Kommentar

Das Deza verwedelt

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Peter G. Achten /  Bei der Schweizer Entwicklungshilfe liegt einiges im Argen. Vor allem Transparenz und Effizienz müssen verbessert werden.

Über fünfzig Jahren Entwicklungshilfe – zumal die staatlich verordnete – hat der Dritten Welt und der Schweiz wenig gebracht. Trotzdem erhält die Schweiz von der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD leidlich gute Noten. Zu Recht?
0,45 Prozentpunkte des Brutto-Inlandprodukts BIP oder rund 2,7 Milliarden Franken hat die Eidgenossenschaft im Jahr 2012 für die Entwicklungshilfe – oder politisch korrekter – Entwicklungszusammenarbeit spendiert. Im kommenden Jahr soll die öffentliche Entwicklungshilfe der Schweiz 0,5 Prozent des BIP ausmachen. Ziel der UNO wären 0,7 Prozent. Immerhin liegt die Schweiz mit 0,45 Prozent an zehnter Stelle von 24 Vergleichsstaaten. «Das ist eine Erfolgsgeschichte», stellt der Länderbericht fest, den der OECD-Entwicklungsausschuss alle vier Jahre herausgibt.

Zahlen und Fakten sind Mangelware

Auf das Lob folgt das grosse Aber: Mehr Transparenz bitte! Für die Parlamentarier, besonders aber für die Steuerzahler. Zahlen, harte Fakten und aussagekräftige Informationen zu mittel- und langfristigen Projekten aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) sind nämlich Mangelware. Wie in anderen Bundesverwaltungen sind auch beim Deza und beim Seco gut honorierte Kommunikations-Profis dafür zuständig, dass Informationen zuhanden der Journalisten und der Öffentlichkeit zuerst weichgespült und flachgebürstet werden, bevor sie nach aussen dringen.

Seit 2008 ist man bestrebt, mehr Transparenz zu schaffen und die vom Parlament üppig bewilligten Hilfsgelder effizienter und vor allem nachhaltiger einzusetzen. Bis 2017 sollen die meisten Deza-Büros mit den Botschaften zusammengelegt werden. Die Deza-Leute kämen so – endlich – unter bessere Kontrolle. Doch viele der gut bezahlten Deza-Beamten in Bern wehren sich gegen Reformmassnahmen.
Bis 2008 konnte der ehemalige Deza-Direktor Walter Fust schalten und walten, fast wie es ihm beliebte. Während über einem Jahrzehnt gab er gekonnt den Wohltäter. Medienwirksam jettete er zum Beispiel 2008 nach dem Tsunami nach Banda Aceh auf der indonesischen Insel Sumatra, um die Lage vor Ort zu erkunden. Fähige, dort arbeitende Deza-Mitarbeiter hatten sehr wohl die Übersicht und bezeichneten die Fust-Reise, damals leider off-the-record, als «völlig überflüssig». Doch der rührige Deza-Chef wollte nicht hinten anstehen, schliesslich waren auch Bill Clinton und andere Politgrössen im Katastrophengebiet präsent. Vor allem aber wollte Fust Flagge markieren, weil die damalige Aussenministerin Calmy-Rey in Thailand ihren ebenfalls überflüssigen Tsunami-Auftritt zelebrierte. Für einmal nicht breit lachend, sondern medienwirksam mit Mundschutz.

Breit gestreuter Geldsegen

Obwohl die OECD die entwicklungspolitischen Leistungen der Schweiz anerkennt, hält sie mit Kritik nicht zurück. Unter anderem fordert sie Konzentration, zum Beispiel auf ärmste, schwache und politisch am Abgrund stehende Länder. Die Schweiz aber verteilt ihre Hilfsgelder mit der Giesskanne auf siebzig Länder. Die zwanzig meist bitterarmen Schwerpunktländer bekommen gerade einmal einen Viertel der Gelder zugesprochen. Dass auch aufstrebende Volkswirtschaften, zumal Schwellenländer wie China, zu den Begünstigten gehören, ist nur schwer verständlich.
Besonders pikant: Der OECD-Bericht verweist auf die hohen Importbeschränkungen und Subventionen der Schweizer Landwirtschaft. Bern allerdings setzt wie andere Industrie-Länder – USA, Kanada, Argentinien, die EU oder Japan – auf nationale Nahrungssicherheit durch einheimisches Schaffen. Ein Scheinargument, das die Doha-Runde der UNO-Welthandelsorganisation WTO fast zum Scheitern brachte. Mit andern Worten: Die Industriestaaten und damit auch die Schweiz verhindern seit Jahrzehnten mit Erfolg den Freihandel, den sie sonst so hochhalten. Dies für einen einzigen Bereich – die Landwirtschaft. Der Reisbauer in Okinawa, der Getreide-Farmer in den Plains von Nordamerika, die EU-Agrar-Lobby oder der Bauer im Emmental könnten ja vor den Kopf gestossen werden. Renommierte Ökonomen, zumal aus Lateinamerika, haben längst nachgewiesen, dass die Industriestaaten bei einer Globalisierung des Agrarmarktes sich den grössten Teil der Entwicklungshilfsgelder sparen könnten.
Fokussieren statt ziellos agitieren
Was haben die staatlichen Entwicklungshelfer der Schweiz in einem halben Jahrhundert gelernt? Wenig. Fust-Nachfolger Martin Dahinden – er wird noch dieses Jahr sein neues Amt als Schweizer Botschafter in den USA antreten – bringt es mit einer diplomatischen Plattitüde auf den Punkt: «Die internationale Zusammenarbeit der Schweiz zielt grundsätzlich darauf ab, Resultate zu erreichen.»
So so! Doch die Resultate in der Entwicklungszusammenarbeit müssen mit der Lupe gesucht werden. Die Finanzkontrolle des Bundes konnte im vergangenen Jahr nur wenig «Nachhaltigkeit» feststellen. Es fehlte nicht nur an «relevanten Zielwerten und Parametern», bemängelten die Prüfer, sondern auch an einer einigermassen zuverlässigen Dokumentation.

