Kommentar

CIA: Verschlüsselungstechnik oder eher Verschlüsselungspolitik?

Helmut Scheben Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autorskeine © zvg

Helmut Scheben /  Es ist mal wieder die Stunde der Komödianten. Offiziell wusste niemand, was seit langem bekannt ist.

Nun tun viele Politiker so, als habe man etwas Böses entdeckt: die US-Geheimdienste und ihr uferloses System der Überwachung. Breitflächig ist Entrüstung angesagt. Restlose Aufklärung wird gefordert. Man erinnert sich an 2013, als entdeckt wurde, dass die NSA die halbe Welt abhörte.
„Abhören von Freunden, das geht gar nicht“, sagte damals Kanzlerin Angela Merkel, und es klang wie ein Satz eines Standup Comedian. Delegationen wurden nach Washington geschickt, diplomatische Noten ausgetauscht – das volle Programm. Ein Stück aus dem Komödienstadel. Denn die deutsche Regierung war stets über alles informiert, und sie war – wie jetzt erneut ans Licht kommt – stets beteiligt an allem.
Schon um die Jahrtausendwende verwies ein Ausschuss des Europäischen Parlaments auf ein globales Abhörsystem namens „Echelon“. In dem Bericht stand, dass „innerhalb von Europa sämtliche Kommunikation via E-Mail, Telefon und Fax von der NSA regelmässig abgehört wird.“
Natürlich arbeiten der deutsche Bundesnachrichtendienst, die britischen und amerikanischen Geheimdienste, die Israeli und andere seit eh und je zusammen. Im Sonderfall Deutschland ist die Zusammenarbeit allein schon dadurch traditionelle Normalität, dass Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ein besetztes Land war und die Amerikaner als NATO-Führungsmacht auch in der späteren BRD geheimdienstlich schalteten und walteten, wie es ihnen gefiel. Das tun sie bis heute.
Erst kürzlich hat ein deutsches Gericht festgestellt, dass die Teilnahme Deutschlands an dem Drohnenprogramm der USA verfassungswidrig ist. Die Amerikaner sind für ihre rechtswidrigen Tötungen von Verdächtigen im Nahen und Mittleren Osten angewiesen auf die Relais-Station in der Air-Base in Ramstein. Keine deutsche Regierung wird es wagen, dagegen zu protestieren.

„Die Amerikaner sind wild versessen auf Information, und die Amerikaner sind der Hegemon hier. Es ist nicht vorstellbar, dass man sich diesem innerhalb des Bündnisses verweigert“, sagte 2013 Claus Arndt, ehemals Mitglied eines Geheimdienst-Ausschusses des deutschen Bundestages. „Theoretisch sind wir souverän. In der Praxis sind wir es nicht.“
Die Verschlüsselungs-Technik ist nur ein Nebenaspekt des Problems. In den letzten 30 Jahren haben sich die Überwachungstechniken in schwindelerregender Dimension entwickelt, diese Techniken sind zum Selbstläufer geworden. Die westlichen Geheimdienste sind Opfer ihrer technologischen Besessenheit geworden, das breitflächige Absaugen von Daten hat das Niveau von Drogensucht erreicht. Ich vermute, die östlichen Geheimdienste tun es den westlichen gleich, darüber wissen wir wenig.
Die Auswertung der gigantischen Datenmenge soll angeblich erfolgreich Terroranschläge verhindern oder verhindert haben. Beweise dafür gibt es kaum. Denn schliesslich sind es die Geheimdienste, die sich immer wieder mit ihren Erfolgen brüsten, und ihre Arbeit ist so geheim, dass man nichts Genaueres wissen darf.
Wenn das Akkumulieren von irrsinnigen Datenmengen derart nützlich wäre, hätte der Anschlag von 9/11 nicht stattgefunden. Aber es geht nicht nur um die Frage der Nützlichkeit des globalen Überwachungswahns. Es geht um seine Legitimität.

