US-Instruktor.Oleg Palchyk

Perry Blackburn, ein pensionierter Oberstleutnant der US-Army Special Forces, unterrichtet bei Trainingsübungen in der Ukraine. © Oleg Palchyk

US-Veteranen helfen in der Ukraine an der Ostfront

Urs P. Gasche /  Frühere US-Soldaten bilden an der umkämpften Frontline auf eigene Faust ukrainische Soldaten aus und schlagen Kampfeinsätze vor.

«Während der blutige Konflikt in der Ukraine weitergeht, trainieren kleine Teams amerikanischer Special-Operations-Veteranen ukrainische Soldaten in der Nähe der Frontlinien und helfen in einigen Fällen bei der Planung von Kampfeinsätzen», berichtete die «New York Times» am 5. Juli.

Vor dem Krieg hatte das US-Militär regelmässig uniformierte Militär-Ausbilder in die Ukraine entsandt. Sobald jedoch Russland einmarschierte, zog die Regierung Biden alle Truppen ab. «Wir werden nicht den dritten Weltkrieg in der Ukraine führen», erklärte Präsident Biden.

Der Präsident versprach, dass die USA die Ukraine weiterhin mit Waffen unterstützen würden und sagte 6,8 Milliarden Dollar an Sicherheitshilfe zu. Seither bilden US-Truppen ukrainische Streitkräfte in Polen und Deutschland aus. Im Mai zog Biden eine klare Grenze: Das US-Militär werde nicht direkt gegen die Russen kämpfen.

Bei den US-Ausbildern, die gegenwärtig an der Ostfront im Einsatz sind, handle es sich um zivile Freiwillige, welche durch Online-Spenden unterstützt würden und völlig auf sich allein gestellt seien, schreibt die NYT.

«Deshalb bin ich Green Beret geworden», sagte Perry Blackburn der NYT. Blackburn ist ein pensionierter Oberstleutnant der Army Special Forces, der 34 Jahre in Uniform im Irak, in Afghanistan, Äthiopien, Ägypten, Somalia und Jordanien verbrachte. Jetzt ist er als Zivilist in der Ukraine und tut das, was er einst beim Militär getan hat: Er bildet lokale Kräfte für den Kampf gegen einen gemeinsamen Feind aus.

Einundzwanzig US-Amerikaner verwundet, zwei getötet

Wieviele US-Amerikaner an der Front kämpfen, ist nicht bekannt. Einige meldeten sich freiwillig als Mitglieder von Evakuierungsteams, als Bombenräumungsspezialisten, Logistikexperten oder Ausbildende. Nach Angaben einer gemeinnützigen Organisation, die sich um die Evakuierung von Amerikanern kümmert, wurden seit Beginn des Krieges mindestens 21 Amerikaner im Kampf verwundet. Zwei wurden getötet, zwei wurden gefangen genommen und einer wird vermisst.

Perry Blackburn und eine kleine Gruppe von Freiwilligen arbeiten laut NYT direkt mit dem ukrainischen Militär zusammen und unterrichten Scharfschützen, Manöver, Erste Hilfe und andere Grundfertigkeiten, während sie ständig die Standorte der Ausbildungslager wechseln, um russischen Raketenangriffen auszuweichen.

«Kein Kontakt zum Pentagon»

«Wir haben keinen Kontakt zum US-Militär, Punkt», sagte Blackburn in einem Interview in seinem Haus in Tampa, Florida, wohin er vor kurzem zurückkehrte, um sich vor der Rückkehr in das Kriegsgebiet mit Nachschub zu versorgen. «Das ist eine Grenze, welche die Freiwilligen nicht überschreiten wollen. Das Pentagon wird keine Verantwortung für unser Wohlergehen oder unser Handeln übernehmen.»

Das US-Verteidigungsministerium liess verlauten, es stehe «mit keiner dieser Gruppen in Verbindung» und empfehle «allen US-Bürgern, nicht in die Ukraine zu reisen oder sofort abzureisen».

