Shell Greenwashing

Shell tut viel für die Umwelt – sagt der Konzern zumindest. Hinter vielen grünen Aussagen des Unternehmens jedoch steckt nicht viel. © royaldutchshellplc.com

«Wir tun was!»: Kleines Greenwashing-ABC am Beispiel Shell

Daniela Gschweng /  Tue wenig, rede viel – so sieht das Klimaengagement vieler Unternehmen aus. «Flip» nahm exemplarisch Shell auseinander.

Was tun, wenn man sein Geld mit Umweltverschmutzung verdient, aber dringend ein grünes Image braucht? Man legt Klimaziele fest und kommuniziert diese möglichst breit und oft. Wie grün sie tatsächlich sind, tritt dabei in den Hintergrund.

Ein Beispiel für diese Art Klimakommunikation ist Shell. Der Öl- und Gaskonzern hat es als Produzent fossiler Brennstoffe zugegeben schwer, seine Produkte als klimafreundlich zu verkaufen. Das aber tut er nach allen Regeln der Kunst.

Das Online-Magazin «Flip» hat Shell im vergangenen Jahr in der Waschküche über die Schulter geschaut. Herausgekommen ist eine Art kleines Kommunikations-ABC des Greenwashings, dem «Infosperber» noch einige Punkte hinzufügen konnte.

1.      Rede deine Beteiligung klein

Shell ist für zehn Prozent der nationalen Klimaemissionen in Deutschland verantwortlich. Das schreibt der Konzern selbst auf seiner Website in Form einer verschriftlichten Rede des Ex-Deutschland-CEOs Fabian Ziegler (im August 2022 abgelöst durch Felix Faber).

Wörtlich: «Es ist also wahrscheinlich keine große Überraschung, dass etwa 10 Prozent [80 Millionen Tonnen] aller deutschen CO2-Emissionen mit Shell Deutschland verbunden sind.» Das ist ganz schön viel. Der innerdeutsche Flugverkehr verursache im Vergleich 0,3 Prozent der deutschen CO2-Emissionen, schreibt «Flip».

Nur 8 Millionen Tonnen CO2 verursache der Shell-Konzern selbst, sagt Ziegler. 72 Millionen Tonnen Kohlendioxid würden jährlich in die Luft geblasen, weil Kund:innen Shell-Produkte verwendeten. Dafür, suggeriert er, könne Shell ja nichts.

2.      Betone deine Verantwortung und dein Engagement

Der gesellschaftliche Druck, die Energiewende zu beschleunigen, sei hoch, sagt der Ex-CEO von Shell Deutschland noch. Shells Job sei es nun, «mehr und sauberere Energie bereitzustellen». Und dabei klimaneutral zu werden. Das klingt sehr nach Verantwortung, Engagement und Zielen.

3.      Wähle ein Ziel, das weit in der Zukunft liegt

Wie diese Ziele aussehen, ist weniger überwältigend. Shell ist auf dem Weg zu «netto null», das betont der Konzern an jeder sich bietenden Stelle. Netto-Null-Emissionen kommen demnach schon bald. Also 2050, das heisst, erst in 27 Jahren. Deutschland will dann schon seit fünf Jahren klimaneutral sein – so steht es im Klimaschutzgesetz.

Wenn Unternehmen zum Netto-Null-Emissions-Datum konkret werden, liege das Ziel meistens zwischen 2040 und 2050, zitiert «Flip» eine Studie, die auf Umfragen beruht. Immerhin legt Shell ein Klimaziel fest, was nicht bei allen Unternehmen der Fall ist.

4.      Verwende möglichst viele Zahlen und Begriffe

Wo ein Ziel ist, sind auch Schritte, um es zu erreichen, auf gut Englisch «Milestones». Auf diese Meilensteine kraftvoll zugehen will Shell mit der «Powering Progress Strategie». Selbige besteht gösstenteils aus dem Kauf von Klima-Zertifikaten, damit rechnerisch kein CO2 mehr übrigbleibt. CO2-Zertifikate halten jedoch selten, was sie versprechen, stellte sich kürzlich bei einer internationalen Recherche heraus (Infosperber berichtete).

Dazu investiert Shell in Carbon Capture, also das Einfangen von CO2. Das in Produktionsprozessen aufgefangene Kohlendioxid wird dann entweder verwertet oder im Boden gelagert. Wie viel CO2 dabei nachhaltig aus der Luft entfernt wird, ist offen. «CCS» und «CCU» (Carbon Capture and Storage sowie Carbon Capture and Usage) klingen aber wenigstens eindrucksvoll.

