Die neue First-Class der Swiss: Umweltsünde im Quadrat
Ab dem Spätsommer bietet die Swiss ihren First-Class-Passagieren in den neuen Langstreckenflugzeugen des Typs Airbus A350 noch mehr Luxus: mit einer Suite mit einem zwei Meter langen Bett, einer Sitzheizung beziehungsweise einer Sitzkühlung, einem Garderobeschrank und einem Bildschirm mit bis zu 1,08 Metern Diagonale. Auch die Business-Class wird luxuriöser. Bestellt sind zehn Flugzeuge.
«Individualisierter Rückzugsort»
Damit setzt die Swiss, wie sie selbst schreibt, «Massstäbe für Raum, Komfort und Exklusivität. Die Suiten bieten einen individualisierten Rückzugsort über den Wolken und definieren das Reiseerlebnis neu.»

Die Kehrseite des ganzen Luxus’: Die Möbel und die Apparate in der neuen First- und der neuen Business-Class sind schwer. Bei den neuen Flugzeugen des Typs A350 ist das kein grösseres Problem. Denn da ist alles schon eingerechnet.
Nasenlastig
Doch die Swiss will ab dem kommenden Winter auch ihre 14 bisherigen Airbus A330 umbauen. Da sich die schweren Möbel und Apparate der neuen First- und der neuen Business-Class in der vorderen Hälfte der Flugzeuge befinden werden, droht die Gefahr, dass sie nasenlastig werden. Daher hätten sie Mühe, von der Piste abzuheben.
Blei im Heck
Die Swiss löst das Problem auf wenig elegante Art: Sie baut Bleiplatten mit einem Gewicht von rund anderthalb Tonnen ins Heck. Damit bringt sie die Flugzeuge wieder ins Gleichgewicht. Die Westschweizer Konsumentenzeitschrift «Bon à savoir» (Bezahlschranke) hat ausgerechnet, wie sich der Luxus im Bug des Flugzeugs und das Gegengewicht im Heck auf Verbrauch und Schadstoffausstoss auswirken.
33’000 Tonnen CO2 zusätzlich
«Bon à savoir» geht von einem Zusatzgewicht von insgesamt drei Tonnen aus. Dieses wird zu einem zusätzlichen Verbrauch von rund 10’000 Tonnen Kerosin und einem zusätzlichen Ausstoss von 33’000 Tonnen CO2 pro Jahr führen. Das ist etwas weniger als ein Prozent des gesamten Kerosin-Verbrauchs beziehungsweise des gesamten CO2-Ausstosses der Swiss.

Kommt hinzu, dass der neue Luxus in der First- und der Business-Class viel Platz beansprucht. Dass also insgesamt weniger Passagiere mitfliegen. Und dass deshalb der CO2-Ausstoss pro Passagier steigt. In den alten A330 wird es noch 225 statt 236 Plätze geben.
Die neuen A350 sind grösser. Aber die Swiss verschwendet mit dem Luxus viel Platz. Sie wird nur 242 Personen unterbringen. Bei der Mutterfirma Lufthansa sind es zwischen 267 und 318 Plätze. Also 10 bis 30 Prozent mehr.

112 Kilo Gepäck
Ebenfalls nicht eingerechnet hat «Bon à savoir», dass die Luxuskunden der Swiss viel Gepäck mitnehmen dürfen. Die First-Class-Passagiere können ohne Zuschlag drei Gepäckstücke à 32 Kilo aufgeben und zwei Gepäckstücke à 8 Kilo als Handgepäck ins Flugzeug nehmen. Das sind insgesamt 112 Kilo. In der Economy-Class sind es bloss 31 Kilo. Also nur gut ein Viertel.
Das viele Gepäck in der First- und der Business-Class wirkt sich natürlich auch auf den Treibstoffverbrauch und auf den Schadstoffausstoss aus.
Ein WC für vier Personen
In den neuen Airbus A350 der Swiss wird es ein WC nur für die vier First-Class-Passagiere geben, zwei WCs für die 45 Business-Passagiere und deren fünf für die Economy-Passagiere. Das Verhältnis von Passagieren zu WCs in der First-Class: 4:1. In der Economy-Class: 39:1.
Pet-Recycling wirkt lächerlich
Vor diesem Hintergrund wirken die Umweltbemühungen der Swiss schon fast lächerlich. So rühmt sie sich etwa des Pet-Recyclings an Bord oder einer Folie, die, auf den Rumpf geklebt, die Aerodynamik verbessern und den Verbrauch sowie den CO2-Ausstoss senken soll. Zudem fordert die Swiss ihre Passagiere auf, mit einem Aufpreis den CO2-Ausstoss zu kompensieren – auch die Economy-Passagiere.
«Nicht schwerer als bei der Konkurrenz»
Gegenüber Infosperber rechtfertigt die Swiss den neuen Luxus. Sie teilt mit: «In der Luftfahrtindustrie zeichnet sich ein genereller Trend ab, bei dem First- und Business-Class-Gäste mehr Privatsphäre schätzen und wünschen.» Und: «Die Korrektur der Schwerpunktverschiebung folgt einer in der Industrie weit verbreiteten Lösung. Auch andere Airlines setzen auf Ausgleichsgewichte.»
Anders gesagt: Nicht nur die Swiss fliegt Bleiplatten herum.
Rechner ist nicht mehr öffentlich
Bis Ende Jahr konnten Flugpassagiere auf der Website der Internationalen Luftverkehrsvereinigung (Iata) den CO2-Ausstoss berechnen lassen – und zwar bezogen auf die Fluggesellschaft und den Flugzeugtyp. Nun ist der Rechner nicht mehr öffentlich zugänglich.
Gegenüber «Bon à savoir» erklärt die Iata: «Die Fluggesellschaften wollten ihre Angaben nicht mehr öffentlich machen. Deshalb bleibt der Zugang zum Rechner nun den Fluggesellschaften und den Reiseveranstaltern vorbehalten.»
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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