130704 Präsidentenmaschine Wien Bolivien

Nach der erzwungenen Landung von Boliviens Präsidentenmaschine in Wien © dpa

Wenn ein Diktator oder die USA ein Flugzeug zum Landen zwingen

Urs P. Gasche /  2013 zwangen die USA und EU-Länder die bolivianische Präsidentenmaschine zum Landen in Wien, weil sie Snowden darin vermuteten.

Keine Frage: Erzwungene Landungen von ordentlich angemeldeten Zivilflugzeugen sind Flugzeugentführungen, die geahndet werden sollen. Umso schlimmer, wenn es sich bei den Entführern nicht um Kriminelle handelt, sondern um Staaten. Und umso schlimmer, wenn es sich bei den Entführern nicht um Diktatoren, sondern um demokratisch gewählte Regierungen handelt. Infosperber hat kurz darüber berichtet: «Belarus: Wenn zwei das Gleiche tun…».

Der Diktator von Belarus, Aljaksandr Lukaschenka, wird zu recht mit Sanktionen und Flugverboten bestraft und geächtet. Doch: 2013 zwangen die USA die Maschine von Evo Morales, des damaligen Präsidenten Boliviens, in Wien zur Landung. Die USA beabsichtigten, Edward Snowden zu verhaften, den sie im Flugzeug vermuteten. Doch damals beliess es die westliche «Wertegemeinschaft» bei hohlen Worten. Einige EU-Staaten handelten sogar als Ausführungsorgane der USA und entzogen der Präsidentenmaschine während ihres Fluges die Überflugsrechte, so dass die Maschine zur Landung in Wien gezwungen war. Wäre Snowden tatsächlich im Flugzeug gewesen, hätten Agenten ihn verhaftet. 

Teilweise wortreiche Empörung, aber kein Ruf nach Sanktionen

Die Empörung westlicher Regierungen und Medien hielt sich in Grenzen. Einige schwiegen. Der damalige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz bezeichnete die Verweigerung der Überflugsrechte und das Festsetzen des Präsidenten auf dem Wiener Flughafen als «beschämend und inakzeptabel». Doch akzeptiert wurde die Zwangslandung trotzdem, denn es kam weder zu Sanktionen noch zu einer Rüge an die Adresse der USA. Die Organisation Amerikanischer Staaten OAS beliess es bei einer mündlichen Verurteilung und wünschte von westeuropäischen Regierungen «notwendige Erklärungen». UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon betonte mit Blick auf den Morales-Zwischenfall die Unverletzlichkeit von Staatsoberhäuptern. Sie hätten Immunität, auch ihre Flugzeuge dürften nicht angetastet werden, sagte Ban. Das Schicksal von Edward Snowden war für Regierungsvertreter kaum ein Thema.


So informierten Medien in der Schweiz


Nordwestschweiz am 4.7.2013

130704 A.Nordwestschweiz
Die Zeitung «Nordwestschweiz» rechtfertigt die erzwungene Landung mit dem Verdacht, Snowden habe sich auf der Flucht befunden.

SRF-online am 4.7.2013

130704 S.SRF NEWS
Für SRF-online einfach ein «Fehlalarm», der eine diplomatische Krise auslöst. Schuldig ist Snowden, der «Turbulenzen verursacht».

NZZ am 4.7.2013

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Für die NZZ war es ein «Krimi». Nicht die USA, sondern «Gerüchte» zwangen die Maschine zum Zwischenhalt.

