Papst Franziskus

Papst Franziskus und ein Grossteil des Vatikans sprechen sich immer wieder gegen Abtreibungen aus. Trotzdem werden US-Bischöfe zur Vorsicht ermahnt, die Abtreibungsbefürworterinnen und -Befürworter aus dem Bereich der Politik von der Kommunion ausschliessen wollen. © pixabay

US-Bischöfe: «Keine Kommunion für Abtreibungs-Befürworter»

Tobias Tscherrig /  Konservative US-Bischöfe wollen prominente Abtreibungs-Befürworter von der Kommunion ausschliessen.

Konservative katholische Bischöfe aus den USA drängen auf eine Debatte darüber, ob katholischen Politikerinnen und Politikern, die das Recht auf Abtreibung unterstützen, von der Kommunion ausgeschlossen werden können. Wie die «New York Times» berichtet, hat der Vatikan mit einer Warnung reagiert: Die betreffenden Bischöfe sollen bei ihrem Vorstoss auf die Bremse treten und davon absehen, katholischen Politikerinnen und Politikern, die das Recht auf Abtreibung unterstützen, – darunter zum Beispiel US-Präsident Joe Biden – die Kommunion zu verweigern.

Trotz der Warnung aus Rom verfolgen die konservativen US-Bischöfe ihre Ziele weiter. Das führt zu einem offenen Riss zwischen Rom und der amerikanischen Kirche.

«Gefährlicher Präzedenzfall»

Allgemein wird erwartet, dass die konservativen US-Bischöfe ihr Anliegen am 16. Juni anlässlich einer Fernkonferenz weiterverfolgen und versuchen werden, eine Debatte, eine Abstimmung und ein offizielles Lehrdokument über die Abgabe der Kommunion an prominente Abtreibungs-Befürworter aus der Politik zu erzwingen.

Einigen der involvierten führenden US-Bischöfe geht es auch darum, die Ablehnung von Abtreibungen als zentrale Bedeutung im katholischen Glauben zu bekräftigen und eine harte Linie festzulegen. Dies unter anderem auch deshalb, weil mit Joe Biden ein liberaler Katholik im Oval Office sitze. Wie Kirchenhistoriker gegenüber der «New York Times» sagten, drohe das Thema «die Fassade der Einheit mit Rom zu zerschlagen, die politische Polarisierung innerhalb der amerikanischen Kirche hervorzuheben und einen gefährlichen Präzedenzfall für Bischofskonferenzen auf der ganzen Welt zu schaffen.»

Offener Riss zwischen Rom und amerikanischer Kirche

Zwar hat sich Papst Franziskus in der Vergangenheit – manchmal auch in harten Worten – gegen Abtreibungen ausgesprochen. Die Sorge im Vatikan gelte allerdings dem Umstand, dass die Eucharistie als politische Waffe missbraucht werde, sagte Antonio Spadaro, ein Jesuitenpater und enger Verbündeter von Franziskus gegenüber der «New York Times».

Erst diesen Monaten predigte Franziskus, dass die Kommunion «nicht der Lohn der Heiligen, sondern das Brot der Sünder» sei. Entsprechend hat sich sein oberster Lehrbeauftragter, Kardinal Luis Ladaria, mit einem Brief an die amerikanischen Bischöfe gewandt. Darin schrieb er unter anderem, dass das Begehren der Bischöfe eher «eine Quelle der Zwietracht als der Einheit» darstelle. Er mahnte zur Vorsicht und erklärte, es sei irreführend, Abtreibung und Euthanasie als «die einzigen ernsten Angelegenheiten der katholischen Moral- und Soziallehre darzustellen.» Wenn die amerikanischen Bischöfe die Tür in der Kommunionfrage aufstossen wollten, sollten sie bereit sein, die Ausweitung der Politik auf alle Katholiken zu erwägen, «anstatt nur auf eine Kategorie von Katholiken».

Im Übrigen geht es bei der aktuellen Abtreibungs-Frage in den USA auch um kirchliche Machtinteressen. Papst Franziskus hat die Vereinigten Staaten bereits in der Vergangenheit als Quelle der Opposition gegen sein Pontifikat identifiziert. Die nun angestrebte Abtreibungs-Debatte kann auch als seltener, offener Riss zwischen Rom und der amerikanischen Kirche gewertet werden. Die Gegnerinnen und Gegner einer Abstimmung vermuten eine politische Motivation als Hintergrund, die darauf abzielt, den US-Präsidenten Joe Biden zu schwächen. Im Übrigen solle Papst Franziskus mit einer langwierigen Debatte über eine Thematik beschäftigt werden, die dann von konservativen katholischen Medien weiter befeuert werde.

