Gaza thenews2

Eine Mutter in Gaza trauert. © thenews2/Depositphotos

Unerträgliche Heuchelei von Macron, Starmer und von der Leyen

Urs P. Gasche /  Sie reden von Anerkennung eines palästinensischen Staates und einer Zweistaatenlösung – alles für die Galerie, um nichts zu tun.

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Kommentar von Urs P. Gasche

Westliche Regierungen schauen mit verschränkten Armen zu, wie Israel in Gaza ein Kriegsverbrechen nach dem anderen begeht: ethnische Vertreibung im grossen Stil, systematische Missachtung des humanitären Völkerrechts.

Netanyahus Rachefeldzug hat bereits über 60’000 Tote gefordert, doppelt so viele Schwerverletzte – darunter unzählige Kinder, Frauen und Alte. 80 Prozent aller Häuser in Schutt und Asche. Hunger, Seuchen, traumatisierte Generationen.

Die Hamas ist längst zerschlagen, eine reale Gefahr für Israel existiert nicht mehr. Doch Netanyahu will Gaza weiter dem Erdboden gleichmachen, seine rechtsextremen Minister träumen offen von der Vertreibung aller Palästinenser, damit Siedler den Küstenstreifen kolonisieren können.

Und Europa? Nichts als beschämendes Schweigen, verbrämt mit wohlklingenden Worthülsen. Statt Taten nur wohlfeiles Gerede, um die eigene Zivilgesellschaft zu beruhigen. Kein Druck, keine Konsequenzen – jedenfalls fast keine.

Bei diesem heuchlerischen Spiel machen grosse Medien mit. Sie verbreiten unkritisch, dass Präsident Macron und die Premierminister Starmer und Carney einen palästinensischen Staat anerkennen wollen. Währenddessen mimt Netanyahu in den Schlagzeilen den wütenden Gegenspieler. In Kommentaren erörtern grosse Medien lediglich, ob die Anerkennung eines palästinensischen Staates zu begrüssen oder abzulehnen sei. Auch Bundesrat Ignazio Cassis wird entsprechend bedrängt.

Eine groteske Inszenierung: Sie lenkt davon ab, dass Israel die Zwei-Staaten-Lösung längst sabotiert hat: fortgesetzte Besatzung, illegale Siedlungen, jüngst sogar neue Ankündigungen zur Landnahme – und keinerlei westliche Sanktionen.

Wenn also heute Macron, Starmer, Carney und von der Leyen publikumswirksam eine Zweistaatenlösung fordern, ist dies zynisch. Sie haben nie etwas getan und tun noch heute nichts, um Israel im Westjordanland und in Gaza zu stoppen. Ihre «Forderungen» sind nichts als Heuchelei.

Immerhin: Kanzler Friedrich Merz hat kürzlich deutsche Waffenlieferungen eingeschränkt. Das war überfällig, weil Israel rund ein Drittel seiner schweren Waffen ausgerechnet aus Deutschland bezieht. Den Rest aus den USA. 

Andere europäische Staaten liefern zwar keine schweren Waffen, verfügen aber über zahlreiche andere Hebel, die bei anderen Konflikten immer wieder zum Einsatz kommen – nur nicht bei Israel.

Möglich sind insbesondere:

  • Sanktionen gegen Personen und Unternehmen.
  • Zölle auf israelischen Waren.
  • Exportbeschränkungen für Güter, die Israel auch für die Rüstung verwenden kann (dual-use).
  • Eine Wiedereinführung der Visumsplicht für israelische Beamte, Vertreter der Rüstungsindustrie – oder schlicht für alle Israelis. 

Erst seit 2011 können alle Israelis ohne Visum in den Schengenraum einreisen, obwohl Israel nicht Mitglied des Schengenraums ist. Allein schon eine Wiedereinführung der Visumspflicht würde in Israel massiven innenpolitischen Druck erzeugen.

Doch passiert ist bisher nichts – ausser dass Grossbritannien, Norwegen, Kanada, Australien und Neuseeland im Juni 2025 ein paar Einreisesperren und Vermögensblockierungen gegen die beiden berüchtigten Rechtsaussen-Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir verhängt haben.

