Cassis–Schwab

Bundesrat Cassis (r.) twitterte die Unterschriftszeremonie mit Klaus Schwab. © Screenshot Twitter

Cassis und die Davos Men – gefährliche Liaison

Monique Ryser /  Der Gesamtbundesrat hat sie nicht gesehen, aber unterzeichnet ist sie schon. Die Vereinbarung mit dem WEF zur engen Zusammenarbeit.

Den Deal hat die «NZZ am Sonntag» (NZZaS) als erste inhaltlich publiziert: «Experten des Bundes sollen an WEF-Projekten mitarbeiten», titelte sie. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA hat die Vereinbarung in einem verschämten Nebensatz ganz am Ende der Medienmitteilung zur Eröffnung des «House of Switzerland» in Davos versteckt. Zwar hat Cassis die Unterzeichnung auf Twitter gestellt, aber im aufgeregt gedrängten Programm in Davos ging dieses Treffen unter. Nun stellt sich heraus: Nicht einmal Cassis’ Kolleginnen und Kollegen vom Bundesrat wussten über den Inhalt Bescheid. Das ist erstaunlich, denn die von Aussenminister Ignazio Cassis und WEF-Gründer Klaus Schwab unterzeichnete Vereinbarung Bund-WEF geht so weit wie keine andere Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen in Genf.

Bundesbeamte beim WEF
Vier Themenbereiche sollen Schwerpunkt der engen Zusammenarbeit bilden: digitale Governanz (übergreifende Gestaltung der digitalen Transformation), verantwortungsvolles Produzieren und Konsumieren, Entwicklung neuer Arbeitsformen im Zuge der Digitalisierung sowie nachhaltige Finanzwirtschaft und Fintech. «Bei diesen Themen sollen Experten aus der Bundesverwaltung künftig direkt mit unseren Forschern zusammenarbeiten», zitiert die NZZaS den Managing Director des WEF, Alois Zwinggi. Möglich wäre auch, Fachleute aus der Verwaltung für eine bestimmte Zeit ans WEF zu delegieren, so profitiere das WEF vom Know-how der Bundesexperten, auf der anderen Seite erhielte der Bund den Zugang zu Forschungsresultaten, schreibt die NZZaS. Der enge Austausch von Personal und Wissen sind einmalig und hätten zumindest im Bundesrat zur Diskussion gestellt werden sollen. Auf die Nachfrage, ob es weitere, derartige Zusammenarbeiten des Bundes mit anderen NGO’s, Stiftungen oder Think Tanks gebe, antwortet die EDA-Medienstelle mit: «Nein.» Den Wortlaut der Vereinbarung wollte das EDA trotz zweifacher Nachfrage nicht offenlegen.

Aussenpolitiker wollen Auskunft
Das ruft nun auch Aussenpolitiker auf den Plan. Nationalrat Fabian Molina (SP / ZH) versteht nicht, wie eine solche Vereinbarung zustande kommen konnte. «Ich werde an der nächsten Sitzung der Aussenpolitischen Kommission Auskunft von Bundesrat Cassis verlangen. An der letzten Sitzung war er ja nicht dabei, da alle Bundesräte nach Davos gepilgert sind.»