Fokussieren statt zielloses Agitieren wäre gefordert. Doch wie macht man das, wenn neben den Bundesämtern Deza und Seco auch die Pro Helvetia und Hilfswerke wie Caritas, Swissaid und Heks in der Entwicklungshilfe tätig sind? Kein Wunder stemmen sich die Nichtregierungs-Organisationen gegen die Deza-Restrukturierung im Rahmen des Aussenministeriums EDA. Schliesslich ist die Arbeit der privaten und staatlichen Entwicklungshelfer mittlerweile zu einer lukrativen Hilfsindustrie geworden. Dass sich die staatliche wie die private Entwicklungshilfe vermehrt koordinieren oder gar zusammenschliessen müsste, um Synergien zu nutzen, ist offensichtlich mit dem Geschäftsmodell der mit Steuer- und Spenden-Geldern alimentierten Hilfsindustrie nicht vereinbar. Wie oft war am Schauplatz von humanitären Katastrophen kontraproduktive Konkurrenz unter privaten und staatlichen Hilfswerken zu beobachten, und das sowohl in der Phase der Katastrophenhilfe als auch beim mittel- und längerfristigen Wiederaufbau.
Mit Transparenz Vertrauen schaffen
Die Experten des OECD-Entwicklungsausschusses fordern unter anderem mehr aussagekräftige Informationen. Für das Seco und die Deza wird ein «Wandel der Transparenzkultur» angemahnt. Der als Schweizer Botschafter nach Washington entschwindende Deza-Direktor Martin Dahinden ist auch hier nicht um eine diplomatische Plattitüde verlegen: «Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit ist eine permanente Herausforderung.» Wie wahr!! Doch Zahlen und Fakten auf den Tisch zu legen, ist offensichtlich zu viel verlangt von den mit Steuergeldern reichlich bezahlten Beamten im Deza und im Seco. Trotzdem beklagt sich Dahinden ganz undiplomatisch wehleidig, dass es «für langfristige Entwicklungszusammenarbeit schwierig geworden ist, Interesse zu wecken». Das ist Unsinn. Jeder Kommunikationsberater – auch im Deza – weiss: Anstatt zu blockieren, schönzureden und abzuwehren, könnte man Interesse wecken mit mehr Offenheit und mehr Transparenz. So einfach ist das.


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2 Meinungen

  • am 9.03.2014 um 18:33 Uhr
    Permalink

    Armutsfalle

    Inspiriert durch das Buch von Klaus M. Leisinger
    „Die sechste Milliarde“

    Entwicklungsländer haben’s schwer.
    Sie wurden ausgebeutet sehr.
    In Armut liess man sie zurück.
    Auch haben viele heut kein Glück.

    Kleinbauern arm und ohne Rechte
    Verlieren Land, sind jetzt nur Knechte
    Die Kindersterblichkeit hat man besiegt;
    Nicht aber, dass man viele Kinder kriegt.

    So stürzen drum in manchem Falle
    Gar viele in die Armutsfalle.

    Markus Zimmermann-Scheifele
    Kastanienbaum, 2. Okt. 2006

  • erich_schmid
    am 9.03.2014 um 19:09 Uhr
    Permalink

    Nichts gegen eine kritische Meinung. Aber hier nun doch einige Beispiele aus dem Artikel von Peter Achten. Die Sprache selbst lügt ja bekanntlich nicht (links die Originalzitate von Peter Achten, rechts ihr vermuteter Subtext):

    1. „üppig bewilligte Hilfsgelder“ = zu viele Hilfsgelder

    2. „viele gut bezahlte Deza-Beamte“ = viele Schmarotzer auf dem Buckel der Ärmsten

    3. „Wohltäter“ = Gutmensch

    4. „überflüssigen Tsunami-Auftritt zelebriert“ = sich auf Kosten einer Katastrophe ins Szene gesetzt

    5. „diplomatischen Plattitüde“ (2x) = dummes geschwätz

    6. „die Arbeit der privaten und staatlichen Entwicklungshelfer (ist) eine lukrative Hilfsindustrie“ = Weltwoche-Jargon plus SVP-Ideologie geteilt durch zwei

    7. „mit Steuer- und Spenden-Geldern alimentierte Hilfsindustrie“ = siehe punkt 6

    8. „oft zu beobachten“ = Peter Achtens präzisestes Argument gegen die Entwicklungshilfe

    9. „mit Steuergeldern reichlich bezahlte Beamte“ = mehr freiheit, weniger staat! (siehe auch punkt 2)

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