Die SDA am 10.7.2013

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Für die SDA war es damals ein «Zwischenfall»

Erzwungene Landung ist «unfreundlich, aber keinesfalls ungewöhnlich»

130704 TA Schlagzeile
TA-Interview mit Professor Dieter Ruloff

Unter der Überschrift «Ähnliche Vorfälle hat es in der Geschichte immer wieder gegeben» veröffentlichte der Tages-Anzeiger am 4. April 2013 ein Interview mit Dieter Ruloff, damals Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Zürich. Boliviens Präsident Evo Morales «schäumt vor Wut», meinte der Tages-Anzeiger einleitend. Doch einen Grund dafür gebe es eigentlich nicht, entgegnete Ruloff: «Gegenüber Morales ist es zwar eine unfreundliche Handlung – es ist aber keinesfalls ungewöhnlich. Die drei Länder sind souverän und können damit jederzeit das Überflugrecht verweigern – auch ohne jegliche Angabe von Gründen.» Hinter dem «Vorfall» würden die USA stecken, meinte Ruloff: «Sie haben ihre Nato-Partner wohl um einen Gefallen gebeten.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

 

Zum Infosperber-Dossier:

Kalter_Krieg

Der Kalte Krieg bricht wieder aus

Die Grossmächte setzen bei ihrer Machtpolitik vermehrt wieder aufs Militär und gegenseitige Verleumdungen.

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14 Meinungen

  • am 26.05.2021 um 11:17 Uhr
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    Danke ! Hatte ich total vergessen.

  • am 26.05.2021 um 11:43 Uhr
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    Wir haben leider nur ein Kurzzeitgedächtnis.
    Ich verurteile jegliche Art von Zivilflugzeugkaperung.
    Auch die von 2013 war nicht rechtens.
    2013 war Snowden zum Glück nicht in Flieger.
    Die Tat von 2013 rechtfertigt aber Lukaschenko nicht das was er tat, denn Protassewitsch ist nach westlichen Werten kein Verbrecher.
    Auch das was Snowden tat war kein Verbrechen.
    Es ist gut, dass Du das uns in Erinnerung rufst!

    Ich erinnere mich, als ich Ende die 1960 die Tschechoslowakei mit einem Transitvisum durchqueren wollte und der Zöllner mein Gepäck durchwühlte. Ich sagte ihm: Ich bin im Transit und er zeigte in den Himmel und antwortete Samolot transit. Was anders heisst nur im Flugzeug wirst Du nicht kontrolliert wenn Du ein fremdes Land durchquerst. Auch das scheint heute nicht mehr zu gelten.

  • am 26.05.2021 um 12:31 Uhr
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    Was hätten die «Qualitätsmedien» wohl geschrieben, welche Headlines hätten sie benutzt, wenn die Regierung Trump und nicht der Friedensnobelpreisträger Obama das veranlasst hätte?

  • am 26.05.2021 um 13:05 Uhr
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    Ein Bravo an Infosperber und an Herrn Gasche!

  • am 26.05.2021 um 14:39 Uhr
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    Kriegstreiber, Propaganda, Lügen, Kriege welche nie enden. Die ältesten historischen Schriften zeugen davon, es war noch nie anders. Sogar wenn genug Ressourcen da sind, die welche den Krieg begehren, gab es schon immer. Marshall Rosenberg zeigte mit seiner Arbeit auf, das alle Menschen die gleichen Bedürfnisse haben, und das nur die Strategien, wie wir diese erfüllen wollen, uns unterscheiden. Dazu braucht es Gesetze, welche definieren, welche Strategien erlaubt sind, der nationalen Kultur, Moral und Machtstruktur zuträglich, und welche Strategien verboten sind. Das diese Gesetze leider nicht den besten Werten entsprechen, wie wir sie kennen, führt zu den Unterschieden, Konflikten und Kriegen, die uns bekannt sind. Macht kann lustvolle Emotionen nach sich ziehen, beim weiter entwickelten Menschen jedoch den Wunsch, dem Wohlergehen aller zu dienen. Alles was man mit Gewalt erreicht, kann man nur mit neuer Gewalt behalten. Die Schweiz täte gut daran, wieder zur Neutralität zurück zu kehren, die oft gleichgeschalteten Medien zeigen pro Amerikanische Züge und Propaganda. Doch wenn die Grossmächte loslegen, werden wir der Usa egal sein, ein kleines Bauernopfer auf der Weltbühne. Man erinnere sich an 1940. Absolute Neutralität und ein absoluter Friedenswille, das ist das einzige richtige für unser Land, und wäre es auch für diese Welt. Dann könnte sich auch Henry Dunant im Grabe wieder auf den Rücken drehen.

