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Kontrahenten im Wahlkampf: Ex-General Prabowo (links) und Gouverneur Jokowi (rechts) © mrdeka.com

Ex-General gegen Mann des Volkes

Peter G. Achten /  Die Präsidentschaftswahl vom 9. Juli ist ein Härtetest für die Demokratie Indonesiens. Das hat sich bereits im Wahlkampf gezeigt.

Am 9. Juli wählen 187 Millionen Wahlberechtigte in Indonesien einen neuen Präsidenten. Es sind die dritten Präsidentschaftswahlen in der noch jungen Demokratie. Der amtierende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono darf nach zwei fünfjährigen Amtszeiten nicht mehr kandidieren.
Die Parlamentswahlen im April waren das von der Verfassung gesetzte Vorspiel zur Kürung des Präsidenten. Sie sind deshalb wichtig, weil als Präsident nur jemand kandidieren kann, dessen Partei 20 Prozent der 560 Sitze im Unterhaus oder 25 Prozent des Volksmehrs gewonnen hat.
Der unbestechliche Pragmatiker
Die hoch favorisierte «Partei des Demokratischen Kampfes» (PDI-P) konnte ihr Potential bei den Wahlen im April nicht abrufen, wurde aber dennoch mit etwas über 19 Prozent der Stimmen stärkste Partei. Die PDI-P mit ihrem populären Spitzenkandidaten Joko Widodo – dem auf nationaler Ebene noch unverbrauchten Gouverneur von Jakarta – fand bald einen zuverlässigen Koalitionspartner. Nicht von ungefähr erkor er darauf den 72-jährigen Jusuf Kalla zu seinem Vizepräsidentschafts-Kandidaten. Kalla war bereits unter Präsident Yudhoyono von 2004 bis 2009 Vizepräsident und zuvor im Umfeld des ehemaligen autoritären Präsidenten Suharto gut vernetzt. Er kennt also die hochkomplexe Struktur der indonesischen Politik wie kein zweiter.
Der 51-jährige Joko Widodo, den die meisten in Indonesien mit seinem Spitznamen Jokowi rufen, war ursprünglich Möbel- und Immobilienhändler. In den letzten zehn Jahren hat er sich in einer steilen Karriere als erfolgreicher Politiker profiliert. Als integrer Bürgermeister der Stadt Solo-Surakarta feierte er erste Erfolge, löste pragmatisch Probleme und stieg vor zwei Jahren zum Gouverneur der Megalopolis Jakarta auf. Er blieb einfach, volksnah, unkompliziert und vor allem unbestechlich – alles eher seltene Qualitäten bei Indonesiens Politikern. Von den Wählerinnen und Wählern wird er deshalb als Politiker einer neuen Generation wahrgenommen.
Ruf nach dem starken Mann
Widodos Gegenspieler ist nicht zu unterschätzen. Der ehemalige General Prabowo Subianto ging mit seiner von ihm gegründeten Partei Gerindra in die Parlamentswahlen und wurde mit 12 Prozent der Stimmen drittstärkste Kraft auf dem Archipel der 5000 Inseln. Prabowo kennt sich im indonesischen Politikuniversum bestens aus. Sein Vater war Wirtschaftsminister. Als ehemaliger Schwiegersohn des jahrzehntelang autoritär herrschenden Präsidenten Suharto kennt er Indonesiens Machtelite aus dem EffEff. Auch in der Armee bekleidete Prabowo höchste Posten, nicht zuletzt als Kommandant der berüchtigten Sondereinheit Kopassus. Was dem ehemaligen General im Präsidentschaftswahlkampf zugute kommt, ist der da und dort wieder vermehrt laut gewordene Ruf nach einem starken Mann. Auch hat Prabowo als General die einflussreiche Armee hinter sich. Nicht von ungefähr rief der abtretende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono – auch er ein ehemaliger General – die Streitkräfte und die ihr unterstellte Nationalpolizei dazu auf, im Wahlkampf strikt neutral zu bleiben.
Sowohl Parlaments- auch als Präsidentschaftswahlen sind in Indonesien auf Personen ausgerichtet. Zwar gibt es auch Parteiprogramme, doch gleichen sich die Agenden der Parteien fast wie ein Ei dem andern. Alle sind nationalistisch ausgerichtet – «Merdeka!» (Unabhängigkeit) ist an Wahlveranstaltungen landauf, landab ein markanter Slogan. Natürlich wird auch der Korruption der Kampf angesagt. Doch nur wenige Indonesierinnen und Indonesier glauben den Politikern in dieser Sache auch nur ein einziges Wort. Bei Jokowi Widodo könnte sich das jetzt ändern, hat er doch schon als Bürgermeister von Solo und dann seit 2012 als Gouverneur von Gross-Jakarta seine Unbestechlichkeit in der täglichen Praxis unter Beweis gestellt.
Hässliche Schlammschlacht