Ausgerechnet Finanzplatz
Wie heikel die nun vereinbarte Partnerschaft ist, zeigt beispielhaft der Themenbereich «nachhaltige Finanzwirtschaft und Fintech»: Die Schweiz ist mit ihren Grossbanken ein wichtiger Player im globalen Finanzsystem und selbstverständlich gehören UBS und Credit Suisse zu den Finanzindustriepartnern des WEF, genauso wie rund 80 weitere Banken und Kapitalmarktteilnehmer. «Partner» heisst in diesem Zusammenhang: Beitragszahler an die Stiftung, die dem WEF seine rechtliche Form gibt. UBS und Credit Suisse sind auch unter den strategischen Partnern aufgelistet, gehören also zu den grossen Beitragszahlern. Auch Facebook ist strategischer Partner – das ist nicht unwichtig, plant der kalifornische Datenriese doch, seine geplante Kryptowährung Libra in Genf auszugeben. Interessant also, dass sich die Schweiz beim WEF Wissen über Fintech aneignen will. Und dass die Bundesverwaltung dem WEF Wissen weitergeben soll. Da also der Staat, dort ein von Firmen aus der ganzen Welt finanziertes Forum. Die geplante enge Zusammenarbeit dürfte die Forscherinnen und Forscher an der Hochschule Luzern frustrieren, die mit dem Institute of Financial Services in Zug ein wissenschaftliches Fintech-Zentrum aufgebaut haben. Man sollte meinen, dass der Bund in der Lage sein sollte, Studien nach eigenen Kriterien in Auftrag zu geben und unabhängig – von allen Interessentengruppen – Grundlagen für die Entscheidfindung zu besorgen.

UNO-Agenda als Begründung
Es gäbe da ja auch noch unabhängigere Organisationen, mit denen Gespräche geführt und die Zusammenarbeit gepflegt werden könnte: In Genf sind der europäische UNO-Sitz und zahlreiche Unterorganisationen der UNO domiziliert. Doch eigenartigerweise wird vom EDA auch die UNO als Grund genannt, weshalb die Zusammenarbeit mit dem WEF noch inniger werden soll. Auf die Frage, wer die Vereinbarung vorgeschlagen habe, antwortet die Medienstelle nicht direkt, sondern mit folgender Aussage: «Es haben sich neue Themen für eine mögliche Zusammenarbeit ergeben, insbesondere die Digitalisierung und die Umsetzung der Agenda 2030.» Die Agenda 2030, das sind 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung, von der UNO als Nachfolgeprogramm der Milleniumsziele ins Leben gerufen. Wieso der Staat Schweiz in diesem Zusammenhang mit dem WEF zusammenarbeiten muss, wissen wohl nur die Unterzeichner der Vereinbarung.

Vorrechte und Erleichterungen
Als rechtliche Grundlage für die Vereinbarung verweist das EDA auf Artikel 6 des «Abkommens zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Stiftung World Economic Forum zur Festlegung des Status» gemäss Gaststaatgesetz.
Dieses Abkommen hält fest, dass die Zusammenarbeit in einem separaten Abkommen zwischen dem EDA und dem WEF geregelt werde. Was das EDA in einem so heiklen Fall aber nicht von der Informationspflicht gegenüber anderen Departementen abhalten sollte. Weiter werden Vorrechte und Erleichterungen an internationale Organisationen festgelegt. Das WEF kann also die Unterstützung durch Schweizer Diplomaten im Ausland in Anspruch nehmen, kann finanzielle Unterstützung erhalten, kann ausländische Personen ausserhalb der Kontingentsregeln anstellen und muss keine direkte Bundessteuer bezahlen – was das WEF als Stiftung aber auch vorher nicht musste. Von Immunitätsregeln profitiere das WEF nicht, schreibt das EDA. Auch seien keine finanziellen oder rechtlichen Implikationen in der Vereinbarung eingeschlossen, ausser der festgelegten Zusammenarbeit in den erwähnten Themenbereichen. Bereits heute kostet das WEF die Eidgenossenschaft und die Kantone mindestens 45 Millionen Franken an Sicherheitskosten. Selber besitzt die Stiftung Reserven von 310 Millionen Franken und ein Stiftungskapital von rund 34 Millionen.

Nachtrag
Am Abend nach Erscheinen des Artikels hat das EDA die Vereinbarung mit dem WEF doch noch veröffentlich. Hier als pdf in französischer Sprache angehängt.

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Weiterführende Infosperber-Artikel zur Thematik:
Auch die Kantone subventionieren das WEF

WEF: Dagobert scheffelt weiter

WEF-Gründer Klaus Schwab schmückt sich mit fremden Federn

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine

Zum Infosperber-Dossier:

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Macht und Einfluss von Lobbys

Für Anliegen zu lobbyieren ist legitim. Doch allzu mächtige Lobbys korrumpieren Politik und Gesellschaft.

