Sperberauge

SRF vs. ARD: Der türkische Angriffskrieg gegen Irak und Syrien

Sperber © Bénédicte Sambo

Red. /  Über Tote nach Schiesserei oder Attentat informiert die SRF-Tagesschau ausgiebiger als über völkerrechtswidrige Kriegshandlungen.

upg. Lediglich 34 Sekunden lang informierte die Hauptausgabe der SRF-Tagesschau am 20. November (erst ab Minute 10’53) über «eine neue Militäroffensive» und «Luftangriffe» der Türkei gegen kurdische Stellungen im Irak und im Norden Syriens. Die Türkei mache die PKK und die YPG für den Bombenanschlag in Istanbul verantwortlich.

Kein Wort davon, dass die beiden Organisationen der Kurden jegliche Beteiligung an den Anschlägen verneinten. Kein Wort davon, dass auch syrische Soldaten getötet und ein Spital bombardiert wurden. Und kein Wort davon, dass diese «Militäroffensive» völkerrechtswidrig ist und deshalb einen Angriffskrieg darstellt. Selbst falls man das Argument der «Selbstverteidigung» gelten liesse, müssten militärische Schläge gegen die Nachbarstaaten Irak und Syrien vom UN-Sicherheitsrat bewilligt werden.

Über drei Anschläge in Israel mit elf Toten berichtete die SRF-Tageschau am 30. März viermal so lange, über einen Anschlag in Mogadischu mit 20 Toten mehr als doppelt so ausführlich.

Im Folgenden der vollständige Wortlaut der Informationen des SRF (ab Minute 10’53) und der ARD (ab Minute 5’10) am Abend des 20. Novembers. Es ist zu berücksichtigen, dass die ARD-Tagesschau nur eine Viertelstunde dauert.

Private Fernseh- und Radiosender der Schweiz informierten noch knapper darüber als SRF.


Transkript SRF Tagesschau Hauptausgabe 20.11.2022 (34 Sekunden)

«Die Türkei hat eine neue Militäroffensive gegen kurdische Stellungen im Irak und in Nord Syrien lanciert. Die Luftangriffe richteten sich laut Ankara gegen militärische Einrichtungen der PKK und der syrischen Kurdenmiliz YPG. Mindestens 31 Menschen sollen getötet worden sein, so die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die türkische Regierung macht die beiden Organisationen für den Bombenanschlag in Istanbul verantwortlich, bei dem am vergangenen Sonntag sechs Menschen starben.»


Transkript ARD Tagesschau Hauptausgabe 20.11.2022 (2 Minuten und 18 Sekunden)

«Die Türkei hat massive Luftangriffe gegen kurdische Stellungen in Nordsyrien und im Nordirak geflogen. Nach Angaben syrischer Menschenrechtler wurden dabei vergangene Nacht mindestens 30 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. Die Einsätze richteten sich gegen die Kurdenmiliz YPG und gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK. Die türkische Regierung macht die PKK verantwortlich für den jüngsten Anschlag in Istanbul mit sechs Toten. Gegen 23:00 Uhr starten türkische Kampfflugzeuge – wenig später Einschläge in der nordsyrischen Region Kobane.
Aus Ankara heisst es, die Luftwaffe greife Stellungen der als Terrororganisation eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei PKK beziehungsweise des syrischen Arms YPG an. In dieser Szene soll der türkische Präsident seinem Verteidigungsminister Hulusi Akar den Befehl für den Angriff gegeben haben. Bis zum Vormittag setzt die Luftwaffe die sogenannte Operation Klauen-Schwert fort.
Offenbar handelt es sich um die Vergeltung für den Terroranschlag vergangenen Sonntag auf der Istiklal-Strasse in Istanbul. Ankara machte umgehend PKK und YPG verantwortlich, die Kurdenmilizen dementierten jedoch, hinter dem Anschlag zu stecken.
Erdoğans Sprecher Ibrahim Kalin schreibt im Kurznachrichtendienst Twitter, es sei die Zeit gekommen, um für den Anschlag auf der Istiklal-Strasse abzurechnen. Am türkisch-syrischen Grenzübergang Öncüpinar sind am Nachmittag mehrere Granaten eingeschlagen. Dabei wurden laut Medienangaben ein türkischer Soldat und 7 Polizisten verletzt.
Die Kundenmiliz kooperiert in Nordsyrien seit Jahren mit US-Streitkräften im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat. Die Türkei kritisiert die Kooperation scharf. Zuletzt lieferten sich türkische Streitkräfte und die YPG im Jahr 2019 acht Tage lang erbitterte Gefechte. Zuvor hatte sich die US-Armee zurückgezogen.» 