Fadenscheinige Begründung

So gehört etwa auch Erzbischof José Gomez von Los Angeles, Vorsitzender der US-Konferenz der katholischen Bischöfe, zu denjenigen, die prominenten Abtreibungsbefürwortern den Zugang zur Kommunion verweigern wollen. Gomez wurde von Franziskus wiederholt bei der Erhebung in den Rang eines Kardinals übergangen.

Gomez begründet seine Ablehnung gegenüber Unterstützerinnen und Unterstützer einer liberalen Abtreibungsgesetzgebung aber anders. In einem Memo schrieb er, dass der Schwerpunkt des vorgeschlagenen Lehrdokuments darauf liege, «wie man den Menschen am besten helfen kann, die Schönheit und das Geheimnis der Eucharistie als Zentrum ihres christlichen Lebens zu verstehen.» Weshalb es dazu den Ausschluss von Menschen braucht, die eine liberale Abtreibungsgesetzgebung befürworten, bleibt sein Geheimnis.

67 Bischöfe wollen Thema verhindern

Die konservativen amerikanischen Bischöfe sind grösstenteils nicht auf einer Linie mit Franziskus und seiner Agenda, die immer wieder auch den Klimawandel, Migrantinnen und Migranten sowie Armut in den Mittelpunkt der Kirche stellt. So gilt insgesamt knapp die Hälfte der Bischöfe der amerikanischen Bischofskonferenz als konservativ, weshalb sie die nötigen Stimmen erreichen könnten, die es braucht, um ein Lehrdokument auszuarbeiten, in dem dann darüber bestimmt wird, wer die Kommunion empfangen darf – und wer nicht.

Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass die konservativen Kräfte in der amerikanischen Bischofskonferenz auch in der Lage wären, ein solches Dokument zu ratifizieren. Denn dafür braucht es die einstimmige Unterstützung aller Bischöfe des Landes oder mindestens eine Zweidrittelmehrheit und die Zustimmung des Vatikans.

Ein Teil der amerikanischen Bischöfe will die Frage zudem ganz vermeiden. Bis heute haben 67 amerikanische Bischöfe – rund ein Drittel der gesamten Bischofskonferenz, darunter viele Anhänger von Papst Franziskus – einen Brief unterzeichnet, in dem sie Erzbischof Gomez aufforderten, den strittigen Punkt von der Tagesordnung der virtuellen Konferenz zu streichen.

Zweiter Versuch der Konservativen

Im Jahr 2004 versuchte eine Gruppe konservativer Bischöfe, dem damaligen demokratischen Präsidentschaftskandidaten John Kerry die Kommunion zu verweigern, weil er Abtreibungsrechte unterstützte. Allerdings hatten die konservativen Kräfte damals mehr Unterstützung im Vatikan. Darunter etwa Kardinal Joseph Ratzinger, der bald darauf zu Papst Benedikt XVI wurde. Ratzinger schrieb, dass Politikerinnen und Politiker, die beharrlich Abtreibungsrechte unterstützten, unwürdig seien, das Sakrament zu empfangen.

Bei einem Treffen im Jahr 2004 entschieden die amerikanischen Bischöfe aber stattdessen, die einzelnen Bischöfe von Fall zu Fall entscheiden zu lassen. Kerry, der bei einem kürzlichen Treffen mit dem Papst lieber über Themen sprach, bei welchen die Biden-Regierung und der Vatikan dieselbe Linie verfolgen, erklärte in einem Interview, dass das politische Klima in den Vereinigten Staaten seit seinem Zusammenstoss mit den konservativen Bischöfen «sehr gereift» sei. Den aktuellen Vorstoss der konservativen Bischöfe bezeichnete er als «Fehltritt».

«Teile der amerikanischen Kirche sind politisch und extremistisch»

Allerdings hat sich die Kirchenpolitik in Amerika in den letzten 17 Jahren zunehmend polarisiert. Wie die «New York Times» schreibt, sagen einige Geistliche, die Papst Franziskus nahestehen, dass Elemente innerhalb der amerikanischen Kirche politisch und extremistisch geworden seien.

In der Realität bedeutet das zum Beispiel, dass die konservativen Bischöfe mehr tun wollen, als nur zu reden. Am 1. Mai gab etwa der erzkonservative Bischof von San Francisco, Salvatore J. Cordileone, einen Brief heraus und argumentierte, dass «irrende katholische» Politiker, die Abtreibungsrechte unterstützen, von der Kommunion ausgeschlossen werden sollten.