«Wir machen die Arbeit, ohne dass die USA etwas damit zu tun haben»

Andrew Milburn, ein pensionierter Oberst des Marine Corps für Spezialeinsätze, leitet eine Gruppe freiwilliger Veteranen, die Schulungen und Beratung anbieten. Er sagte der NYT: «Wir führen die US-Aussenpolitik in einer Weise aus, wie es das Militär nicht kann.» Während seiner 31-jährigen Zugehörigkeit zum US-Marine Corps hatte Milburn Führungspositionen im Joint Special Operations Command des US-Militärs inne, unter anderem als Kommandeur des Marine Raider Regiments.

In einem Telefongespräch mit der NYT aus einem Dorf, das etwa 15 Meilen von den Frontlinien in der Ostukraine entfernt liegt, sagte Milburn, seine Bemühungen würden die Ziele der USA unterstützen und gleichzeitig die USA von einer Beteiligung abhalten. «Wir können die Arbeit machen, und die USA können sagen, dass sie nichts mit uns zu tun haben, und das ist absolut wahr.»

Einem Aufruf von Selensky gefolgt

Kurz nach Beginn des Krieges hatte der ukrainische Präsident Selensky internationale Freiwillige aufgerufen, sich dem Kampf gegen Russland anzuschliessen. Die ersten US-Amerikaner, die seinem Aufruf folgten, seien oft Amateurabenteurer und militärische Aussenseiter auf der Suche nach Action gewesen. Das sagten mehrere Freiwillige der NYT.

Die Gruppe, die sich auf die Ausbildung des ukrainischen Militärs konzentriert, sei in der Regel älter und erfahrener. Viele von ihnen hätten die Ränge von Eliteeinheiten für Sondereinsätze erklommen und ähnliche Aufgaben auf der ganzen Welt wahrgenommen.

Milburn schloss sich mit etwa zwei Dutzend anderen Veteranen von Sondereinsätzen in der Ukraine zusammen. Schon bald nannten sie sich selbst die «Mozart-Gruppe» – in Anspielung auf eine private russische Militäreinheit mit Namen «Wagner-Gruppe». Dank der Kontakte, die Milburn und andere Jahre zuvor zu ukrainischen Spezialeinheiten geknüpft hatten, errichtete die Mozart-Gruppe bald Trainingslager in der Nähe der Kampfhandlungen. Milburn sagte, die Gruppe habe etwa 2’500 ukrainische Soldaten ausgebildet.

Die Gruppe bietet eine militärische Grundausbildung für Soldaten an, die an die Front gehen, und gelegentlich Kurse über den Einsatz amerikanischer Waffen, wie beispielsweise der von der Schulter abgefeuerten Panzerabwehrrakete Javelin. Sie würden auch einige spezielle Schulungen und Ratschläge für ukrainische Kommandos anbieten.

«Gefahr, rote Linien zu überschreiten»

Zu den wenigen Warnern gehört George Beebe, ehemaliger Leiter der Russland-Analyse der CIA und Direktor des Quincy-Instituts, einer unparteiischen Forschungseinrichtung für Aussenpolitik. Der NYT sagte er: «Ich sage nicht, dass eine Eskalation in der Ukraine automatisch ist. Aber die Gefahr besteht darin, dass wir anfangen, rote Linien zu überschreiten, bevor wir überhaupt wissen, wo sie sind.»

Die Freiwilligen allerdings weisen die Idee zurück, dass sie einen grösseren Krieg anheizen könnten. Stattdessen, so sagen sie, seien sie daran, einen solchen zu verhindern, indem sie ukrainische Kämpfer ausbilden, damit sie sich besser gegen die Russen wehren und weitere Aggressionen verhindern können.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
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Zum Infosperber-Dossier:

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8 Meinungen

  • am 9.07.2022 um 11:33 Uhr
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    Das erste Opfer des Kriegs ist die Wahrheit: «Frühere US-Soldaten bilden an der umkämpften Frontline auf eigene Faust ukrainische Soldaten aus und schlagen Kampfeinsätze vor.»
    Ist sowas wie ’staatliche NGO›, warum soll ich das glauben?