  • am 26.05.2021 um 15:21 Uhr
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    Es ist gut und wichtig, Gleiches mit Gleichem zu vergleichen! – Danke InfoSperber!!!

    Es ist nicht nur die «sachliche» Ungleichbehandlung der Täter-Regime, es ist auch eine völlig ungleiche Stimmungmache.
    Unser SRF hatte heute Lokaschenko auch stimmungsmässig blöd dargestellt, der wisse halt nicht, wie e-mail-Provider und deren Firmensitze funktionierten.

    Es genügt vollauf, die Begebenheiten sachlich und ohne «Framing» darzutun, nichts beschönigen und nichts verschlimmern. Das wäre guter Journalismus!

    Von einer seriösen Redaktion in unserem obligatorischen Dienst müsste guter Journalismus gefordert werden dürfen! Seriöser Journalismus könnte doch auch beleuchten, WELCHES Regime von WEM Provisionen annimmt und welches nicht!
    Bekannt durch «freie Medien» ist, dass das Regime Lukascheko die angebotenen Schmiergelder von GAVI & Co abgelehnt hätte. Kein Thema für SRF, demnach als Bestätigung Lukaschenko’s Unkäuflichkeit zu interpretieren, ist doch sehr interessannt, wer sich nicht kaufen lässt, der wird in den Westwertmedien kritisiert.
    Das lässt tief blicken, ist nur ein Hinweis, kein Blanco-Check für die Diffamierten.

  • am 26.05.2021 um 18:21 Uhr
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    Wenn zwei das Gleiche tun, ist es eben nicht dasselbe… Ich finde es gut, dass der Info Sperber auf die erzwungene Landung des Flugzeuges mit dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales aufmerksam machte. 2013 vermutete man Edward Snowden befinde sich im Flugzeug mit Morales und wollte ihn verhaften wie jetzt den Oppositionellen in Minsk. Snowden Datenspezialist und Geheimnisträger für NSA und des CIA Geheimdienstes deckte auf, dass die US-Regierung heimlich das Ziel verfolgt, jeden Anruf, jede SMS und jede E-Mail zu überwachen. Das Ergebnis: Eine nie dagewesenes System der Massenüberwachung, mit dem das Privatleben jeder einzelnen Person auf der Welt durchleuchtet werden kann. Siehe dazu das Buch: «Permanent Record» von Edward Snowden.
    Auch die unmenschliche Behandlung von Julian Assange führte nicht zu Sanktionen gegen Grossbritannien, trotz dem Bericht des UNO-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer. Das Verbrechen von Julian Assange: Er deckte Kriegsverbrechen der USA auf. Als Assange Ecuador nach jahrelangem Botschaftsasyl der britischen Polizei überstellte, verlangten die USA sofort seine Auslieferung und drohten ihm mit 175 Jahren Haft. Siehe dazu das Buch: «Der Fall Julian Assange, Geschichte einer Verfolgung – Der spektakuläre Report des UNO-Sonderberichterstatters für Folter», von Nils Melzer.

  • am 26.05.2021 um 19:09 Uhr
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    Wann werden endlich alle Gangster gleich behandelt, resp. bestraft?!

  • am 26.05.2021 um 19:14 Uhr
    Permalink

    Merci pour le rappel. Il est toujours plus facile de sanctionner le faible, profitant de la situation pour regonfler son ego.

  • am 26.05.2021 um 21:05 Uhr
    Permalink

    Wir -die Guten- haben Zähne
    lächelnd, strahlend im Gesicht.
    Doch die Bösen wetzen Messer
    mit grund-hässlichem Gesicht !