Noch vor etwas mehr als einem Monat lag Widodo nach repräsentativen Meinungsumfragen klar in Führung. Allerdings hatten sich damals 40 Prozent der Befragten noch für keinen der beiden Kandidaten entschieden. In der Zwischenzeit ist der Vorsprung Widodos stark geschmolzen. Der Wahlkampf entwickelte sich in den letzten Wochen zu einer wüsten Schlammschlacht. Dem Muslim und Javanesen Widodo wurde vorgeworfen, er sei ein Chinese christlichen Glaubens. Im grössten moslemischen Land der Welt mit 220 Millionen sunnitischen Moslems und einer verschwindenden Minderheit von ethnischen, im Geschäftsleben mächtigen Chinesen ist das eine harte Attacke. Die Partei des Demokratischen Kampfes stellte die falsche Behauptung sofort richtig und publizierte ein Bild Widodos und seiner Frau aus dem Jahre 2003 auf einer Haj-Pilgerreise nach Mekka.
Auch Kandidat Prabowo wurde Ziel von Verleumdungen. Es wurde ihm fälschlicherweise Nähe zu Osama bin Laden unterstellt und behauptet, er sei jordanischer Bürger. Als zutreffend stellte sich hingegen die Kritik an seinen menschenrechtswidrigen Aktionen als Kommandant der Sondereinheit Kopassus heraus. Sein ehemaliger Chef, General Wiranto, bestätigte die Fakten. Darauf konterten Prabowos Wahlkampf-Manager, Wiranto sei im Lager Widodos und deshalb unglaubwürdig.
Grosser Einfluss des Fernsehens
Der Wahlkampf wird vom Fernsehen angeheizt. In Indonesien noch wichtiger als die sozialen Medien, beeinflussen die privaten TV-Stationen massiv die Wahrnehmung der beiden Kandidaten. Und hier ist Ex-General Prabowo eindeutig im Vorteil. Über die Hälfte aller Indonesierinnen und Indonesier werden von Sendern der zwei mächtigsten, Prabowo-nahen Medien-Mogule bedient. Widodo hingegen kann nur auf kleinere Sender zählen. In Zahlen ausgedrückt: Pro-Widodo TV-Veranstalter decken nur knapp 10 Prozent der Fernsehzuschauer ab, während das pro-Prabowo-Lager auf über 50 Prozent kommt.
Wie wichtig das Fernsehen im Präsidentschaftswalkampf ist, zeigen Zahlen der Marktforschungs-Gruppe Nielsen Indonesia. Die elf privaten Fernsehstationen Indonesiens erreichen satte 95 Prozent der 240 Millionen Einwohner. Zeitungen bringen es hingegen nur auf 12 Prozent, die sozialen Medien auf etwas über 20 Prozent. Die Wichtigkeit der Massenmedien wird durch die Tatsache unterstrichen, dass zwar die meisten Indonesierinnen und Indonesier auf den Inseln Java und Sumatra leben, Dutzende von Millionen aber über ein riesiges Insel-Archipel zerstreut sind.
Kopf-an-Kopf-Rennen
Die indonesischen Fernsehsender sind nach Vorgaben der staatlichen Rundfunkkommission zur Unabhängigkeit und politischen Neutralität verpflichtet. Allerdings ist davon in der Wahlkampf-Berichterstattung hüben wie drüben wenig zu spüren. Der scheidende Präsident Susilo Bambang Yudhoyono sagte schon zu Beginn des Wahlkampfes: «Ich hoffe, dass die Presse und die Medien sich um genaue und konstruktive Berichterstattung bemühen.» Er fügte jedoch sofort hinzu: «Es ist einfach, das zu sagen, aber vielleicht ist es weniger einfach für die Presse- und Medienbesitzer, das auch zu tun.»
Kurz vor der Wahl sagen indonesische Beobachter und Beobachterinnen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Die letzten Meinungsumfragen vom 30. Juni prognostizieren 46 Prozent der Stimmen für Jokowi und 42,6 Prozent für den General. Da im statistischen Fehlerbereich also eine hauchdünne Entscheidung. Die Hürden sind hoch. Der Gewinner muss 50 Prozent der Stimmen plus eins erhalten und er muss in mehr als 17 Provinzen mindestens 20 Stimmenprozente erzielen. So könnte es durchaus zu einem zweiten Wahlgang kommen, der am 9. September stattfinden würde.
Indonesien als Vorbild
Wie auch immer die Wahl ausgehen wird, die indonesische Demokratie hat sich seit dem Fall der autoritären Herrschaft Suhartos vor 16 Jahren bemerkenswert stabil entwickelt. Indonesien ist in einer Region mit wenigen und unstabilen, zum Teil «gelenkten» Demokratien (Thailand, Kambodscha, Malaysia, Burma oder Singapur) inzwischen ein Vorbild. Auch die viel diskutierte Frage, ob denn ein grosses, komplexes Land demokratisch regiert werden könne, scheint Indonesien bei allen Problemen fürs erste positiv beantwortet zu haben.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine. Peter Achten arbeitet seit Jahrzehnten als Journalist in China.

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