Eine kleine Hoffnung gibt es im Norden: Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen kündigte in den letzten Tagen an, sie möchte «mit Sanktionen – ob gegen Siedler, Minister oder gegen ganz Israel – politischen Druck ausüben». Sie sagte: «Wie im Falle Russlands möchten wir die Sanktionen so wählen, dass sie dort wirken, wo sie die grösste Wirkung erzielen.» Doch beschlossen hat Dänemark noch keine Sanktionen. Denn andere EU-Mitglieder würden Dänemark dabei «noch nicht» unterstützen, so Frederiksen.

Der stärkste Hebel liegt freilich in Washington. Ein Stopp der US-Waffenlieferungen brächte Netanyahus Regierung rasch zum Einlenken.

Fazit: Wer heute noch grossspurig von Anerkennung eines palästinensischen Staates oder einer Zweistaatenlösung schwadroniert, ohne gleichzeitig zu Sanktionen, Zöllen oder Visumspflicht zu greifen, ist nicht Friedensstifter, sondern Komplize.

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Gaza: Ein Trümmerhaufen

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Keine
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12 Meinungen

  • am 23.08.2025 um 11:56 Uhr
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    Danke für die klaren Worte!!!

  • am 23.08.2025 um 12:32 Uhr
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    „Doch Netanyahu will Gaza weiter dem Erdboden gleichmachen, seine rechtsextremen Minister träumen offen von der Vertreibung aller Palästinenser, damit Siedler den Küstenstreifen kolonisieren können.“ Ich lese immer wieder von Rechtsextremen in Israel. Wie kann das sein? Gerade dieses Volk, das so sehr unter Rechtsextremen gelitten hat, müsste seine Lektion doch gelernt haben. Ich weiß, es ist nur ein Detail hier, doch stößt mir das immer wieder auf und ich verstehe es einfach nicht.

    • am 25.08.2025 um 07:42 Uhr
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      Was ist denn Rechtsextrem?
      Waren Nationalsozialisten Rechtsextrem? Sozialisten sind doch eher links? Oder ist einfach der Name falsch?
      Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass Menschen oft dazu tendieren, wenn ihnen etwas schlimmes widerfahren ist, selbst dann genau das gleiche zu tun, sobald sie dazu in er Lage sind. Z.b. Kinder die in der Schule unterdrückt werden vom «Pausenhofschläger» können hintenrum dann ziemlich fies werden. Klar erklärt dies das nicht das Verhalten der Israelischen Regierung.
      Deutschland handelt ähnlich: Aus «Nie wieder Krieg!» wurde in vergleichsweise kurzer Zeit ein «Wir sind bereit russische Soldaten zu töten».
      Der Mensch handelt oft irrational oder Macht- bzw Interessengeleitet. Motiv, Gelegenheit und Mittel erklären viele davon.

  • am 23.08.2025 um 16:16 Uhr
    Permalink

    Die Hamas längst zerschlagen?
    Wer hält dann immer noch Geiseln gefangen? Eine andere Organisation, die zufälligerweise auch Hamas heisst?

    • am 24.08.2025 um 09:20 Uhr
      Permalink

      Lieber Herr Heierli, die Hamas hat schon lange keine Geiseln (Zivilisten) mehr, sondern nur noch Kriegsgefangene (männliche Soldaten). Wer Tagi & Co. liest, erfährt das jedoch nicht.

    • am 24.08.2025 um 09:27 Uhr
      Permalink

      Die Hamas ist als reale Gefahr für Israel zerschlagen, so hat Herr Gasche das geschrieben. Sogar der ehemalige Aussenminister Blinken hat anerkannt, dass die Hamas heute ebenso viele Kämpfer hat wie vor dem „Krieg“, ohne damit aber einen zweiten 7. Oktober ausführen zu können. Das unverhüllt erklärte Kriegsziel Israels ist der Genozid an den Palästinensern und ihre Vertreibung aus dem Gazastreifen, der für ein würdiges Leben oder für ein Leben überhaupt unbewohnbar gemacht wird. Westliche Politiker und Medienvertreter sind dabei zu Komplizen geworden. Mutige Anwälte und Staatsanwälte werden sie früher oder später zur Verantwortung ziehen, denn die von Israel begangenen Verbrechen verjähren nie, entsprechend auch nicht die Verbrechen der Komplizenschaft.

