Denis Kapustin.

Denis Kapustin: «Die Bezeichnung ‹Neonazi› stört mich nicht». © NBC

Es waren russische Neonazis, die russisches Gebiet besetzten

Red. /  Aktive Neonazis sind in der Ukraine eine kleine Minderheit. Doch wenn sie Russland angreifen, freut sich die Regierung in Kiew.

upg. «Für das ukrainische Militär sind rechtsextreme russische Freiwillige beunruhigende Verbündete», titelte die New York Times am 26. Mai. Vier Tage vorher war eine Gruppe von Kämpfern, die mit der Ukraine verbündet sind, vorübergehend von der Ukraine aus in Russland einmarschiert und haben nach eigenen Angaben kurzzeitig 42 Quadratkilometer russisches Territorium besetzt.

Eine Gruppe dieser Kämpfer lud am 25. Mai ausländische und lokale Pressevertreter an einem nicht genannten Ort ein. Ein New-York Times-Reporter war dabei. 

Die NYT zitierte den anwesenden Anführer der Gruppe, Denis Kapustin:

«Ich will beweisen, dass es möglich ist, gegen einen Tyrannen zu kämpfen, dass Putins Macht nicht unbegrenzt ist, und dass die russischen Sicherheitsdienste zwar Unbewaffnete schlagen, kontrollieren und foltern können, aber fliehen, sobald sie auf bewaffneten Widerstand stossen.»

Neben Kapustin sei ein Soldat gestanden, der den Neonazi-Aufnäher «Schwarze Sonne» auf die Uniform geheftet hatte. Kapustin und prominente Mitglieder des von ihm geleiteten bewaffneten Russischen Freiwilligenkorps verträten offen rechtsextreme Ansichten. Deutsche Beamte und humanitäre Gruppen, darunter die Anti-Defamation League, hätten Kapustin als Neonazi bezeichnet, berichtete die NYT.

In Deutschland und der Schweiz kein Unbekannter

Kapustin verwendet seit langem den Decknamen Denis Nikitin und benutzt häufig auch sein militärisches Rufzeichen White Rex. Das Netzwerk «White Rex» vertrieb laut «srf news» Kleidungsstücke einer eigene Kampfsportmarke, deren Gründer Denis Kapustin sei. Auf einem Youtube-Video sieht man, wie Kapustin der rechtsextremen «Partei national orientierter Schweizer» (Pnos) Kampftraining gibt. Die Partei löste sich 2022 auf.

Kapustin ist russischer Staatsbürger, der in den frühen 2000-er Jahren nach Deutschland zog. Dort schloss er sich einer Gruppe gewalttätiger Fussballfans an und wurde später – nach Angaben der Behörden des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen – «einer der einflussreichsten Aktivisten» einer Neonazi-Splittergruppe in der Mixed-Martial-Arts-Szene.

Titel im Tages-Anzeiger: «Partisanen gegen Putin»
Bezeichnung in der NZZ: «Ukrainisch-russische Freischärler»

Tamedia-Zeitungen berichteten über «russische Freiwillige», die ihre Heimat angegriffen hätten. Sie würden Seite an Seite mit der ukrainischen Armee kämpfen. Erst am Schluss ihres langen Artikels schreibt Zita Affentranger: «Der Chef der angeblichen russischen ‹Befreiungsarmee› soll Denis Kapustin sein, ein Rechtsradikaler, der zu White Rex gehört, einem russischen Neonazinetzwerk.»

Die NZZ schrieb über «ukrainisch-russische Freischärler inm Grenzgebiet».

Ziel ist ein Umsturz in Russland

Dass die Gruppe in der Ukraine aktiv ist, sei für die ukrainische Regierung unangenehm, meinte die NYT. Schliesslich habe der russische Präsident Wladimir Putin seine Invasion mit der falschen Behauptung gerechtfertigt, er bekämpfe Neonazis. 

Laut NYT wollen die meisten der antirussischen Gruppen eines Tages in ihre Heimat zurückkehren und die russische und belarussische Regierung beseitigen. «Das russische Freiwilligenkorps wird einmarschieren und die derzeitige Regierung stürzen – das ist der einzige Weg», sagte Kapustin.

Rechtsextreme Gruppen bilden in der Ukraine eine kleine, aber aktive Minderheit. Die ukrainische Regierung hat jegliche Beteiligung am Russischen Freiwilligenkorps oder an den Kämpfen auf der russischen Seite der Grenze bestritten. Kapustin sagte allerdings, dass seine Gruppe von den ukrainischen Behörden «definitiv sehr ermutigt» worden sei.