  • am 9.07.2022 um 12:03 Uhr
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    «Frühere US-Soldaten» hört sich an, als seien das jetzt Zivilisten. Es könnten aber auch – und das ist die wahrscheinlichere Möglichkeit – CIA-Männer sein. Zwischen dem Joint Special Operations Command (JSOC) und der CIA bestand von Anfang an eine enge Arbeitsbeziehung. Militärische Kommandooperationen, die die USA aus völkerrechtlichen Gründen oder aus politischen Erwägungen nicht offen durchführen können oder wollen, werden an die CIA delegiert, die dann auf «frühere US-Soldaten», vorzugsweise Veteranen des JSOC, zurückgreift. Auf diese Weise lässt sich pro forma immer bestreiten, dass die US-Regierung etwas damit zu tun hat. Die Geheimdienste, auch die russischen, fallen darauf nicht rein und wissen natürlich ganz genau, was gespielt wird.

  • am 9.07.2022 um 15:16 Uhr
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    «Wir machen die Arbeit, ohne dass die USA etwas damit zu tun haben»
    Unschuldige, ahnungslose USA. Tausende zivile Opfer durch schmutzige Drohnenkriege der USA.
    Die US-Regierung sucht nach Wegen zur Teilung Russlands.
    Ob in der Schwarzmeer- oder Kaukasus-Region, in Sibirien oder dem Fernen Osten Russlands: Überall ‹entdecken› US-Propagandisten und US-Behörden die angebliche Notwendigkeit, Russland zu «entkolonisieren». Washington arbeitet daran, Russland in handliche, von außen steuerbare Staaten zu zerlegen.

  • am 9.07.2022 um 16:50 Uhr
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    Mit der Erwähnung von US-Veteranen, die in Teilen der US-Bevölkerung grosse Anerkennung geniessen, soll wohl Stimmung gemacht werden, dass es weiterhin Sinn macht diesen Krieg fortzuführen. Es wird u.a.suggeriert, dass die Arbeit der Veteranen «Aggressionen» der Russen verhindern könnten. Die bösen Wagner-Söldner bekämpfen. Wir sind die Guten!

    Was der Artikel nicht erwähnt: Der Ukraine gehen die Männer aus! Schon vor mehreren Wochen wurde begonnen, 16 bis 60-Jährige einzuberufen. Und die Zahl der täglichen Verluste der UAF im Donbass ist immens!

    Es stellt sich also die Frage, wen diese Veteranen noch ausbilden und beraten können Anfang Juli 2022.

    Wer zum jetzigen Zeitpunkt dafür wirbt diesen verlorenen Krieg weiterzuführen, der nimmt in Kauf die letzten Ukrainischen Männer auf dem Schlachtfeld zu opfern.

    Sinnvoller und humaner wäre es, für Friedensverhandlungen zu werben! dies an die NYT und an den infosperber.

  • Portrait_Josef_Hunkeler
    am 9.07.2022 um 20:16 Uhr
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    Wie hiess das Ding im Irak – «Blackwater». Dass Mozart jetzt in diesem Zynismus bemüht werden soll, wirft auch kein besseres Licht auf die diese Freischärler. Dass diese aber unabhängig von der CIA und Mi5 operieren sollen ? Irgendwer wird sie wohl ausrüsten und bezahlen.

  • am 10.07.2022 um 12:03 Uhr
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    Das sind dann wohl genauso «Urlauber» wie die berüchtigten «Männlein in grünen Uniformen», die angeblich auf der Krim Urlaub machten, als dort gerade die Abstimmung stattfand, in der sich die Bevölkerung – übrigens zum zweiten Mal seit 1991 – mit großer Mehrheit für den Beitritt zu Russland entschied? Ach nein, die Russen haben damals ja nicht geschossen … Damit ist klar, dass das die Bösen© waren und sind, während die US-Amerikaner jetzt den Guten© helfen – und dem US-Präsidenten, indem sie das Prinzip der «plausible deniability» aufrecht zu erhalten helfen.
    Allein die Liste der Einsätze des Herrn Blackburn (Afghanistan, Äthiopien, Ägypten, Somalia und Jordanien) zeigt ja, dass er sich immer nur auf der Seite der Guten für Frieden, Freiheit und Demokratie eingesetzt hat … nur wohl leider nicht sehr erfolgreich. Na, vielleicht klappt’s ja jetzt – so kurz vor der Pensionierung – in der Ukraine? Die militär-politische Lage sieht mir allerdings nicht danach aus …

  • am 10.07.2022 um 12:12 Uhr
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    Wir verteidigen die Ukraine bis zum letzten Ukrainer, vielleicht auch noch Ukrainerinnen?
    Sarkasmus off.

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