der internationale Preisdruck machte sich mit Verzögerung bemerkbar und kam bei den Waldbesitzern nicht an. Entsprechend zurückhaltend sei der Holzschlag gewesen, sagte Florian Landolt von «WaldSchweiz» zum «Schweizer Bauer». Nadelholz in guter Qualität sei auch durch den hohen Borkenkäferbefall der letzten Jahre rar.

Die Holzschlagsaison sei eigentlich zu Ende, erklärt Landolt. Erste Verknappungen und Lieferverzögerungen machen sich bemerkbar. Zimmereibetriebe melden Aufschläge von 15 bis 30 Prozent. Laut «Watson» haben erste Schreinereibetriebe ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit versetzt.

Da kommt einiges zusammen

Der Boom hat unterschiedliche Gründe. Oder anders gesagt: Da kommt einiges zusammen. In den USA wird in der wirtschaftlichen Erholung nach Corona mehr gebaut. Auf den Holzmarkt wirkt sich das viel stärker aus als in Europa, denn Privatwohnungsbau ist dort grösstenteils Holzbau. Der Preis eines Hauses hat sich verdreifacht.

Der grösste Lieferant Kanada kämpft gerade mit einer Käferplage. Auch ein jahrzehntealter Konflikt fällt den US-Amerikanern jetzt auf die Füsse: Sie argumentieren, der Preis für kanadisches Holz werde unfair niedrig gehalten, weil die Holzindustrie vom Staat unterstützt werde. Die meisten Holzvorkommen gehören den kanadischen Provinzen. Bei der Einfuhr von Holz aus Kanada werden deshalb Steuern fällig. 2018 hob die Trump-Regierung die Steuern auf 20 Prozent an, reduzierte sie aber 2020 wieder. Politische Diskussionen über eine Quote sind seit Jahren nicht weitergekommen.

Käfer in Kanada und Reisesperren in China

China baut, weil die Wirtschaft seit Jahren wächst. Das Land ist der grösste Holzimporteur weltweit und ausserdem der grösste Exporteur von Holzmöbeln. Normalerweise bezieht China den grössten Teil seines Holzbedarfs aus Russland. Von den mehreren hundert chinesischen Firmen, die in Russland Holz schlagen, hätten aber viele während der Pandemie keine Arbeitskräfte entsenden können oder wären aus anderen Gründen weniger produktiv gewesen, berichtet die «Global Times», die als Organ der Kommunistischen Partei Chinas gilt. China importiert auch Roh- oder Rundholz, dessen Preis nicht so sehr gestiegen ist wie der von Schnittholz. Russland hat den Rundholz-Export bereits verboten, das Verbot wird 2022 greifen.

Bleibt das jetzt so?

Und jetzt? Deutsche Politiker dachten bereits laut über ein Exportverbot nach. Die deutsche Ministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner ist dagegen. Die Preise würden sich beruhigen, sagen einige Experten, obwohl im Sommer weniger Holz geschlagen werde. Der Preisanstieg werde anhalten, sagen andere.

Was dagegen spricht: Die Holzpreise auf den Märkten in China und den Vereinigten Staaten fallen derzeit wieder, nachdem sie Anfang Juni einen Höhepunkt erreicht haben. Auch die Zinsen könnten steigen, was die Bautätigkeit verlangsamen dürfte.

Was dafür spricht: Vor dem steilen Preisanstieg befand sich der Holzpreis in Deutschland auf einem sehr niedrigen Niveau, bedingt durch viel Schadholz, das Pächter und Eigentümer loswerden mussten. Das spricht dafür, dass sich der Preis eher erholt hat und höher bleiben wird. Was die Schweiz betrifft, könnte sich der wegen niedriger Preise lange vernachlässigte Abbau in schwierigen Lagen möglicherweise bald wieder lohnen.

Und da wäre noch die nachwachsende Ressource Wald: Die fürs Bauen begehrten Nadelhölzer haben es immer schwerer. Von Trockenheit und Schädlingen sind sie besonders bedroht. In vielen Teilen Deutschlands werden deshalb mehr Laubbäume gepflanzt, um den Wald mittelfristig klimastabil zu halten. Nadelholz wird also knapp bleiben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Städtebau

Städtebau und Bauwirtschaft

Bauen im Hinblick auf eine sich verschärfende Klimakrise. Welche Materialien machen Sinn und wieviel Grün brauchen wir. Vorbildliches und weniger Vorbildliches.

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3 Meinungen

  • am 21.06.2021 um 12:12 Uhr
    Permalink

    Ist das wegen dem Freihandel, zu tiefen Transportkosten (externe Kosten nicht gedeckt), oder beidem?

  • am 21.06.2021 um 13:37 Uhr
    Permalink

    Als Waldbesitzer muss man bis heute beinahe etwas bezahlen, damit jemand das Holze übernimmt.
    Nicht einmal «Holz gegen Arbeit» funktioniert und an den Waldrändern stapeln sich Holzberge.
    Höchste Zeit für eine Korrektur über den Preis.

  • alex_nov_2014_1_3_SW(1)
    am 23.06.2021 um 07:06 Uhr
    Permalink

    @H.Sigrist Ich habe bei der Recherche mit zwei Personen gesprochen, die in Süddeutschland Wald besitzen. Beide äusserten sich ähnlich. Wer Holz braucht ist anscheinend ehr nicht zu beneiden, wer welches hat, auch nicht. Unter dem Strich ist das sehr paradox (Teil meiner Motivation, dem nachzugehen). Anscheinend gab es Überlegungen, die Sägewerke zu bestreiken, was aber wohl nicht zustandegekommen ist ausser vielleicht lokal. Was mich wirklich erstaunt hat war, dass ein so sperriges Gut wie Holz über so weite Distanzen transportiert wird.

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