In Russland haben sich einige Mitglieder der extremen Rechten von Putins Regime abgewandt. Die Gründe: Putin habe viele Nationalisten inhaftiert. Und Putins Einwanderungspolitik würde Minderheiten wie beispielsweise ethnischen Tschetschenen zu viel Macht einräumen. 

Seit der Maidan-Revolution 2014 und dem darauffolgenden Krieg zwischen der Ukraine und den von Russland unterstützten Separatisten in der östlichen Donbas-Region haben sich viele russische Rechtsextreme in der Ukraine niedergelassen und kämpfen nun auf der Seite der Ukraine.

Das Russische Freiwilligenkorps, das auch unter seinen russischen Initialen R.D.K. bekannt ist, war laut NYT eine von zwei Gruppen antirussischer Kämpfer, die am 22. Mai einen grenzüberschreitenden Angriff in der Region Belgorod in Südrussland durchführten und zwei Tage lang feindliche Truppen angriffen.

Ziel der Angriffe war es nach Angaben der Gruppen, Moskau zu zwingen, Soldaten aus den besetzten Gebieten der Ukraine zur Verteidigung seiner Grenzen zu verlegen und seine Abwehrkräfte im Vorfeld einer geplanten ukrainischen Gegenoffensive zu verstärken – ein Ziel, das sich mit den allgemeinen Zielen des ukrainischen Militärs deckt.

Die zweite Gruppe steht unter der Aufsicht der ukrainischen Streitkräfte und wird von ukrainischen Offizieren befehligt. Es ist die Legion Freies Russland, die unter dem Dach der Internationalen Legion der Ukraine operiert. Dieser Truppe gehören auch amerikanische und britische Freiwillige an und ebenso Weissrussen, Georgier und andere. 

Auf der Pressekonferenz von Kapustins Kämpfer am 24. Mai habe Kapustin gesagt, dass seine Gruppe nicht von der ukrainischen Armee kontrolliert werde, dass aber das Militär den Kämpfern «viel Glück» gewünscht habe. 

«Alles, was wir tun, jede Entscheidung, die wir treffen, jenseits der Staatsgrenze, ist unsere eigene Entscheidung, was wir tun.» Natürlich könnten sie ihre Kameraden und Freunde um Unterstützung bei der Planung bitten, habe er weiter gesagt. «Sie würden ‹ja, nein› sagen, und das ist die Art von Ermutigung und Hilfe, von der ich gesprochen habe.» 

Diese Behauptung konnte die NYT nicht unabhängig überprüfen.

Die NYT zitierte Andriy Chernyak, einen Vertreter des ukrainischen Militärgeheimdienstes. Er habe die Bereitschaft Kiews verteidigt, die Gruppe kämpfen zu lassen: «Die Ukraine unterstützt definitiv all jene, die bereit sind, das Putin-Regime zu bekämpfen.»

Nazistische Ansichten

Einige andere Mitglieder der R.D.K haben sich laut NYT ebenfalls öffentlich zu neonazistischen Ansichten bekannt. Aleksandr Skachkov war 2020 von den ukrainischen Sicherheitsdiensten verhaftet worden, weil er eine russische Übersetzung des Manifests der weissen Rassisten des Amokläufers in Christchurch, Neuseeland, verkaufte, der 2019 51 Moscheebesucher tötete. Skachkov wurde nach einem Monat Haft gegen Kaution freigelassen.

Ein weiteres Mitglied, Aleksei Levkin, der ein Selfie-Video mit dem R.D.K.-Abzeichen verbreitete, ist Gründer einer Gruppe namens Wotanjugend, die zunächst in Russland entstand, später aber in die Ukraine zog. Levkin organisierte auch ein «National Socialist Black Metal Festival», das 2012 in Moskau begann, aber von 2014 bis 2019 in Kiew stattfand.

Bilder, welche die Kämpfer nach dem Eroberungszug in Russland verbreiteten, zeigten sie vor erbeuteter russischer Ausrüstung. Dabei trugen einige von ihnen Abzeichen und Ausrüstung im Nazi-Stil. Auf einem der Abzeichen war ein vermummtes Mitglied des Ku-Klux-Klan abgebildet.

Michael Colborne, ein Forscher bei Bellingcat, der über die internationale extreme Rechte recherchiert, sagte der NYT, die Bilder von Kapustin und seinen Kämpfern könnten der Verteidigung der Ukraine schaden: «Ich mache mir Sorgen, dass so etwas auf die Ukraine zurückschlagen könnte, denn das sind keine unbekannten Leute.»

