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Wieder fette Boni und Gewinne: Wenn alles schief geht, kommen wieder die Steuerzahler zu Kasse © Twicepix/Flickr

Grossbanken-Risiken noch nicht unter Kontrolle

Peter Hablützel /  Obwohl die Bundesbehörden gesetzlich sofort handeln könnten, warten sie auf Entscheide des Parlaments. Die Bankenlobby freut sich.

Nach dem Fast-Kollaps der Grossbank UBS vor zwei Jahren und der Multimilliardenhilfe durch Bund und Nationalbank versprachen Bundesrat und Politiker hoch und heilig, dass sich ein solches Desaster nicht mehr wiederholen darf. Banken die zu gross sind, um sie untergehen zu lassen («Too big to fail»), und damit von einer ungeschriebenen Staatsgarantie profitieren, sollen künftig viel mehr eigenes Kapital äufnen und risikoreiche Geschäfte besser absichern müssen.

Bisher leere Versprechen

Passiert ist seither wenig, die Versprechen haben sich weitgehend in Luft aufgelöst. Die ehemalige Bankenkommission EBK und heutige Finma hat zwar im November 2008 mit den Grossbanken ausgehandelt, die Eigenmittel etwas zu erhöhen und einen maximalen Verschuldungsgrad («Leverage Ratio») einzuführen: Ab 2013 muss das Eigenkapital der beiden Banken im Verhältnis zur Bilanzsumme auf Konzernebene minimal 3 Prozent und auf Ebene Einzelinstitute minimal 4 Prozent betragen. Dabei wird das ganze inländische Kreditgeschäft allerdings von der Bilanzsumme abgezogen. Das ist eine ungenügende Absicherung der Risiken. Sie hätte zum Beispiel nicht einmal ausgereicht, um die Grossbanken aus der Immobilienkrise zu Beginn der Neunzigerjahre zu retten.

«Wirtschaftliche Existenz der Schweiz gefährdet

In der Zwischenzeit haben die Behörden eingestanden, dass den Banken ein viel höheres Eigenkapital vorgeschrieben werden muss. Sie verlangen, dass die beiden Grossbanken im Verhältnis zu den risikogewichteten Aktiven 6 Prozent mehr Eigenkapital halten müssen als andere Banken. Für Mark Branson, ehemals UBS und heute Geschäftsleitungsmitglied der Finma, «ist ein rascher Kapitalaufbau entscheidend», denn «erstens wurde das erforderliche Kapital für Handelsgeschäfte…bisher viel zu tief veranschlagt; zweitens reichen die heutigen Mindestanforderungen zur Eigenmittelunterlegung für international tätige Banken nicht aus, und drittens erfüllen viele der heute anerkannten Kapitalinstrumente…ihre Aufgabe als Sicherheitspuffer nicht…das Kapital ist nur von unterdurchschnittlicher Qualität» (Jahresmedienkonferenz der Finma vom 22.03.11). Anne Héritier Lachat, neue Präsidentin der Finma, doppelt nach: Das Projekt «Too big to fail» ist für die Schweiz unabdingbar, weil wir zwei Grossbanken haben, welche die wirtschaftliche Existenz der Schweiz gefährden können…Wir können wegen des Gewichts der Grossbanken nicht zuwarten. Das wäre fahrlässig.» (NZZaS 27.03.11)