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3 Meinungen

  • am 29.01.2020 um 13:07 Uhr
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    Es gab mal eine Zeit, in der das WEF als das gesehen wurde, für was es steht. Ein Vernetzungsforum für die globalen Eliten der Konzern- Finanz- Rüstungs- und Politikeliten. Also diejenigen, die unsere Welt in das führten, was sie jetzt ist und damit unsäglich reich und reicher wurden. Das Image war schlecht, also hat mein NGO‘s Hollywoodsternchen und andere Mahner eingebunden, und siehe da, das Image ist gut. „Wir wollen nur das Beste (haha) für die Welt, ja, heute sind wir da, um die Erde vor dem Kollaps zu retten. Unglaublich geschickt gemacht. Inzwischen wird vom Staatssender live Gespräche übertragen, ehrfürchtig berichtetet man über diese engagierten Profiteure und Verursacher unserer vergifteten Welt. La Garde, die feine Dame, zusammen mit Greta und alles ist gut, wir sind doch alle so bemüht. Wo ist der engagierte investigative Journalismus geblieben. Der Journalismus der Fragen stellt, recherchiert und sieht, wie geschickt das WEF vorgegangen ist, indem es sich einfach all die engagierten NGO und Menschen einverleibt hat und sie nun als ihre Werkzeuge gebraucht. Und wir alle können uns zurücklehnen und merken nicht was gespielt wird. Und unsere Regierung haben sie sich auch schon einverleibt. Das Spektakel der Eliten kostet uns viel Geld, aber was solls. Wer ist Herr Schwab? Könnte mal einer der Journalisten der Frage nachgehen, wofür er steht, anstatt dieser ewigen Lobhudelei

  • am 29.01.2020 um 16:01 Uhr
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    Ich finde das schlimm und bin empört. Es ist glaube ich das erste Mal, dass der Bundesrat komplett zum WEF ging. Der Bundesrat vertritt meine Interessen immer weniger. Abgesehen von Selbstverständlichen vielleicht noch 5%. War schon mal über 30%.

  • am 30.01.2020 um 01:30 Uhr
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    Das WEF ist ein selbsternannter privater Club von vor allem wirtschaftlich mächtigen Profiteuren, der in keiner Weise demokratisch legitimiert oder demokratisch legitimierbar ist. Es nicht ersichtlich, inwiefern die Tätigkeit dieses Clubs öffentlichen Interessen der Schweiz und der schweizerischen Bevölkerung dient. Es ist daher stossend, dass der Bundesrat diesen Verein hofiert und z.B. alljährlich Davos zur verbotenen Stadt erklärt und dieses Verbot mit Steuergeldern durchsetzt.
    Politik ist die Kunst, Partikularinteressen für Allgemeininteressen auszugeben; in diesem Sinne ist Herr Schwab ein erfolgreicher Politiker.
    Ich halte es für eine Gefahr für und einen Mangel vieler Demokratien, dass Wahlen und Abstimmungen käuflich sind, weil sie mit genügend Geld entschieden werden können. Das ermöglicht es reichen Minderheiten immer wieder, wichtige Entscheide zulasten der armen Mehrheit zu wenden; zum Beispiel: Abschaffung der Erbschaftssteuer; Ersatz von progressiven Einkommens- und Vermögenssteuern durch unsoziale Konsumsteuern (MWSt).
    Dem WEF gelingt es nahezu perfekt und weitgehend unwidersprochen, seine Partikularinteressen als Allgemeininteressen auf öffentliche Kosten zu verbreiten – ziemlich unappetitlich. Und Herr Cassis merkt wohl gar nicht, dass er sich zum wohlfeilen Botenjungen dieser Herrschaften gemacht hat.

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