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VSE-Präsident Kurt Rohrbach: «Angemessene Entschädigung» oder «andere Unterstützungsmodelle» © pd europa forum luzern

Pumpspeicherung: Die Kontroverse ist lanciert

Kurt Marti /  Jetzt geben es die Strombarone auch öffentlich zu: Wir wollen Öko-Subventionen für unsere milliardenteuren Pumpspeicherkraftwerke.

Bis vor wenigen Monaten wurden die Pumpspeicherwerke noch als Goldgrube der Schweizer Stromwirtschaft gepriesen. Bundesrat und Stromlobby stimmten gemeinsam in den Lobgesang ein, obwohl Kritiker immer wieder vor den finanziellen Risiken warnten. Zur Zeit sind Pumpspeicherwerke (z. B. Linthal, Nant de Drance) für rund 4,5 Milliarden Franken im Bau und die Stromwirtschaft plant, noch weitere Milliarden in den Sand zu setzen (z. B. Grimsel 3, Puschlav/Lago Bianco).

10vor10: Hohle Hand der Stromkonzerne war kein Thema

Am 8. Juni 2012 titelte Infosperber «Alpiq bettelt Subventionen für Pumpspeicherwerke» und berichtete über ein Alpiq-Video, in welchem der Alpiq-Manager Pierre Guesry ziemlich unverblümt Subventionen für die Pumpspeicherwerke bettelte: «Um Unternehmen zu motivieren, in Pumpspeicherkraftwerke zu investieren, muss ein Teil der Zuschüsse für die erneuerbaren Energien in die Entwicklung von Pumpspeicherwerken fliessen». Im Klartext: Öko-Subventionen für milliardenteure Kraftwerke, die vor allem für den internationalen Stromhandel gedacht sind. Noch während den Infosperber-Recherchen entfernte Alpiq das peinliche Video von seiner Internetseite.

Am 16. August sendete 10vor10 des Schweizer Fernsehens einen Beitrag über die «Solarstromflut» in Deutschland und die sinkenden Margen der Schweizer Pumpspeicherwerke. Kurt Rohrbach, BKW-Chef und Präsident des Verbandes der Schweizerischen Elektrizitätsunternehmen (VSE), durfte gemeinsam mit dem BKW-Stromhandelschef Samuel Leupold ausgiebig die Verluste in der Höhe von 100 Millionen Franken beklagen. Dass die Stromkonzerne hinter den Kulissen die hohle Hand machten, war hingegen im 10vor10-Beitrag kein Thema.

VSE-Präsident Rohrbach: Voraussetzungen für Grimsel 3 «verschlechtert»

Am 23. August berichtete Infosperber erneut über das Alpiq-Video, aus dem inzwischen die heiklen Passagen mit den Subventionsforderungen herausgeschnitten wurden. Gleichzeitig stiess Infosperber auf eine öffentliche Ausschreibung des Bundesamtes für Energie (BFE), wo die Subventionsbegehren der Stromlobby in anderer Form wieder auftauchten, und zwar als Studienauftrag an ein externes Büro. Offenbar lief die Arbeitsteilung zwischen BFE und Stromlobby wie geschmiert.

Am 4. September übernahmen der «Tagesanzeiger» (TA), die «Basler Zeitung», der «Bund» und die «Berner Zeitung» die brisante Story und machten sie gross auf (siehe Link unten). Leider ohne einen entsprechenden Quellenverweis auf Infosperber. Wegen einem Lapsus, wie die TA-Wirtschaftsredaktion beteuerte. Auf der gemeinsamen Onlineplattform «Newsnet» der vier Zeitungen wurde umgehend ein entsprechender Link auf Infosperber eingefügt.

VSE-Präsident Rohrbach erklärte gegenüber den genannten Printmedien: Entweder gelinge es eine «angemessene Entschädigung» zu vereinbaren, oder «es müssen auch bei der Pumpspeicherung andere Finanzierungs- und Unterstützungsmodelle ins Auge gefasst werden.» Für den Bau des Pumpspeicherkraftwerks Grimsel 3 – an dem die BKW massgeblich beteiligt ist – hätten sich die Voraussetzungen «verschlechtert».