Rechtsgrundlagen wären schon längst vorhanden

Viele Bankkunden und Steuerzahler fragen sich besorgt, warum denn Bundesrat und Finma nicht sofort vorschreiben, die Eigenmittel so rasch als möglich auf ein angemessenes Niveau zu heben. Als Aufsichtsbehörden wären sie sogar dazu verpflichtet und rechtlich auch in der Lage, denn Artikel 4 des Bankengesetzes sieht seit 2005 bezüglich Eigenmittel folgendes vor: «Der Bundesrat…legt die Mindestanforderungen nach Massgabe der Geschäftstätigkeit und der Risiken fest. Die Finma ist ermächtigt, Ausführungsvorschriften zu erlassen» (Ziff. 2). «Die Finma kann in besonderen Fällen…Verschärfungen anordnen» (Ziff. 3).
In der Botschaft hielt der Bundesrat fest, der Artikel 4 des Bankengesetzes erlaube «dem Verordnungsgeber, eine quantitativ und qualitativ differenzierte Regelung einzuführen…Er kann somit den verschiedenen Geschäftstätigkeiten sowie auch den Grössenverhältnissen und institutsspezifischen Methoden…besser Rechnung tragen» (BBl 2002 6279). Und was die systemischen Risiken der Grossbanken betrifft, präzisierte der Bundesrat: «Vorschriften, welche von den international tätigen Grossinstituten die Einhaltung besonderer Erfordernisse verlangen würden, um den Systemrisiken vorzubeugen, sind…bei der gewählten weiten Formulierung nicht ausgeschlossen» (BBl 2002 6282). Damit kam er dem Anliegen der Motion Strahm aus dem Jahre 1998 wenigstens etwas entgegen. Für die Botschaft war damals Bundesrat Villiger federführend, weshalb es sich kaum um einen «Schnellschuss» handeln kann. Heute aber bezeichnet UBS-Verwaltungsratspräsident Villiger die Vorschläge des Bundesrates als «Schnellschuss» (Aargauer Zeitung vom 15.03.11).

Experten haben ihre Arbeit geleistet

Aber schöne Rechtsgrundlagen nützen nichts, wenn der politische Wille fehlt, ein heikles Problem anzugehen. Bei der Rettung einer Grossbank mit Steuergeldern ging man im Oktober 2008 an die Grenze des rechtlich Vertretbaren; EBK und SNB behandelten die UBS, wie wenn sie nur ein Liquiditäts- und kein Solvenzproblem gehabt hätte. Wenn es aber um den Schutz der Steuerzahler vor den gefährlichen Casinospielen der Grossbanken geht, schöpft man den rechtlichen Handlungsspielraum, den man hat, bei weitem nicht aus. Von Bundesrat Merz waren wir uns nichts anderes gewohnt. Er hat zunächst ein Jahr zugewartet, bis im November 2009 – unter dem Druck einer SVP-Motion – eine Expertengruppe Siegenthaler eingesetzt wurde. Diese Experten haben eine beachtliche Leistung vollbracht. Innert Jahresfrist konnten sie im Konsens eine akzeptable Lösung der Too-big-to-fail-Problematik präsentieren, der auch die beiden Grossbanken zustimmen wollten.

Nächster Finanz-GAU droht

Mit Bundesrätin Widmer-Schlumpf im EFD hat dann der Bundesrat rasch gehandelt. Schon drei Monate später schickte er eine Vorlage in die Vernehmlassung, die vom Ergebnis der Experten allerdings etwas abweicht und deshalb Widerstand provoziert: der Finma werden zusätzlich Kompetenzen eingeräumt, damit sie in die Organisation der Grossinstitute eingreifen kann; die Grossbanken wollen dem nicht zustimmen. Und mit der Befreiung von der Emissionsabgabe für sämtliche Obligationen wird die Vorlage zu einem Steuergeschenk an den Finanzplatz im Umfang von 200 Millionen Franken pro Jahr. Das will die Linke nicht schlucken. Sind das taktische Winkelzüge, oder will man aktiv einen Konsens verhindern? Es ist jedenfalls fraglich, ob das Parlament vor den Wahlen eine griffige Lösung zustande bringt. Gleichzeitig spitzt sich die internationale Schuldenkrise zu und droht in einer Schuldenkatastrophe und noch grösseren Finanzkrise zu münden. Umso schneller müssen Bundesrat und Finma ihre Kompetenzen endlich wahrnehmen und ihre Pflicht erfüllen. Auf der Grundlage von Artikel 4 des Bankengesetzes können sie sofort handeln und die Eigenmittel für die systemrelevanten Grossbanken mindestens so hoch ansetzen, wie es die Experten verlangen.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Autor des Buches «Die Banken und ihre Schweiz. Perspektive einer Krise».

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