smoking

Tabakakonsum schadet – trotzdem fördert ihn die Schweiz ausserordentlich stark. © public-domain Cheryl Holt

Die Schweiz ist globales Tabak-Paradies

Fabian Strässle /  Fast alle anderen Länder regulieren Tabakkonzerne stärker. Zudem subventioniert die Schweiz den Tabakanbau mit Millionen.

psi. Dies ist ein Gastbeitrag. Er erschien zuerst auf der Website von Lobbywatch.

In kaum einem anderen Staat hat die Tabakindustrie so viel politischen Einfluss wie in der Schweiz. Bereits der Tabaklobby-Index 2023 wies unserem Land den zweitletzten Rang zu, auch damals schon vor der Dominikanischen Republik.

Der aktuelle «Global Tobacco Industry Interference Index 2025 (GTI)», an dem Lobbywatch mitgewirkt hat, bestätigt dieses Bild: Die Schweiz erreicht 96 von 100 möglichen Punkten. Alle europäischen Staaten und OECD-Länder sind besser platziert. Die Auswertung umfasst 20 Indikatoren in den Bereichen Transparenz, Interessenkonflikte, politische Nähe und Einflussnahme auf Gesetzgebungsprozesse und deckt den Zeitraum von März 2023 bis März 2025 ab.

Übersicht GTIDrahtzieher der Tabaklobby

Die wirtschaftliche Basis der Tabaklobby stützt sich hierzulande auf drei grosse multinationale Konzerne, die den heimischen Tabakmarkt dominieren und weltweit zu den grössten Akteuren zählen: Philip Morris International (PMI) mit Sitz in Lausanne hält in der Schweiz 41 Prozent Marktanteil, British American Tobacco (BAT) in Genf 33 Prozent und Japan Tobacco International (JTI), ebenfalls in Genf, rund 26 Prozent.

Ebenfalls wichtige Player im Tabakgeschäft sind Oettinger Davidoff aus Basel und Villiger Söhne aus dem luzernischen Pfeffikon. Diese Firmen vereinen fast alle handelsüblichen Tabakmarken und E-Zigaretten, die in der Schweiz erhältlich sind – mit Ausnahme von Snus und Shisha-Tabak. Ihre Produktionsstandorte gelten in den jeweiligen Gemeinden und Kantonen als wirtschaftlich bedeutsam. Produziert wird dort sowohl für den heimischen Markt als auch für den Export.

Vom Acker bis zur Ladentheke – das Netzwerk der Tabaklobby

Die Lobbyarbeit beginnt bereits auf dem Feld. Swiss Tabac ist der Branchenverband der Schweizer Tabakpflanzer, Mitglied des Schweizer Bauernverbandes und lobbyiert in Bern für deren Anliegen. Im Jahr 2024 bewirtschafteten über hundert Tabakbauern eine Gesamtfläche von 366 Hektaren. Dies wurde mit fast 15 Millionen Franken subventioniert. Laut dem GTI-Bericht 2025 entrichtet der Bund beim Tabakanbau Direktzahlungen von 40’000 Franken pro Hektar. Diese staatlichen Subventionen begünstigen indirekt die grossen Tabakkonzerne, die das Rohmaterial weiterverarbeiten.

Vom Feld gelangt der Tabak in die Hände der Konzerne PMI, BAT und JTI und mit ihnen in die nächste Ebene des Lobby-Netzwerks. Die drei Unternehmen unterhalten gemeinsam die Lobby-Organisation Swiss Cigarette, welche die Interessen der Hersteller direkt im Bundeshaus vertritt. Denn deren Geschäftsstelle wird von Martin Kuonen geleitet, der über einen Parlamentszugangs-Badge verfügt – ausgestellt vom Walliser FDP-Nationalrat Philippe Nantermod.

Einmal produziert, müssen die Zigaretten beworben und dann verkauft werden. Hier kommt der Dachverband der Werbewirtschaft, KS/CS Kommunikation Schweiz, ins Spiel. KS/CS tritt konsequent gegen Werbeverbote ein und bekämpfte auch die Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Wenig überraschend zählen PMI, BAT und JTI zu den Premiumpartnern des Verbands.

