Alpiq_Manager_Guesry

Alpiq-Manager Pierre Guesry: Seine brisanten Aussagen wurden herausgeschnitten © alpiq

Stromkonzern Alpiq «zensuriert» eigenes Video

Kurt Marti /  Was Alpiq aus einem Werbe-Video herausschnitt, taucht nun in einer Projekt-Ausschreibung des Bundesamtes für Energie wieder auf.

Anfangs Juni berichtete Infosperber über einen erstaunlichen Werbe-Spot des Stromkonzerns Alpiq, der von den bisher hochgelobten, milliardenteuren Pumpspeicherkraftwerken behauptete: «Ob diese Kraftwerke also jemals rentieren oder gar subventioniert werden müssen, steht in den Sternen». Zwar halte der Bund die Pumpspeicherwerke für «die grosse Hoffnung der neuen Energiepolitik». Die Energiebranche hingegen sei «skeptischer», denn solche Kraftwerke seien teuer: «Alleine das Projekt Nant de Drance verschlingt 1,8 Milliarden Franken».

Alpiq-Manager forderte Öko-Beiträge

Alpiq-Manager Pierre Guesry begründete im Video die Skepsis der Energiebranche mit der schwindenden Preisdifferenz zwischen teurem Spitzenstrom und günstiger Bandenergie: «Wenn die Differenz nur gering ist, haben wir ein Rentabilitätsproblem». Der Pumpspeicherstrom verliere an Wert, weil «die Verbrauchsspitzen bei günstigen Wetterbedingungen zunehmend durch Wind und Sonne abgedeckt werden.» Die Rede ist vom Solarstrom aus Deutschland. Die zu Ende gehende August-Hitzewelle bescherte den Deutschen Solarkraftwerken Spitzenerträge und gleichzeitig jammerten die Schweizer Strombarone über Verluste von jährlich 100 Millionen Franken, welche die deutsche Solaroffensive bewirkt.

Deshalb forderte der Alpiq-Manager Guesry ungeniert Öko-Subventionen: «Um Unternehmen zu motivieren, in Pumpspeicherkraftwerke zu investieren, muss ein Teil der Zuschüsse für die erneuerbaren Energien in die Entwicklung von Pumpspeicherwerken fliessen». Das klang paradox: Die Pumpspeicherwerke, welche zurzeit für 4,5 Milliarden Franken ausgebaut werden, um eigentlich Profite für die Stromwirtschaft abzuwerfen, sollen nun mit Öko-Beiträgen subventioniert werden. Für die fehlinvestierten Milliarden sollen nun die Stromkundinnen und -kunden bezahlen.

Politisch heikle Stellen herausgeschnitten

Aufgrund der Infosperber-Recherchen wurde das Alpiq-Video sofort aus dem Internet genommen. Als Begründung gab Alpiq an, einige Zahlen seien nicht mehr aktuell. Der wirkliche Grund wird nun klar, wenn man das neu aufgeschaltete, korrigierte Alpiq-Video anschaut: Zwar wurden ein paar Zahlen geändert, aber vor allem wurden die politisch heiklen Aussagen herausgeschnitten. Im neuen, «zensurierten» Video (siehe Link unten) sind die oben beschriebenen Passagen, welche die Rentabilität der Pumpspeicherwerke in Frage stellen, ganz herausgeschnitten.

Ebenfalls die Forderung des Alpiq-Managers Guesry nach Öko-Subventionen ist verschwunden. Stattdessen heisst es lapidar: «Ob und in welcher Grössenordnung die Pumpspeicherkapazitäten in der Schweiz ausgebaut werden, ist noch offen. Mehr Klarheit wird der Gesetzgebungsprozess bringen, den die neue Energiepolitik noch durchlaufen muss.»

Arbeitsteilung zwischen BFE und Stromwirtschaft

Das erste Alpiq-Video war offenbar zu offen. Jetzt läuft das Lobbying der Stromwirtschaft diskreter hinter den Kulissen. Während die Kritik an der Rentabilität und die Subventions-Bettelei aus dem Alpiq-Video klammheimlich verschwanden, tauchten sie in einem hochoffiziellen Dokument des Bundesamtes für Energie (BFE) wieder auf. Am 30. Juli schrieb das BFE ein Forschungsprogramm «Bewertung von Pumpspeicherkraftwerken in der Schweiz im Rahmen der Energiestrategie 2050» aus. Für das Programm sind 200 000 Franken vorgesehen. Es soll unter anderem Klarheit über die Wirtschaftlichkeit von Pumpspeicherwerken bringen.

Im Ausschreibungs-Brief tönt das Wehklagen der Alpiq an: Aufgrund des «starken Ausbaus der Photovoltaik» werde «die Wirtschaftlichkeit vieler Anlagen in Frage gestellt». Und auch die Bettel-Hand der Alpiq erscheint etwas verklausuliert: Es bestehe «zurzeit Unklarheit» darüber, «ob es zusätzliche Anreize (Anpassung der rechtlichen, ökonomischen oder sozioökonomischen Rahmenbedingungen) benötigt». Im Klartext: Ein externes Beratungs-Büro soll nun für 200 000 Franken den Beweis liefern, dass die Pumpspeicherwerke Öko-Subventionen nötig haben, um nicht als gestrandete Investitionen in die Geschichte der Wasserkraft einzugehen. Die Arbeitsteilung zwischen BFE und Stromwirtschaft läuft wie geschmiert.

Bundesrat noch euphorischer als die Stromlobby

Vor einem solchen Szenario mit sogenannten nicht-amortisierbaren Investitionen (NAI) haben Kritiker schon seit Jahren gewarnt, auch Infosperber hat das Problem aufgegriffen (siehe Links unten). Doch der Bundesrat und das BFE wollten davon nichts hören und liessen sich von der Stromlobby einspannen. Noch euphorischer als die Stromwirtschaft selbst propagierten der Bundesrat und das BFE die Milliardeninvestitionen in die angeblich lukrativen Pumpspeicherwerke.

Noch im vergangenen Februar hielt der Bundesrat in seinem Bericht «Stärkung der Stromdrehscheibe Schweiz und der Versorgungssicherheit» fest: «Es ist absehbar, dass ein Ausbau der schweizerischen Pumpspeicherkraftwerke einen positiven Einfluss auf die Wertschöpfung im Stromaussenhandel haben wird». Die Entwicklung des Stromaussenhandelssaldos in den letzten Jahren widerspricht dieser optimistischen Einschätzung, denn dieser sank von 2 115 Millionen Franken (2008) auf 1 018 Millionen Franken (2011).

Zuerst Milliarden investieren, dann Rentabilität prüfen

Wieso aber propagieren der Bundesrat und das BFE jahrelang den milliardenteuren Ausbau der Pumpspeicherung und lassen die Wirtschaftlichkeit just dann prüfen, wenn die Stromwirtschaft eindeutige Subventions-Notrufe aussendet? Laut BFE ist das Forschungsprogramm über die Pumpspeicherwerke keine Reaktion des Bundes auf die Subventions-Notrufe der Strombranche. Das Forschungsprogramm prüfe die Investitionen in die Pumpspeicherung im «langfristigen Kontext auf ihre Wirtschaftlichkeit», insbesondere im Hinblick auf die «zunehmende Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien.»


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES)

Zum Infosperber-Dossier:

Stromleitungd

Die Politik der Stromkonzerne

Elektrizitätsgesellschaften verdienen am Verkaufen von möglichst viel Strom. Es braucht endlich andere Anreize.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.