Es folgt ein Kommentar des ARD-Korrespondenten in der Türkei:

«Ein gutes halbes Jahr vor den Wahlen in der Türkei droht eine gefährliche Gewaltspirale. Der in Umfragen zurückliegende Präsident Erdoğan spekuliert möglicherweise auf einen Stimmenzuwachs, wenn seine Armee der Kurdenmiliz empfindliche Verluste beibringt. In der Vergangenheit ging diese Rechnung auf.» 

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Transkript der Sendungen von Pascal Derungs


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

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5 Meinungen

  • am 22.11.2022 um 13:18 Uhr
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    Ich konsumiere seit 20 Jahren kein Schweizer Fernsehen mehr, mit einigen wenigen Ausnahmen wie Sternstunde Philosophie oder andere Inhalte mit Bildungscharakter. Unlautere Werbung, Propaganda und verzerrende Inhalte, so empfinde ich den Lobby-Sender, oben drauf noch etwas Zwangs-positivismus und eine rosarote Brille, das brauche ich nicht.

  • am 22.11.2022 um 14:20 Uhr
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    Völkerrechtswidrig sind momentan alle Kriege. Spätestems in der 90igern mit dem Eingriff in Jugoslawien hat die Nato ihre Unschuld verloren und hat bis heute nichtsdaraus gelernt. So sind auch alle Kriege danach, auch die so genannten nineeleven Kriege allesamt Völkerrechtswidrig. So auch neben dem Russischen Militäreinsatz, auch das Türkische taktieren in Syrien und dem Irak oder der Saudis im Jemen.
    Aber auch die Sanktionspolitik der USA und der EU ist Völkerrechtswidrig.
    Mir ist schleierhaft warum überhaupt nochjemand das Wort Völkerrecht in den Mund nimmt, halten tut sich doch niemand mehr daran.
    Achso, die Drohenangriffe der USA fallen schlicht u dergreifend unter Mord, woran auch Deutschland mit seiner Unterstützung durch Ramstein mit beteiligt ist. Aber auch das ist mittlerweile gesellschaftsfähig geworden….

  • am 22.11.2022 um 15:02 Uhr
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    Der Sendauftrag für SRF lautet: «Radio und Fernsehen tragen zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung bei». Doch die Einseitigkeit der geopolitischen SRF-Berichterstattung ist kaum zu überbieten. SRF versteht sich nicht als Meinungsbildner, sondern als Meinungsmacher. Anstatt Information und Meinung zu trennen, werden beide vermischt. Schaden nimmt die Bildung des Volkes, die Demokratie und unsere Neutralität. Der Schaden ist auch nicht reparierbar, denn wenn einmal der Wurm in einem Dienstleistungsunternehmen steckt, muss man neu anfangen. Das Traurige für uns Bürger ist, dass man sich über andere Medien informieren muss, um sich eine eigene Meinung bilden zu könnte, weil man dem eigenen Sender nicht trauen kann.

  • am 22.11.2022 um 18:47 Uhr
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    Die Tagesschau von SRF ist kaum mehr zu schauen. Längst weicht man auf die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland aus, vor allem auf das Heute Journal im ZDF mit seinen oftmals brillianten Interviews, aufgezeichnet kurz vorher oder direkt gesendet. Natürlich hinkt der Vergleich, weil die grossen Qualitätsunterschiede auch den Ressourcen geschuldet sind. Die deutschen Teams hinter der Moderation sind grösser und ungleich (aus-)gebildeter. Deswegen müsste das SRF professioneller werden, die Beiträge anders gewichten: weniger Sport, weniger politische Nabelschauen (zugunsten der SVP) und ganz weg von der Folklore (auch beim Design), dafür mehr Internationalität und Weltpolitik. Doch dafür bräuchte es kompetenteres Personal, das kostet. Insofern verdient das SRF grosszügigere Unterstützung und keine Sparmassnahmen.

  • am 23.11.2022 um 17:54 Uhr
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    Der Bericht der ARD hat schon wesentlich mehr Substanz.
    Ist SRF bewusst Erdogan-freundlich, oder hält man dort den Angriff nicht für so bedeutsam? Ich vermute eher, dass zweiteres zutrifft. Das macht es aber auch nicht besser. Es ist doch brisant, was sich ein Staat, der Nato-Mitglied ist und EU-Mitglied werden will (wollte?), so alles leistet…

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