Die finale Vertriebsstufe wird von Swiss Tobacco (nicht zu verwechseln mit Swiss Tabac) vertreten, der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels. Der Verband wird von SVP-Nationalrat Gregor Rutz präsidiert – ein vergütetes Amt, dessen Einkommenshöhe Rutz gegenüber Lobbywatch aber nicht deklarieren will.

Swiss Tobacco vereint Unternehmen des Gross- und Einzelhandels: vom Basler Traditionsunternehmen Oettinger Davidoff über die Swiss Retail Federation bis zu Denner und der Kioskkette Valora. Sie alle haben ein wirtschaftliches Interesse an einem laschen Tabakproduktegesetz, das ihre Verkaufszahlen nicht beeinträchtigt.

Die einzelnen Akteure agieren nicht isoliert, sondern sind Teil einer übergreifenden Dachorganisation: der Allianz der Wirtschaft für eine massvolle Präventionspolitik (AWMP). Diese wurde als Reaktion auf Regulierungsbestrebungen des Bundesamts für Gesundheit in den Bereichen Tabak, Alkohol und Ernährung gegründet.

Zu ihren Mitgliedern zählen etwa KS/CS Kommunikation Schweiz, JTI, Swiss Tobacco und Swiss Cigarette, daneben auch andere Lobby-Schwergewichte wie Gastrosuisse, der Schweizer Bauernverband, Handel Schweiz und der Verband der Tankstellenshop-Betreiber, oder die IG Freiheit.

Komplettiert wird der breite Unterstützerkreis von der SVP und den Jungfreisinnigen Schweiz – ein Netzwerk, das alle Stufen der Tabakwirtschaft mit politischem Einfluss verbindet.

30 Parlamentarier:innen mit Verbindungen zur Tabak-Lobby

Zwischen Parlament und Tabak-Lobby verlaufen in der Schweiz auffallend viele direkte Verbindungen. Nach Recherchen von Lobbywatch haben rund 30 Mitglieder des eidgenössischen Parlaments direkte oder indirekte Beziehungen zur Tabakbranche – darunter auch Mandatsträger:innen in den für Tabakregulierung zentralen Kommissionen für Gesundheit (SGK) sowie Wirtschaft und Abgaben (WAK).

Zu nennen sind insbesondere:

  • Hannes Germann (SVP, SH): Vizepräsident der SGK-S, Mitglied der WAK-S, gewährte einer früheren BAT-Lobbyistin Zugang zum Parlament
  • Gregor Rutz (SVP, ZH): Präsident der Vereinigung des Schweizerischen Tabakwarenhandels, Präsident der IG Freiheit
  • Diana Gutjahr (SVP, TG), Mitglied der SGK-N, sowie Vorstandsmitglied bei der IG Freiheit und im Schweizerischen Gewerbeverband (SGV)
  • Daniela Schneeberger (FDP, BL): Mitglied der WAK-N und ist Vizepräsidentin des SGV
  • Markus Ritter (Die Mitte, SG): Präsident des Bauernverbands, gab im besagten Zeitraum seinen Badge an Francis Egger von Swiss Tabac, Mitglied in WAK-N
  • Erich Ettlin (Die Mitte, OW): Vizepräsident der WAK-S, ist im SGV aktiv

Volksinitiative verwässert: Das neue Tabakproduktegesetz

Wie deutlich der Einfluss der Tabaklobby im Gesetzgebungsprozess spürbar ist, zeigte sich bei der Umsetzung der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Obwohl die Stimmbevölkerung die Initiative 2022 angenommen hatte und damit ein Werbeverbot für Tabakprodukte forderte, die Kinder und Jugendliche erreichen, entschärfte das Parlament bei der Ausarbeitung des neuen Tabakproduktegesetzes (TabPG) zentrale Bestimmungen.

Der ursprüngliche Entwurf enthielt wesentliche Jugendschutzmassnahmen: Der Verkauf von Tabakprodukten an Minderjährige sollte verboten, die Werbung im öffentlichen Raum stark eingeschränkt und das Sponsoring von Jugendveranstaltungen sowie internationalen Anlässen untersagt werden. In der parlamentarischen Beratung wurde die Sponsoring-Regelung jedoch verwässert. Gemäss der aktuellen Gesetzesfassung bleibt Tabak-Sponsoring grundsätzlich zulässig, sofern eine öffentliche Veranstaltung nicht «internationalen Charakter hat», oder «auf ein minderjähriges Publikum abzielt» (Art. 20 Abs. 1 TabPG). Diese breiten Formulierungen schaffen erhebliche Interpretationsspielräume – und damit Schlupflöcher.