5.      Definiere deine eigenen (möglichst komplizierten) Massstäbe

Bis 2030 will Shell seine Emissionen halbieren – also doch ein naheliegenderes Ziel. Das gelte aber nur für die Emissionen aus «Scope 1» und «Scope 2», sagt Shell. Scopes sind Emissions-Kategorien, erklärt «Flip». Scope 1 steht für Emissionen aus der Shell-eigenen Produktion, Scope 2 für die Emissionen aus Strom, Gas und Wärme, die Shell verbraucht. Scope 3 besteht aus Verbrauch und Entsorgung von Shell-Produkten und umfasst 95 Prozent der globalen Shell-Emissionen, hat «Flip» errechnet und sich von Shell bestätigen lassen.

Bis 2030 steht rechnerisch also eine 50-Prozent-Reduktion der fünf Prozent der Emissionen an, für die Shell sich verantwortlich fühlt. Sprich: eine Verminderung von 2,5 Prozent bis 2030. Das klingt sehr viel weniger eindrucksvoll als «Netto-Null-Emissionen» oder «Halbierung».

Shell ist nicht der einzige Konzern, der solche Zahlenakrobatik betreibt. Nestlé beispielsweise schätzte grosszügig seinen CO2-Ausstoss für 2030 und zog von dem fiktiven Wert dann «Reduktionen» ab (Infosperber berichtete).

6.      Zeige Demut und gehe still gegen Regulierung vor

2021 verurteilte ein erstinstanzliches Gericht in Den Haag Shell dennoch dazu, die Emissionen aller Scopes bis 2030 um 45 Prozent zu reduzieren. Shell betrachtete «das Urteil … als Beschleunigung unserer Powering Progress Strategie», zitiert «Flip». Das hört sich so an, als ob der Konzern die Massregelung angenommen und begrüsst hätte. Tatsächlich ist das Urteil bis heute nicht gültig, weil Shell Berufung eingelegt hat. Es ist nicht einmal sicher, ob solche Entscheidungen überhaupt von Gerichten getroffen werden können oder ob die Politik übernehmen muss.

7.      Wälze Kosten auf die Kundschaft ab

Mit 1,1 Cent pro Liter Treibstoff sollen autofahrende Konsumentinnen und Konsumenten schon jetzt mithelfen, «Scope 3»-Emissionen zu verringern. Mit dem Zusatz-Cent seiner Kund:innen unterstützt Shell dann Klimaschutzprojekte. Basierend auf Zahlen aus 2020, die «Flip» erfragt hat, kompensiert Shell damit jährlich 0,46 Prozent seiner in Deutschland verursachten Emissionen. Zur Kritik an vielen CO2-Zertifikaten siehe oben.

«Flip» beklagt ausserdem, dass Shell interne Kritik systematisch totschweigt und führt dazu die ehemalige Shell-Sicherheitsberaterin Caroline Dennett an. Dennett kündigte im Juli 2022 ihren Job bei Shell und ging mit ihrem Kündigungs-Video viral. Sie wirft Shell vor, dem Klima bewusst zu schaden, und bezeichnet das Unternehmen als «Jedi-Meister im Greenwashing». Shell hat zu ihrem Abgang seither keinen Kommentar abgegeben.

Wir beenden die Liste an dieser Stelle und betonen nochmals, dass Shell nicht das einzige Unternehmen ist, das solche und ähnliche Kommunikations-Strategien verwendet.

Shell möchte seine Öl- und Gasförderung übrigens in den nächsten Jahren ausweiten. Die Organisation Global Witness verklagte Shell Anfang 2023 wegen Greenwashing, weil der Konzern Investitionen in Erdgas als Ausgaben für erneuerbare Energien einstuft. Auch nach Auffassung der Umwelt-Juristen von Client Earth wird sich am Geschäftsgebaren von Shell in den nächsten 14 Jahren nichts ändern. Ob sich das mit «Netto Null» verträgt?


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Weiterführende Informationen

Zum Infosperber-Dossier:

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Die Klimapolitik kritisch hinterfragt

Die Menschen beschleunigen die Erwärmung der Erde. Doch kurzfristige Interessen verhindern griffige Massnahmen.

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