Robert F. Kennedy Jr.

Mischt Robert F. Kennedy Jr. die Präsidentschaftswahl in den USA auf? © Jean_Nelson/Depositfotos

Trump, Biden – oder keiner von beiden?

Christof Leisinger /  Ist Robert Kennedy der Überraschungskandidat im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft? Viele Wähler mögen weder Biden noch Trump.

Glaubt man den aktuellen Einschätzungen der Medienlandschaft über den Ausgang der amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November des Jahres 2024, so hat Donald Trump schon so gut wie gewonnen. Der Kampagnen-gestählte Mann werde nicht nur die verschiedenen gegen ihn laufenden Prozesse wegen unterstellten Lug-, Betrugs- und Umsturzversuchen schadlos überstehen, sondern auch zum Kandidaten der Republikaner gekürt werden.

In diesem Fall werde er die Wahl gewinnen, denn:

  1. Bidens Schwäche sei Trumps Stärke. Der amtierende Präsident habe schon früh erklärt, wieder zu kandidieren und damit verhindert, dass andere potenzielle demokratische Kandidaten auf sich aufmerksam machen konnten.
  2. Trotz gewisser Erfolge überzeuge «Bidenomics» nicht. Selbst wenn im einstigen Rostgürtel heute Batterie- und Chips-Fabriken entstünden, komme der Wirtschafts-Boom in bestimmen Nischen bei vielen Wählern nicht an. Schliesslich habe Biden mit den gewaltigen Stimulierungsmassnahmen auf Kredit die Schulden und vor allem auch die Preise von Gütern und Dienstleistungen des täglichen Bedarfs zu stark nach oben getrieben.
  3. Auch die Demokraten sehnen sich nach einer Grenzmauer. Angesichts Hunderttausender Migranten, die unkontrolliert in das Land strömten, wünschten sich auch viele amerikanische Liberale eine bessere Befestigung der Grenze.
  4. Die politische Kultur habe sich verändert. Was einst als radikal galt, sei inzwischen vielfach akzeptabel geworden.

Solche Argumente sind offensichtlich so einleuchtend, dass geopolitische Analysten, Journalisten oder auch Anlagestrategen längst wie selbstverständlich darüber debattieren, was eine zweite Amtszeit Trumps bedeuten werde, statt auf die grossen Zusammenhänge zu achten. Dabei deutet sich längst an, dass viele amerikanische Wähler weder Biden noch Trump zum nächsten Präsidenten haben wollen: «Biden ist schlicht zu alt und zu schwach für den Job. Trump hat das emotionale Korsett eines Fünfjährigen mit vollen Hosen», bringen Einzelne das sich derzeit abzeichnende Dilemma zynisch auf den Punkt.

Grundkonstellation – wie gemacht für eine Überraschung

Diese Konstellation scheint wie gemacht für eine Überraschung. Immerhin deuten Umfragen an, dass sich die schweigende Mehrheit der amerikanischen Bürger möglicherweise von der traditionellen Parteibindung verabschiedet hat. Viele haben die dogmatische Spaltung zwischen linken Geldverschwendern und narzistisch-libertären Pöblern mit politischem Rechtsdrall satt und sehnen sich nach Alternativen. Provozierende Seher wollen nicht mehr völlig ausschliessen, dass sich das amerikanische Zweiparteiensystem überlebt hat und dass mit Robert F. Kennedy Jr. erstmals seit George Washington im 18. Jahrhundert wieder ein unabhängiger Kandidat Präsident werden könnte.

Der 69-jährige Umweltanwalt und Schriftsteller, Mitglied der bekannten, vermögenden Kennedy-Familie, hatte im April des vergangenen Jahres seine Kampagne für die Präsidentschaftswahlen 2024 in den Vereinigten Staaten für die Demokraten angekündigt und sich dann im Oktober zum unabhängigen Kandidaten proklamiert. Der Mann mit der seltsamen Stimme wird zwar medial gerne als Verschwörungstheoretiker in Zusammenhang mit der Impfstoffdiskussion während der Pandemie und in Fragen des öffentlichen Gesundheitssystems dargestellt, bleibt aber in Interviews ruhig, sachlich und faktenorientiert.

kennedy meinung
Robert F. Kennedy Jr. ist in Umfragen relativ beliebt. Grössere Auflösung der Grafik hier.

