ViolaAmherd

CVP-Nationalrätin Viola Amherd: «Ich verzichte auf eine Stellungnahme» © Parlament

Bundesratskandidatin im «Club der Schweiger»

Kurt Marti /  Die Walliser CVP-Bundesratskandidatin Viola Amherd boykottierte jahrelang die Oberwalliser Zeitung «Rote Anneliese».

Wie souverän geht eine Bundesratskandidatin beziehungsweise ein Bundesratskandidat mit kritischen Personen und Medien um? Das ist eine Frage, deren Beantwortung nicht unwesentlich ist, wenn jemand Bundesrätin beziehungsweise Bundesrat werden will.

Gegenüber dem Walliser TV-Sender «Kanal 9» erklärte die CVP-Bundesratskandidatin Viola Amherd gestern:

«Ich denke, dass man transparent über Fragen, die gestellt werden, Auskunft geben muss. Das ist klar. Das mache ich auch. Ich habe da keine Probleme.»

Als ehemaliger Redaktor der Oberwalliser Oppositionszeitung «Rote Anneliese» (2000 – 2010) kann ich der Bundesratskandidatin Amherd in dieser Hinsicht kein gutes Zeugnis ausstellen. Sie gehörte nämlich zu jenen Walliser CVP-PolitikerInnen, welche der «Roten Anneliese» (RA) Stellungnahmen verweigerten.

Zu diesem «Club der Schweiger» gehörte ein grosser Teil der Walliser CVP-Nomenklatura, beispielsweise der heutige SRG-Präsident Jean-Michel Cina sowie der frühere Walliser CVP-Ständerat Rolf Escher.

Amherd schloss sich Eschers Boykott an

Die folgende Geschichte liegt zwar schon über zehn Jahre zurück, aber sie zeigt auf, wie Amherd tickt. Im Januar 2006 wollte ich von den damaligen Walliser BundesparlamentarierInnen wissen, ob sie angesichts der horrenden Gewinne der Stromwirtschaft für eine Erhöhung der Wasserzinsen seien und wenn ja, welche politischen Schritte sie dafür zu unternehmen gedenken.

Postwendend verweigerte der damalige Oberwalliser CVP-Ständerat Rolf Escher eine Stellungnahme mit folgenden Worten:

«Ich kann Ihnen nur noch ein weiteres Mal bestätigen, dass ich für Medienerklärungen der ‚Roten Anneliese’ auch weiterhin nicht zur Verfügung stehe.»

Seine Nicht-Stellungnahme schickte Escher präventiv per Mail-Kopie auch an die anderen Angefragten. Während beispielsweise die damaligen Nationalräte Christophe Darbellay und Oskar Freysinger Stellung nahmen, schloss sich Viola Amherd dem Boykott von Escher mit folgenden, knappen Worten an:

«Besten Dank für die Anfrage. Ich verzichte auf eine Stellungnahme zu Handen der RA.»

Für das Wallis ging es um jährlich 40 Millionen

Im Fall der Wasserzinse war glasklar, warum Escher lieber schwieg. Er sass nämlich im Verwaltungsrat der «Electra-Massa AG», einer Tochtergesellschaft der Stromkonzerne Alpiq, Axpo und BKW, und er propagierte im Dienst der Stromlobby und gegen die Interessen des Kantons Wallis mit einer Interpellation im Ständerat eine Liberalisierung der Wasserzinsen.

Weil dieser Vorstoss auf eine Senkung der Wasserzinsen hinausgelaufen wäre, lehnte ihn damals selbst der Bundesrat ab und belehrte den Walliser Ständerat: «Die jährlichen Erträge aus der Nutzung der Wasserkraft sind gerade in den Gebirgskantonen wichtig.»

Der damalige Wasserkraft-Report der «Roten Anneliese» lieferte Fakten und zeigte politische Wirkung: Die Erhöhung der Wasserzinsen wurde vom eidgenössischen Parlament angenommen und spült dem Kanton Wallis jährlich zusätzliche 40 Millionen Franken in die öffentlichen Kassen.

Weitere Beispiele der Schweige-Doktrin

Auch ein Jahr später hielt sich Amherd an die Schweige-Doktrin. Im Februar 2007 ging es um die Kritik an einer 100‘000 Franken teuren Studie zum Thema «Privat-Klinik Oberwallis». Die RA stellte Amherd dazu eine Reihe von kritischen Fragen und erhielt die bekannte Antwort im Escher-Stil:

«Wie bereits früher mitgeteilt, verzichte ich darauf, die Fragen der RA zu beantworten.»

Damit spielte Amherd auf eine frühere Antwort-Verweigerung aus dem Jahr 2005 an:

«Aufgrund Ihrer bisherigen Berichterstattung in vorerwähnter Angelegenheit verzichte ich auf die Beantwortung weiterer Fragen. Wie ich feststellen konnte, berichten Sie unabhängig von den Antworten, die Sie erhalten, Ihre eigene Geschichte.»

Es ging damals um einen Streitfall zum Kies-Abbau. Auf die von mir gestellten, konkreten Fragen ging Amherd nicht im Detail ein, sondern lieferte einen Text, von dem sie verlangte, dass er «unverändert und integral zu publizieren» sei.

Amherds Kritik, ich hätte meine eigene Geschichte «unabhängig von den Antworten» publiziert, traf nicht zu. Zwar hatte ich die Geschichte aus einer kritischen Perspektive erzählt, aber Amherds wesentliche Argumente kamen im Artikel vor, wenn auch nicht in der von ihr verlangten, epischen Länge.