Kurz darauf schickte Erzbischof Gomez einen Brief an das oberste Lehrbüro des Vatikans, in dem er es darüber informierte, dass die amerikanische Bischofskonferenz sich darauf vorbereite, bei ihrem Treffen im Juni «die Würdigkeit des Empfangs der Heiligen Kommunion» von katholischen Politikern, die Abtreibungsrechte unterstützen, zu thematisieren.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

Petersdom_Rom

Der Vatikan und die Katholiken

Auf Papst Benedikt XVI. folgt Papst Franziskus I. Wird er die katholische Kirche reformieren oder konservieren?

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5 Meinungen

  • am 21.06.2021 um 13:34 Uhr
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    Ohne den Artikel gelesen zu haben: Wer verurteilt denn hier wen? Die katholische Kirche liegt zumindest nicht falsch, aber Verantwortung und Gewissen kann auch die katholische Kirche nicht befehlen: «Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied!» Jeder muss Verantwortung übernehmen und ein Gewissen haben, viele Erdenbürger haben eben längst kein Gewissen mehr und sind auch nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung über das ungeborene Leben! Das Leben ist doch kein Wegwerfgut! Und die gleichen Leute fordern, der menschliche Körper sei ein Ersatzteillager, das allen andern Menschen zur Verfügung stehen müsse….. Wie pervers ist unsere Welt geworden??

  • am 21.06.2021 um 19:01 Uhr
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    Gut, wenn auch die prominenten Kriegstreiber-, Umwelt- und Gesellschaftszerstörer-Innen von der Kommunion ausgeschlossen werden.

  • am 21.06.2021 um 19:55 Uhr
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    «Befürworter von Abtreibungen»: Dieser Begriff ist weitgehend irreführend. Es müsste wohl besser heissen: «Gegner von Strafmassnahmen gegen Menschen, die abgetrieben haben», oder ähnlich. Man kann durchaus Abtreibungen als Übel bezeichnen und sieals strafrei erklären. In den meisten Fällen wären Strafen absurd. Oder soll man eine Frau, die wegen Armut abgetrieben hat, ins Gefängnis schicken? Die würde ihre Situation und jene ihrer Familie nur noch verschlimmern ….

  • am 22.06.2021 um 14:01 Uhr
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    @Walter ludin…. Oder soll man eine Frau, die wegen Armut abgetrieben hat, ins Gefängnis schicken?

    In manchen Staaten..zum Beispiel El Salvador, werden Mütter die Ihr ungeborenes Kind verlieren, auch ganz ohne Abtreibung, für Jahrzehnte ins Gefängniss geschickt. Sie hatte Glück, nach zehn Jahren Haft kam Sie jetzt frei.

    https://amerika21.de/2021/06/251114/schwangerschaftsabbruch-el-salvador

    Dies zeigt ziemlich anschaulich, was passiert, wenn man den Kirchen gestattet, ihr mörderisches Patriarchat erneut durch zu drücken. Damit sind nicht nur Katholiken gemeint….Wehret den Anfängen!

  • am 23.06.2021 um 08:37 Uhr
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    Es geht doch nur um eins: Macht! Die Institution Kirche kämpft gegen den Machtverlust in Politik und Weltanschauung. Und gegen die Gleichstellung und Gleichbehandlung aller Menschen.

    Um den Machtanspruch zu zementieren, wurde das Zölibat geschaffen, die Kirche scheffelte Reichtum durch ‹Schenkungen› ihrer Mitglieder. Die Unterdrückung der Schwächeren war schon immer Programm. Dazu gehört auch die Unterdrückung der Frau, hier war die Kirche immer mit dabei! Aus der dauernden Bevormundung konnten Frauen früher ohne ‹Ehrverlust› nur aussteigen, wenn sie in ein Kloster gingen. Finde den Fehler…

    Warum sollte die Institution Kirche daran etwas ändern wollen? Macht im Diesseits gegen das Versprechen einer Belohnung im Jenseits. Da träumen heutige Marketingprofis von!

    In den USA wird sichtbar, um was es eigentlich geht.
    Wäre es der Institution Kirche ernst um ihre Grundsätze, würde es keine Vertuschung von Kindesmißbrauch geben, keine Vergewaltigung von Nonnen durch Priester, keine Doppelmoral und kein von der Justiz entkoppeltes Kirchenrecht!
    Zur Info: In Deutschland unterliegen kirchliche Straftäter nicht dem allg. Strafrecht und kirchliche Arbeitgeber nicht dem allg. Arbeitsrecht. In anderen Ländern dürfte es ähnlich sein.

    Die Institution Kirche hat nichts mehr mit dem individuellen Wertesystem und der Spiritualität der Menschen zu tun.

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