Geheimdienste können nicht demokratisch sein

Geheimdienst ist grundsätzlich unvereinbar mit Demokratie. Geheimdienstliche Tätigkeit entzieht sich per definitionem einer demokratischen Transparenz. Was Leute im Geheimen treiben, ist nicht res publica. Es sind Machenschaften, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen, und Öffentlichkeit ist das Wesen der Demokratie.
Da können noch so viele parlamentarische Kommissionen gebildet werden, die die Arbeit der Geheimdienste „kontrollieren“ sollen. Wenn der Brei zu heiss ist, gibt es Möglichkeiten, um ihn herum zu reden. Die parlamentarischen „Kontroll-Organe“ erfahren dann Jahre später oder niemals, was verbrochen wurde.
Und die breite Öffentlichkeit hat, zum Beispiel in den USA, erst mit einer Verzögerung von mehreren Jahrzehnten das Recht auf Einblick in die Akten der Geheimdienste. Sie erfährt ohnehin meist nur Belangloses, denn wichtige Namen sind und bleiben auch in diesen Dokumenten geschwärzt.
Die Regel ist, dass nicht die parlamentarischen Geheimdienst-Ausschüsse die Skandale aufdecken, sondern hartnäckige Journalisten oder Whistleblower vom Schlag eines Edward Snowden oder einer Chelsea Manning. Sie werden von den USA als Verbrecher verfolgt. Wikileaks-Gründer Julian Assange wird zur Zeit in einem Hochsicherheitsgefängnis in Grossbritannien unter konstruierten Vorwürfen physisch und psychisch kaputt gemacht. So viel zum Verhältnis von Demokratie und Geheimdienst.
Ein wesentlicher Teil der Geheimdienstarbeit ist die Verbreitung von Falschinformation. Meist nicht nur zur Täuschung des Feindes, sondern zur Täuschung der Bürgerinnen und Bürger des eigenen Landes. Um Kriege zu rechtfertigen, müssen politische Gegner als Monster dargestellt werden.

Geheimdienste begehen straflos Verbrechen

Beispiel Gaddafi: „Der Diktator setzt systematische Vergewaltigung von Frauen als Waffe im Krieg ein.“ Das verbreitete die amerikanische Aussenministerin Hillary Clinton als Erkenntnis ihrer Geheimdienste. Amnesty International recherchierte mehrere Monate lang in Libyen und fand „keinerlei Hinweise für die Wahrheit dieser Behauptung.“ Die libysche Opposition in der Schweiz – fürwahr keine Gaddafi-Freunde – bestätigte mir damals, sie hätte keine Beweise für diese Aussage. Andere Länder, die auf einer sogenannten Achse des Bösen angesiedelt sind, müssen als akute nukleare Bedrohung dargestellt werden. Und so weiter.
Es ist schwer zu akzeptieren, dass systematisches Lügen der Raison d’Etat einer demokratisch verfassten Republik entsprechen soll. Ebenso unmöglich ist es zu akzeptieren, dass schwere Kriminalität wie Folter und Mord die Mittel sein sollen, die einen wie auch immer definierten Zweck heiligen. Die Drohnen-Angriffe, das willkürliche Töten von Menschen, die des Terrorismus verdächtigt werden, sind ein Skandal, von dem die NATO-Verbündeten der USA nicht laut reden möchten.
In dem Film „Barry Seal – Only in America“ fragt der Pilot den CIA-Mann: „Ist das denn legal?“ Nämlich Kokain in die USA zu transportieren und mit dem Erlös einen Aufstand in Nicaragua zu finanzieren. Und der CIA-Mann antwortet: „Wenn man es für die Guten tut, ist es legal.“
Der real existierende Pilot Barry Seal wurde übrigens am 19. Februar 1986 rechtzeitig auf offener Strasse erschossen, bevor er vor einer Grand Jury des Bundesstaates Arkansas hätte aussagen und seine eigene Regierung belasten können. Und der Investigativ-Journalist Gary Webb, der diese ganze Geschichte aufdeckte, wurde von den US-Geheimdiensten durch Verleumdungen in den Medien so lange fertiggemacht, bis er beruflich und finanziell am Ende war. Er beging nach offizieller Darstellung Suizid. Die Leiche wies zwei Kopfschüsse auf, was bei Suizid untypisch ist.