Zwei «Schweiger» an der Spitze

Ein souveräner Umgang mit kritischen Medien und mit politisch Andersdenkenden sieht anders aus. Sollte Amherd am 5. Dezember zur Bundesrätin gewählt werden und von Doris Leuthard das «Departement für Umwelt, Verkehr und Kommunikation» erben, dann würden zwei Mitglieder des «Clubs der Schweiger» medienpolitisch ganz oben sitzen: Amherd als Medienministerin und Cina als SRG-Präsident.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Kurt Marti war von 2000 bis 2010 Redaktor der «Roten Anneliese» und ist Autor des Buches «Tal des Schweigens: Walliser Geschichten über Parteifilz, Kirche, Medien und Justiz». 2013 gewann er den Publikumspreis des «Prix Courage» der Zeitschrift Beobachter.

Zum Infosperber-Dossier:

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7 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 9.11.2018 um 12:39 Uhr
    Permalink

    Peter Bodenmann hat in der Weltwoche soeben Heidi Zgraggen, Regierungsrätin UR, und Peter Hegglin, Ständerat ZG, auf Null geschrieben, wohingegen er dies im Hinblick auf die ihm lokal nahestehende Viola Amherd (Brig) dem stellvertretenden Chefredaktor überliess; wohl auch, weil Amherd sich als Taktikerin gegenüber Linken kompromissbereiter gibt als andere, wobei sie mit Eveline Widmer-Schlumpf, von Bodenmann als Kuckucksei bezeichnet, an Format nicht zu verwechseln ist. Marti hat als mehr fundamentalistischer Linker da eine andere Sicht. Offensichtlich sind noch Rechnungen zu begleichen. Für mich als ehemaligen CVP-Delegierten, der ich im Gegensatz zu Marti die Partei nicht ungern saniert sähe, sieht es so aus: Eine Wahl aus einer Kantonalpartei à la Democrazia Christiana befürwortet, wer den Untergang der CVP beschleunigen, aber für eine Übergangszeit noch eine opportunistische Konkursverwalterin als geringeres Übel in Stellung bringen will, wie es Bodenmann als alpiner Machiavelli wohl richtig sieht. Völlig klar macht er indes, dass seit 1891 kaum je eine vergleichbar schlechte Auswahl von CVP Bundesratskandidaten und Bundesratskandidatinnen aufgestellt wurde. Die allerschlimmsten Artikel von Bodenmann sind immer diejenigen, bei welchen er recht hat. Gilt wohl auch bezüglich Freysingers Memoiren, betr. seine Ausführungen zur CVP VS, wiewohl er statt eher wehleidiger Reminiszenzen sich besser auf seinen überraschend frisch geschriebenen Roman «Bergfried» konzentriert hätte.

  • am 9.11.2018 um 14:02 Uhr
    Permalink

    Da lässt infosperber einen Betroffenen eine alte Geschichte zu einem anderen Zweck als der Klärung von deren Hintergründe aufwärmen. Der Artikel ist eindeutig unter der sonstigen Qualität von infosperber.
    Ich kenne die «Rote Anneliese» nicht näher. Aber es gibt natürlich schon Zeitungen, denen man berechtigterweise Stellungnahmen verweigert.

  • am 10.11.2018 um 10:02 Uhr
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    Es ist schon aufschlussreich, wenn der CVP-Mann und pensionierte Bundesrichter Giusep Nay schreibt, er kenne die «Rote Anneliese» nicht, dann aber findet, es gebe schon Medien, denen man berechtigterweise Stellungnahmen verweigert.Was für ein Scharfsinn.

  • am 10.11.2018 um 10:31 Uhr
    Permalink

    Es unterstreicht meine langjährige Meinung, dass Medien immer mehr versuchen, die Politik/Poltitiker zu beeinflussen ! Eigentlich verlange ich nur Information und zwar neutrale ! Wir sind erwachsen und können die Meinung selber machen…

  • am 11.11.2018 um 15:06 Uhr
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    @Maurer,
    Ihr Wunsch nach neutraler Information in Ehren aber
    die letzten 5’000 Jahre wurde nur selektiv informiert und in den nächsten 5’000 Jahre wird sich das nicht ändern.

  • am 12.11.2018 um 18:39 Uhr
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    Wir haben doch schon einen Bundesrat aus dem Wallis. Oder ist der Mann namens Infantino, der mit den dubiosesten Figuren der Weltgeschichte herumturtelt, etwa nicht in der Regierung? Wollen wir noch mehr Repräsentanten aus diesem Kanton, für die man sich schämen muss?

  • am 13.11.2018 um 16:26 Uhr
    Permalink

    Giusep Nay schreibt: «Es gibt natürlich schon Zeitungen, denen man berechtigterweise (!) Stellungnahmen verweigert.» Als ehem. Bundesgerichtspräsident zeigt dieser Mann ein eigenartiges Demokratieverständnis. Es ist klar, dass er die WELTWOCHE meint, der er und eine ganze Reihe linker Politikerinnen und Politiker Stellungnahmen verweigern. Wo ist da der Unterschied? Warum empört sich Marti nur, wenn seine Rote Anneliese «boykottiert» wird? Ein Recht auf eine Stellungnahme gegenüber einer Zeitung jedweder politischer Couleur ist weder gesetzlich noch moralisch durchsetzbar. Das verfassungsmässige Recht auf die freie Meinung beinhaltet auch das Recht, diese nicht zu äussern.

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