    Rot ist eine warme Farbe
    die der Gute gern geniesst.
    Doch wird schrecklich diese Farbe
    wenn ein Böser Blut vergiesst !

    Täglich fliesst auf unsrer Erde
    rotes Blut als Friedens-Dienst.
    Zum Bedauern all der Guten-
    was der Böse gar geniesst !

    Mancher gar – spurlos verschwunden
    später zurück im Folter-Camp.
    Dient es dem Frieden, warns die Guten –
    nur die Bösen suchen Krieg !

    Gar so mancher sich auflöste
    in des Marchflugs Pulverdampf !
    Per Befehl aus gutem Hause
    lässig – und ganz unverkrampft.

    Mackie Messer blieb im Dunkeln
    doch heut keiner scheut das Licht !
    Lasst die Bösen übel munkeln.
    uns, die Guten, stört das nicht !

    Wolf Gerlach, Ingenieur

  • am 29.05.2021 um 06:35 Uhr
    Permalink

    “Weisser Mann spricht mit gespaltener Zunge”.

    Leider hat sich in dieser Hinsicht nicht viel verbessert. Moral ist ein schwieriges Fach und die “liberalen Demokratien” (Selbsteinschätzung derselben) sind nicht speziell gut darin. Mit gefährlichen Dissidenten gehen auch diese nicht fürsorglich um, wie die Fälle Assange und Snowden eindrücklich belegen.

    Man muss Lukashenko nicht mögen müssen um Zweifel zu haben, ob es den Weißrussen im speziellen und der Welt im Allgemeinen dient, wenn der Westen den Regime Change in Belarus weiterhin voran treibt. Die Ukraine sollte als Negativbeispiel eigentlich reichen um die Frage zu beantworten.

    Zur Einleitung von Gasches Artikel möchte ich anmerken, dass sich die präsentierte Prämisse nicht auf internationales Recht abstützt. Die Chicago Konvention von 1944 bekräftigt die Souveränität eines Landes über seinen Luftraum und sieht für Flugzeuge eine Landepflicht auf Verlangen vor. Damit handelten sowohl die Europäer 2013, als auch Belarus 2011 grundsätzlich rechtens. Hingegen war die von der US Marine erzwungene Landung einer Egypt Air Maschine in Sizilien eine klare Verletzung internationalen Rechts. Konsequenterweise hat Italien damals die angeblichen Terroristen aus US Hand befreit und laufen gelassen.

  • am 6.06.2021 um 10:51 Uhr
    Permalink

    Lukaschenko ist der gewählte Präsident, da kann sich der Wertewesten auf den Kopf stellen und mit den Füßen wackeln. Das haben Wahlbeobachter vieler Länder bestätigt. Die EU wollte niemand schicken klar, sonst muß man ja zugeben, daß es nicht besser oder schlechter als im Wertewesten lief. Sogar die Opposition hat den Wahlsieg Lukaschenkos akzeptiert.
    Also bitte Schluß mit den unseriösen Wertungen wie ‹Regime› o. ä. Das hat der Infosperber nicht nötig!
    Zur weiteren Information über die Vorgänge:
    Das Interview mit Protassewitsch ist mitsamt einer Einordnung bei Thomas Röper, anti-spiegel.ru nachzulesen. Lang aber lesenswert.

  • am 8.06.2021 um 05:08 Uhr
    Permalink

    Wahnsinn. Einmal mehr ist Infosperber das einzige deutschsprachige Medium, dem diese Beobachtung eine Meldung wert ist. Sind die anderen Journalisten so dumm/ignorant/vergesslich/ahnungslos, oder was treibt sie zum schweigen? Ich will hier keine Verschwörungstheorie unterstützen, ich will Antworten. Könntet ihr bei IS nicht Journalisten von anderen Medien interviewen und fragen, wie die das erklären?

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