    • am 24.08.2025 um 17:49 Uhr
      Permalink

      ich denke nicht, dass es dafür eine Organisation mit bis zu 80.000 Mitgliedern braucht.

  • am 23.08.2025 um 18:53 Uhr
    Permalink

    Guter und mutiger Beitrag. Rein personell dürfte die Hamas übrigens gleich stark sein wie zu Beginn des Krieges, aber darum ging es ja auch nicht wirklich.

  • am 23.08.2025 um 19:49 Uhr
    Permalink

    SWI Swissinfo 05. Februar 2025 – 04:30: ««Riviera des Nahen Ostens»: Trump beansprucht Gaza für USA….Die rund zwei Millionen Palästinenser, für die der Gazastreifen ihre Heimat ist, sollen nach Trumps Willen künftig in anderen arabischen Staaten der Region leben…»

    Deutschlandfunk 26.06.2025: «Korruptionsverfahren Trump kritisiert Vorgehen von Israels Justiz gegen Netanjahu US-Präsident Trump hat ein Ende des Korruptionsverfahrens gegen den israelischen Regierungschef Netanjahu verlangt.»

    ZDFheute Nicola Albrecht 10.01.2025 | 04:20: «..wird Donald Trump als 47. Präsident der USA in die Geschichtsbücher eingehen – als erster verurteilter Straftäter im Amt.»

    Es wäre doch möglich , dass es eine Straf-Untersuchung geben könnte, ob US-Präsident Trump und der israelische Ministerpräsident Netanjahu verantwortlich sind für das Gaza-Desaster. Beide haben Problem mit Justiz und haben wohl erkannt: wir sind unantastbar während der Amtszeit.
    Gunther Kropp, Basel

    • am 24.08.2025 um 17:07 Uhr
      Permalink

      Herr Kropp, Sie sind etwas stark auf Trump fixiert. Die israelischen Militäraktionen begannen kurz nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023, also über ein Jahr lang mit der Unterstützung der Biden Regierung.

      • am 25.08.2025 um 07:49 Uhr
        Permalink

        @Thomas Fellmann, Thun
        SRF Am 7. Oktober 2023 08.10.2024, 12:18: «…hatten Bewaffnete der islamistischen Hamas und anderer Organisationen aus dem Gazastreifen im Süden Israels ein beispielloses Massaker verübt…Sie töteten rund 1200 Menschen und verschleppten weitere 250 als Geiseln in das abgeriegelte Küstengebiet…»

        Sie schreiben unteranderem: «Die israelischen Militäraktionen begannen kurz nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023,..» Der Überfall der Hamas war ein Massaker. 1200 Frauen, Kinder, Jugendliche, Männer wurden gejagt und erschossen, oder oder erst gequält, gefoltert und dann getötet. Möglich, dass es noch Zeitgenossen geben könnte, die meinen die israelische Armee hätte nach dem Massaker die Mörder-Verbrecher in Frieden lassen sollen.
        Auch möglich, dass es Ihnen entgangen sein könnte, dass Netanjahu die militärische Besetzung des Gaza-Streifen 2025 der Armee befohlen hatte. Die Frage ist wohl, weil Präsident Trump Gaza-Immobilien-Träume hat.

  • am 24.08.2025 um 00:01 Uhr
    Permalink

    Genau. Die genannten Forderungen sind zutreffend. Zölle auf israelische Produkte zu erheben, bedeutet Rücktritt vom Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Israel gemäss Rücktrittsklausel (Artikel 36.1). Handel mit Unternehmen, welche in völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen produzieren, ist zu verbieten, ebenfalls finanzielle Investitionen. Sogenannte gemeinnützige, steuerbefreite Institutionen unterstützen Investitionen des Jüdischen Nationalfonds in illegalen Siedlungen. Kohle ist ein Dual-Use-Gut, das auch militärischen Zwecken dient. 15% der israelischen Kohlenimporte werden von Glencore (Sitz in Baar/ZG) angeliefert (s. Bericht von Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der UN für die besetzten Gebiete).

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