Hartnäckige Journalisten decken immer mal wieder auf, was die notorischen Intelligence Services so treiben. Die Entrüstung ist dann jedes Mal im linken Spektrum gross. Rechts hält man sich eher zurück und gibt zu bedenken, durch die Arbeit der Geheimdienste könne auch viel Unheil vermieden werden.
Auf Regierungsebene ist es die Stunde der Komödianten, und alle spielen mit. Ob sie es alle gern und freiwillig tun, sei dahingestellt. Mitspielen müssen sie, denn alle haben den gleichen geheimdienstlichen Dreck am Stecken.


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7 Meinungen

  • am 12.02.2020 um 21:35 Uhr
    Permalink

    Danke Herr Scheben. Kurz und bündig auf den Punkt gebracht.

  • am 13.02.2020 um 09:01 Uhr
    Permalink

    Da lobe ich mir doch den Iran mit seinem Baukran.

    Das ist wesentlich ehrlicher.

    Und die offizielle Schweiz hilft den Verselbstmördern – siehe Crypto-Artikel!

  • am 13.02.2020 um 12:04 Uhr
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    Stimme Herrn Ruf zu. Grossartiger Kurzartikel

  • am 13.02.2020 um 13:04 Uhr
    Permalink

    Einen Aspekt bei diesem ganzen Abhörgedöns vergisst man sehr gerne: bei der Menge an Informationen, die die überall sammeln, können sie nur sehr wenig wirklich herausholen, die Flut ist einfach zu gross.

    Ich verweise zudem auf Reinhard Meys wunderbares kleines Lied über Agenten und Spionage: ‹Das Geheimnis im Hefeteig oder: der Schuss im Backofen›.

  • am 13.02.2020 um 13:17 Uhr
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    Ich könnte an der eigenen ohnmächtigen Wut ersticken oder mich wie Rumpelstilzchen selbst zerreisen, wenn ich wieder so etwas lese. Es ist so haarsträubend falsch, dass wir uns gegen solches Unrecht abstumpfen müssen, um zu überleben. Und das ist wohl auch die Absicht der Schuldigen.

  • am 13.02.2020 um 15:37 Uhr
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    Und wie steht es um den Schutz der Privatsphäre hierzulande ? Zwei Jahre nun ist’s her, als das BÜPF (Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs) in Kraft gesetzt wurde. Das Stimmvolk hätte es damals in der Hand gehabt, der Schlapphüten Grenzen zu setzen. Hat es aber nicht getan. Hat die Referendumskampagne scheitern lassen. Ist den BÜPF-Befürwortern naiv auf den Leim gekrochen. Hat widerspruchslos die Ausdehnung des helvetischen Schnüffelstaats hingenommen und so bedenkenlos ein weiteres Stück Privatsphäre geopfert. … Lehren aus dem Fichenskandal von 1989 ? I wo ! Nichts gelernt ! Alles vergessen !

  • am 14.02.2020 um 04:33 Uhr
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    Vieles, wohl alles was herr scheben schreibt ist wahr. Zumindest soweit es sich auf analysen und nicht auf seine persönliche meinung bezieht.
    Aber man stelle sich vor: was wäre wenn «unsere» geheimdienste auf solche informationen verzichten würden? Der baldige kollaps. Geheimdienstliche operationen richten meist weniger schaden an als alternativen dazu. Man stelle sich vor was für ein schaden vermieden worden wäre, wenn zb hitler früh geheimdienstlich eliminiert worden wäre.
    John stuart mill prägte das diktum, das niemand von zwei übeln das grössere wählen würde. Dies gilt auch hier: verzicht auf geheimdienst wäre das mit abstand grössere übel.

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