Er vertritt im Kern traditionell liberale, konservative und libertäre Ansichten, und er erhält viel Unterstützung von Unabhängigen, Jugendlichen und Menschen mit geringem Vertrauen in die etablierte amerikanische Politik und ihre Institutionen. Seine Kampagne wird von vielen Führungskräften der Technologiebranche im Silicon Valley getragen und in Umfragen schneidet er vor allem bei jüngeren Leuten relativ gut ab. Dagegen stösst er in der Kennedy-Grossfamilie auf breite Ablehnung.

Das hält RFK Jr, wie er kurz genannt wird, nicht davon ab, seine Karten geschickt auszuspielen. Mit Parteigründungen zum Beispiel umgeht er in verschiedenen amerikanischen Bundesstaaten die Regelung, wonach unabhängige Kandidaten eine bestimmte Mindestzahl von Unterschriften von Sympathisanten vorweisen müssen, um auf den Wahlzettel zu gelangen. In New Hampshire und Utah ist ihm das bereits gelungen, in einer Reihe weiterer Staaten wie etwa Delaware, Georgia, Mississippi, Wyoming, Montana, Arizona, Nevada oder auch Kalifornien scheint er auf bestem Weg zu sein – falls man dem Verlauf auf einer extra angelegten Website namens «Zugang zu den Wahlurnen» glaubt.

Im Extremfall droht ein gewaltiger verfassungsrechtlicher Spiessrutenlauf

So kommt es, dass sich die Wahlstrategen in Washington langsam ernstere Gedanken über Robert F. Kennedy machen. Sie sind zwar gemeinhin der Ansicht, dass er die Wahl nicht gewinnen könne. Aber seine Ideen könnten einen Einfluss auf den Abstimmungsverlauf haben, indem sie enttäuschte Trump- und Biden-Wähler abspenstig machen. Der Mann habe beachtliche Zustimmungswerte, sei bei der Mittelbeschaffung überlegen und ziehe all jene an, welche die beiden anderen Kandidaten nicht ertragen könnten.

Kennedys Strategie könne dazu führen, dass im Fall der Fälle weder Trump noch Biden die 270 Stimmen der in den einzelnen Gliedstaaten bestimmten «Wahlmänner» erringen werden, die laut Verfassung für einen Wahlsieg erforderlich sind. Ohne klare Entscheidung würde es zu einem komplexen Abstimmungsverfahren im Senat und im Repräsentantenhaus kommen, dessen Resultat davon abhängen würde, welche Partei diese Gremien kontrollieren wird.

Falls niemand die erforderlichen 270 Stimmen erhält, könnten nach Einschätzung von Fachleuten gerade einmal 37 Stimmen des Wahlmännerkollegiums ausreichen, um Kennedy zum Präsidenten zu machen und um auf diese Weise das Ende des aktuellen Parteiensystems in Amerika zu besiegeln. Selbst falls Trump oder Biden die nötigen Wahlmänner-Stimmen erhielten, könnte Kennedy bei den Volksabstimmungen so gut abschneiden, dass seine dritte Partei zu einer echten Kraft im politischen Dialog der USA würde.

Das mag zwar angesichts der enormen politischen Spaltung in der Vergangenheit und im Hinblick auf die Lösung der prekären finanzpolitischen Verhältnisse wünschenswert sein – auch für die Schweiz, die regen Handel mit den Amerikanern betreibt und die über die Nationalbank Milliarden in den USA investiert hat. Skeptiker dagegen warnen in diesem Fall vor einem gewaltigen verfassungsrechtlichen und juristischen Spiessrutenlauf.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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4 Meinungen

  • billo
    am 14.02.2024 um 11:12 Uhr
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    Ich verfolge Kennedys Wahlkampf seit geraumer Zeit. Er ist zwar nicht mein Wunschkandidat; aber angesichts der realen Auswahl hätte er meine Stimme, und ich hoffe, dass sehr viele Wahlberechtigte in den USA das auch so sehen.

  • am 14.02.2024 um 11:19 Uhr
    Permalink

    Es ist ja wirklich mehr als beschämend für ein derart grosses Land wie die USA, dass sie keine geeigneten Kandidaten finden können, schliesslich zählen die Einwohner über 331 Millionen.

  • am 14.02.2024 um 13:27 Uhr
    Permalink

    Klar die beste Möglichkeit, in meinen Augen, für die kommende Wahl. Aber so sehr ich viele seiner Ansichten teile, schaffe ich es kaum mehr als 30 Sekunden, ihm zuzuhören. Wird leider wohl vielen so gehen.

  • am 14.02.2024 um 19:52 Uhr
    Permalink

    Hat Herr Leisinger auch mitbekommen, wie sich RFK jr. zum Konflikt Israel/Palestina geäussert hat. Für mich ist RFK j. gestorben!

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