Kapustin, der nicht nur Russisch, sondern auch fliessend Englisch und Deutsch spricht, erklärte gegenüber Reportern, für ihn seien die Bezeichnungen «Neonazi» oder «rechtsextrem» keine Anschuldigung: «Für mich sind diese Bezeichnungen OK. Wir haben aus unseren Ansichten nie einen Hehl gemacht. Wir sind eine rechte, konservative, militärische, semipolitische Organisation.»

Denis Kapustin gibt Medien Auskunft (Ausschnitt von CBS):

Für Putins Krieg gegen die Ukraine gibt es keine Entschuldigung

upg. In der Ukraine gab und gibt es Aktivitäten von Rechtsradikalen und Neonazis, die in den meisten Ländern Westeuropas verboten wären. Im Parlament allerdings haben sie kaum einen Einfluss. Und auf keinen Fall können sie als Vorwand für den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine dienen. Siehe Infosperber vom 25. Februar 2022: Nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Ukraine_Sprachen

Die Ukraine zwischen Ost und West: Jetzt von Russland angegriffen

Die Ukraine wird Opfer geopolitischer Interessen. Die Nato wollte näher an Russland. Seit dem 24.2.2022 führt Russland einen Angriffskrieg.

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3 Meinungen

  • am 2.06.2023 um 13:39 Uhr
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    Ein ‹Roter Faden›, der in der Zeit des 1. WK deutlich wird. Der Deutsche Generalstab unterstützte «NAZI»onalisten überall in Gebieten des kollabierenden Russischen Imperiums, u.a. in Polen, Finnland und eben in der Ukraine. Es wurde unabhängige Staaten aus dem Boden gestampft, auf Kosten der Gebiete Russlands. Die «Grenzmark-Gebiete» wurden von Polen für sich reklamiert landeten aber bei der UdSSR: Schuld war Stalin.
    Im 2. WK machten sich wiederum die Deutschen diese Minderheiten zu nutze – SS Galitschina, OUN, OPA, Bandera usw.
    Nach dem Krieg wurde diese nationalistische Gruppe in der Ukrainischen SSR vom CIA kurratiert, verursachte zahlreicht Massaker an Zivilisten in der UkrSSR, bis der KGB in den 50ern die Bewegung neutralisierte.
    Der Rote Faden heißt konkret: Alles, was hilft, das Russland zu zerstören oder zu schwächen ist akzeptabel, auch Nazis zu unterstützen ist kein Tabu für den Westen.
    Die gegenwärtigen Vorgänge sind die Verlängerung dieses Roten Fadens.

  • am 2.06.2023 um 19:55 Uhr
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    Ukrainische Politiker huldigen Bandera, der OUN, nationalistischen Ukrainern, die an der Seite Nazi-Deutschlands Polen, Juden und Russen abschlachteten. Diesen Bandera-Mist lernen dort Kinder schon in Schule. Ukrainische «Hiwis» wurden als brutale KZ-Aufseher eingesetzt und waren, wie auch sehr viele Balten und Flamen, in der SS. Russen werden heute als Untermenschen, als asiatische uneuropäische Barbaren bezeichnet. Um dem eins draufzusetzen, sammelt man weltweit Neonazi-Nachwuchs als Söldnermaterial ein; das öffentliche Tragen von Nazisymbolen ist weder verboten noch irgendwie kritisiert – auch nicht von EU- oder NATO-Politikern. Die USA bediente sich der ukrainischen Nationalisten (und damit ehemaliger Nazi-Kollaborateure) um bis Mitte der 50iger Unfrieden in der UdSSR zu stiften. Natürlich sind Putins Behauptungen nur vorgeschoben, aber schlimmer ist das völlige Schweigen des Westens zum ukrainischen Nazi-Wespennest, umso mehr wegen des angeblichen «Kampfes gegen Rääächts».

  • am 3.06.2023 um 18:53 Uhr
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    Der Einfluss der ukrainischen Nazis auf die Gesellschaft in der Ukraine war bis zum 24.2.2022 durchaus ein Thema in westlichen Medien. Dass die russischen Neonazis in der Ukraine mit offenen Armen empfangen werden, kann nicht weiter erstaunen.
    Ebensosehr dass die westlichen Mächte keinerlei Brührungsängste mit (Neo)Nazis haben, sofern es gegen Russland geht. Auch dies hat Tradition.-

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