Wie es zu dieser Abschwächung kam, erklärt der Beobachter-Journalist und langjährige Co-Präsident von Lobbywatch, Thomas Angeli. Besonders heikel ist aus seiner Sicht ein Zusatz der SGK-S, der das ursprünglich vorgesehene Sponsoringverbot faktisch aushebelte. Dieser Passus fand sich im Vernehmlassungsverfahren beinahe wortgleich in den Stellungnahmen von Swiss Cigarette, JTI und BAT.

«Dass die schliesslich übernommene Formulierung fast identisch klingt, dürfte kein Zufall sein», so Angeli. In der SGK-S sitzen mit Damian Müller und Hannes Germann zwei Ständeräte, deren Nähe zur Tabakindustrie bekannt ist. Wegen des Kommissionsgeheimnisses ist jedoch unklar, wer die einzelnen Formulierungen eingebracht hat. Fest steht: Die Kommission griff Textpassagen auf, die im Vernehmlassungsverfahren von der Tabakindustrie vorgeschlagen worden waren. Und so bleibt der Eindruck, dass der endgültige Gesetzestext – trotz kleiner Fortschritte im Jugendschutz – spürbar von den Interessen der Tabakindustrie geprägt ist.

Parteienfinanzierung: PMI spendet an SVP und FDP

Zur Parteienfinanzierung hat Lobbywatch immer wieder recherchiert. Zwar gelten seit 2023 neue Transparenzregeln, doch bleiben viele weiterhin undurchsichtig. Gemäss der Eidgenössischen Finanzkontrolle überwies Philip Morris International bei den eidgenössischen Wahlen 2023 je 35’000 Franken an SVP und FDP – im Vergleich zu den Gesamtbudgets der Parteien überschaubare Beträge, die aber dennoch zeigen, wer die Interessen der Tabakindustrie in Bern vertritt.

Der «Global Tobacco Industry Interference Index 2025» zeichnet ein deutliches Bild: Die Schweiz belegt mit 96 von 100 Punkten den vorletzten Platz weltweit – ein Befund, der angesichts des dichten Netzwerks aus Konzernen, Verbänden und Parlamentsmitgliedern nicht überrascht. Ein Blick auf die Tabak-Lobby zeigt, woran es dem Schweizer System mangelt: an Transparenz und klaren Regeln. Sei es bei der Vergabe von Zugangs-Badges zum Bundeshaus, bei der Einflussnahme im Gesetzgebungsprozess oder bei der Nachvollziehbarkeit von Geldflüssen – überall bestehen Grauzonen, die systematische Einflussnahme begünstigen. Solange diese Lücken nicht geschlossen werden, bleibt die Schweiz ein Paradies für Lobbyismus.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Fabian Strässle recherchiert für Lobbywatch. Alle genannten Beispiele und Beträge stammen aus dem GTI-Bericht 2025, aus öffentlich zugänglichen Dokumenten, der Lobbywatch-Datenbank sowie aus der Plattform das Geld + die Politik. Der Länderbericht Schweiz zum Global Tobacco Industry Interference Index (GTI) 2025 wurde vom Global Center for Good Governance in Tobacco Control (GGTC) gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Tabakprävention Schweiz, erstellt. Lobbywatch hat unter anderem bei Recherche und Auswertung mitgewirkt.
_____________________
➔ Solche Artikel sind nur dank Ihren SPENDEN möglich. Spenden an unsere Stiftung können Sie bei den Steuern abziehen.

Mit Twint oder Bank-App auch gleich hier:



_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

Zum Infosperber-Dossier:

Drogen

Drogen verbieten oder legalisieren?

Der Drogenkrieg ist ein Fiasko, sagen die einen, keine weiteren Drogen neben Alkohol und Tabak die andern.

Lobbyist_Hand

Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

Konzerne_Politik

Politik in der Hand von Konzernen

Weltkonzerne sind mächtiger als manche Regierungen. Parlamente haben sie mit Lobbyisten und Geld im Griff.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...