Bruno Breguet 2012 Blick

Schlagzeile im Blick im Jahr 2007 © srf

Der Schweizer Bruno Breguet wurde wohl ein CIA-Informant

Res Strehle /  Der Historiker Adrian Hänni ging dem Leben des verschollenen Tessiner Linken nach. Und fand eine überraschende Spur.

Seit Bruno Breguet 1995 auf einer griechischen Fähre im Hafen von Igoumenitsa verschwand und danach jedes Lebenszeichen von ihm ausblieb, ist das Schicksal des militanten Tessiner Linksaktivisten ein Rätsel. Breguet hatte sich während seiner Gymnasialzeit in Lugano und einem anschliessenden Fernstudium radikalisiert, empörte sich über Hunger und Ungerechtigkeit in der Welt und engagierte sich gegen die Unterdrückung in Lateinamerika und im Nahen Osten. Insbesondere dem Leid der vertriebenen palästinensischen Bevölkerung in den Flüchtlingslagern im Libanon wollte er nicht tatenlos zusehen, und so schloss er sich Ende der sechziger Jahre mit knapp zwanzig Jahren der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) an. 

Bei der Einreise nach Israel wurde Bruno Breguet 1970 mit 2 Kilogramm Sprengstoff in seinem Gürtel festgenommen und verbrachte danach sieben Jahren im Gefängnis. Darauf schloss er sich der Terrorgruppe um den Venezolaner Illich Ramirez Sanchez («Carlos») an – deren Anschläge immer weniger Rücksicht auf Zufallsopfer nahmen, so dass aus anfänglich viel Moral nach und nach die Aufgabe jeder Moral wurde.

Adrian Hänni
Adrian Hänni

Der politische Historiker und Geheimdienstexperte Adrian Hänni ist dem Leben Bruno Breguets nachgegangen und zeichnet aufgrund von Akten und Gesprächen im Umfeld des Verschollenen in einem neuen Buch dessen Entwicklung vom politisch sensiblen Jung-68er zum Terroristen nach. Spektakulär darin sind insbesondere die letzten Kapitel, in denen Hänni aufgrund von CIA-Dokumenten zur Überzeugung kommt, dass Breguet ab 1991 mit dem US-Geheimdienst kooperierte – also ausgerechnet mit dem einstigen Erzfeind.

Nun ist bekanntermassen nicht jede Geheimdienstquelle vertrauenswürdig und auch diese scheint zunächst einmal dazu geeignet, aus einem vermeintlichen Revolutionär der 68er Bewegung einen Verräter zu machen. Laut Buchautor Hänni sind die CIA-Dokumente aber wasserdicht: «Es handelt sich um operative Dokumente, vor allem Berichte der Schweizer CIA-Station ans Hauptquartier bzw. ans Counterterrorist Center (CTC) der CIA und in die Gegenrichtung. Darin wird über die Agententreffen mit Breguet Bericht erstattet, und es werden Instruktionen zum Handling von Breguet entgegengenommen.»

Die Verfügbarkeit der Dokumente sei ein absoluter Glücksfall, meint Buchautor Hänni, werden solche Akten doch in der Regel, wenn überhaupt, erst nach 60 oder 70 Jahren zugänglich. Da Bruno Breguet der CIA aber auch Informationen zum ehemaligen Westschweizer Frontisten und mutmasslichen deutschen Agenten François Genoud weitergab, wurden diese Dokumente aufgrund des Nazi War Crimes Disclosure Acts bereits 2006 freigegeben. 

Bleibt die grosse Frage, was vor über 27 Jahren geschah, als Bruno Breguet auf der Fähre verschwand. Hänni hält drei Möglichkeiten für wahrscheinlich: Der Tessiner wurde, wie bis anhin vermutet, von einem Geheimdienst entführt und umgebracht, oder er fiel einem Racheakt von Carlos zum Opfer oder ist mit neuer Identität untergetaucht. Letzteres würde bedeuten, dass er noch am Leben ist – eine Hoffnung, die Familie und Freunde bis heute nicht aufgegeben haben.

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Cover NZZ Breguet
Buch-Cover


Adrian Hänni: «Terrorist und CIA-Agent» – Die unglaubliche Geschichte des Schweizers Bruno Breguet, NZZ-Libro, 296 Seiten, 2023, 36.00 CHF
SRF-Bericht im «10vor10» vom 10.2.2023


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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