Interessenlage des KPMG-Experten Lanfranchi verschwiegen

Am 9. September liess sich auch die «NZZ am Sonntag» zum Thema Pumpspeicherwerke vernehmen. Hier durfte Orlando Lanfranchi vom Beratungsunternehmen KPMG die gefährdete Rentabilität der Pumpspeicherwerke stellvertretend für die Strombranche beklagen. Dabei trat Lanfranchi als Experte auf, ohne dass die NZZaS auf seine spezielle Interessenlage hinwies. Denn Lanfranchi war jahrelang als Revisor diverser Stromkonzerne tätig, unter anderem der Axpo-Tochter NOK und der Kernkraftwerk Leibstadt AG. Im Jahr 2011 war Lanfranchi auch Revisor der Swissgrid, der nationalen Netzgesellschaft. Zudem ist die KPMG als Revisorin der Axpo tätig und kassiert dafür jährlich 2,5 Millionen Franken. Im NZZaS-Beitrag war es schliesslich Peter Molinari, Direktor der Engadiner Kraftwerke, der ungeniert nach Subventionen aus der kostendeckenden Einspeisevergütung ( KEV) rief.

NZZ-Beilage mit ganzseitigem Werbespot der ABB

Auch die NZZ-Beilage zum «Swiss Energy and Climate Summit» auf dem Bundesplatz forderte eine Anpassung der Rahmenbedingungen für die Pumpspeicherwerke, deren Risiko «energiewirtschaftlicher Art» sei. Andreas Stettler, Leiter Hydraulische Kraftwerke bei der BKW, war sich bereits sicher: «Die Politiker wissen, dass das Speicherproblem gelöst werden muss, und werden die Rahmenbedingungen hoffentlich dementsprechend anpassen.» Auf jeden Fall zahlte sich dieser Werbespot für die NZZ-Beilage aus, denn dort platzierte die ABB ein ganzseitiges Inserat für den Bau von Pumpspeicherwerken mit der Frage: «Nachhaltige Energie verdreifachen?» Bekanntlich wird im Pumpspeicherbetrieb kein zusätzlicher Strom produziert, sondern 20 bis 25 Prozent vernichtet.

Walliser Elektrizitätsgesellschaft bekommt kalte Füsse

Der «Walliser Boten» berichtete über die Pumpspeicher-Kontroverse in Form eines Interviews mit Paul Michellod, dem Direktor der FMV (Forces Motrices Valaisannes/Walliser Elektrizitätsgesellschaft). Die FMV ist mit 180 Millionen (10 Prozent) am Pumpspeicherwerk Nant de Drance beteiligt (zusammen mit Alpiq und der SBB) und bekommt ebenfalls kalte Füsse. Gegenüber dem WB erklärte Michellod: «Ich bin kein Freund von Subventionen. Wenn aber die politischen Entscheide dazu führen, dass die Wasserkraft nicht mehr rentabel ist, sollte man die Wasserkraft unterstützen. Derzeit leidet die Wasserkraft.» Und er fragt besorgt: «Was wird passieren, wenn es künftig andere Speichermöglichkeiten als Pumpspeicherwerke gibt?» Diese Frage hätten sich die Protagonisten wohl etwas früher stellen sollen.

In der Schweiz sind Pumpspeicherwerke mit einer Gesamtleistung von rund 1 750 MW in Betrieb und von rund 2000 MW im Bau. Rund 3000 MW sind in Planung. In der aktuellen Lage hat die sofortige Sistierung der geplanten Werke oberste Priorität.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

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Eine Meinung zu

  • am 17.09.2012 um 17:43 Uhr
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    Bis jetzt haben die Stromkonzerne eine Mischrechnung gemacht: Amortisierte Wasserkraft subventioniert intern alle neuen Kraftwerke. Neue Anlagen arbeiten immer teurer als alte Anlagen.
    Beim Sonnenstrom wird das leider nicht gemacht. Diesen verkauft man zu übersetzten Preisen an Gutmenschen, die bereit sind den Aufschlag zu bezahlen. Das ist ein Systemwechsel zum Zweck der Behinderung von Sonnenstrom. Jetzt trifft’s auch den Pumspeicherstrom. Gutmenschen, die bereit sind Pumpstrom zu kaufen sind eingeladen einen freiwilligen Unterstützungbeitrag zu zahlen…. wie beim Sonnenstrom. In unsrem Fall kauft das EW den Solarstrom für 45 Rp/kWh und verkauft ihn weiter mit einem Zuschalg von 40 Rp/kWh. Begründung: ein ökologischer Mehrwert. Das gleiche Prinzip kann auch beim Atomstrom angewendet werden, wer unbedingt solchen Strom kaufen will, der soll den Mehrpreis bezahlen, fertig die Abwälzung auf die Allgemeinheit und die künftigen Generationen! Das Kernenergie-Haftpflichtgesetz braucht es nicht, sein einziger Zweck ist die Haftungsbegrenzung der Gefahrentechnik und damit die künstliche Verbilligung! Die FDP will doch unnötige Gesetze abschaffen? – da ist eines!

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