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Die koreanischen Temporärarbeiter mussten sich an eine Wand stellen, wurden verhaftet, befragt, inhaftiert und einige Tage später nach Korea ausgewiesen. © Channel4News

Nach der willkürlichen Verhaftung von 317 Koreanern in den USA

Josef Estermann /  Sie wollten – wie von Trump gewünscht – eine Hyundai-Fabrik vor Ort im US-Bundesstaat Georgia bauen und wurden Opfer einer Razzia.

«Die USA sind kein sicherer Ort zum Arbeiten», meinte Park Sun-kyu, nachdem er wegen angeblich Illegalem Aufenthalt in sein Heimatland Südkorea abgeschoben worden war. Am Morgen des 4. September 2025 stürmten rund 400 Sicherheitsbeamte der US Home-Security Behörde, also der Fremdenpolizei, in einer Autofabrik von Hyundai im Bundesstaat Georgia das Fabrikgelände und nahmen 317 koreanische Arbeiter fest.

Nach einem einwöchigen Aufenthalt in einem Internierungslager mussten sie das Land verlassen und nach Südkorea zurückkehren, ohne den Grund ihrer Verhaftung und Landesverweisung erfahren zu haben. Viele von ihnen sind noch immer traumatisiert, leiden unter Schlafstörungen und verstehen nicht, was ihnen geschehen ist.

Widerspruch zwischen Handels- und Migrationspolitik

Die südkoreanischen Temporärarbeiter wurden Opfer eines offensichtlichen Widerspruchs zwischen der von US-Präsident Trump vorangetriebenen protektionistischen Handelspolitik und seiner sehr repressiven Migrationspolitik. Aufgrund der hohen Zölle, die Trump vielen Ländern, darunter auch Südkorea, angedroht oder bereits auferlegt hat, versuchen ausländische Firmen wie der südkoreanische Automobilhersteller Hyundai, die Produktion in den USA hochzufahren. Dabei stossen solche Vorhaben schnell an ihre Grenzen, da im Land qualifizierte Arbeitskräfte fehlen.

Die Südkoreaner, die des Landes verwiesen wurden, hatten sich genau aus diesem Grund in den USA aufgehalten: Sie wurden als Fachkräfte für den Aufbau einer eigenen Batteriefabrik für Elektroautos rekrutiert und mit unterschiedlichen Aufenthaltsvisa ausgestattet, die aber alle zeitlich auf höchstens ein halbes Jahr begrenzt waren. 

Die Immigrationsbehörde sah diesen Aufenthalt allerdings als illegal an und schritt entsprechend drastisch ein. Als Folge der Ausschaffung der 317 südkoreanischen Fachkräfte kann jetzt die Fabrik nicht in der vorgesehenen Zeit fertiggestellt werden. Die «Tausenden von Arbeitsplätzen», die sich der Gouverneur von Georgia erhofft hat, bleiben bis auf Weiteres Makulatur.

Menschenrechtsverletzungen

Mit der Razzia vom 4. September und der Internierung unter menschenunwürdigen Bedingungen, sowie den Ausschaffungen ohne Angabe von Gründen hätten die USA Menschenrechtsverletzungen begangen, erklären mehrere Arbeiter und Zeugen. Der «New York Times» berichteten sie über unwürdige Haftbedingungen: Nach der Konfiskation der Handys konnten sie niemanden kontaktieren, Massenräume mit primitiven sanitären Einrichtungen, schlechte Mahlzeiten. Das südkoreanische Aussenministerium hat angekündigt, diese Vorwürfe zu untersuchen.

An jenem Donnerstagmorgen anfangs September ahnte niemand im Ellabell-Komplex von Hyundai, was in Kürze über sie hereinbrechen sollte. Mehr als 400 US-Agenten stürmten den Ellabell-Komplex. Der bereits erwähnte Ingineur Park Sun-kyu war gerade daran, einem US-Kollegen in seinem Büro zu erklären, wie man Fehler in einem computergesteuerten Fertigungssystem behebt. Da stürmte ein US-Agent der Home Security mit einer Handfeuerwaffe herein und rief: «Alle raus!»

Anfänglich wurden die US-Bürger aussortiert, dann unter den Ausländern jene mit ESTA-, B-1- und B-2-Visa (Touristenvisa) ausgesondert. Sie mussten ohne Übersetzungshilfe Fragebogen und Formulare ausfüllen, die ihren Aufenthaltsstatus definieren sollten. Keiner von ihnen hatte die Absicht, sich als festangestellter Arbeiter niederzulassen. Sie alle waren aufgrund einer Vereinbarung zwischen den USA und Südkorea temporär für eine qualifizierte Arbeit von wenigen Monaten ins Land gekommen und sollten helfen, dass ihre Arbeit möglichst bald von Einheimischen übernommen werden könnte.

Legal oder illegal

Alle südkoreanischen Arbeiter mit einem ESTA-, B-1- oder B-2-Visum wurden verhaftet, in Handschellen gelegt, in Busse verfrachtet und in ein Internierungslager der Migrationsbehörde in Folkston, Georgia, gebracht. Ob ihr Aufenthalt legal oder illegal war und gegen welche Gesetze sie verstossen haben sollen, wurde keinem der 317 Verhafteten mitgeteilt. 

Park Sun-kyu sagte der «New York Times», er habe vor seinem Auftrag in Georgia Fabriken für die Herstellung von Elektroautobatterien in Indonesien, Michigan und Ohio gebaut. Sein Kollege Kim Min-su habe dasselbe in Polen, Ohio und Tennessee getan, und Nate Cho, ein anderer Kollege, habe beim Bau eines Kernkraftwerks in den Vereinigten Arabischen Emiraten und einer Samsung-Halbleiterfabrik in Texas mitgeholfen. Alle drei sind sie mit Hunderten weiteren Südkoreanern vor kurzem nach Georgia gekommen, um einheimische Mitarbeitende beim Aufbau der Fabrik für Batterien für Elektroautos zu unterstützen.

Alle sind hochqualifizierte Ingenieure, die meinten, einen Beitrag für Trumps Ziel zu leisten, die US-Industrie wiederzubeleben. Ihre Verhaftung und Ausschaffung trafen sie wie ein Blitz aus heiterem Himmel.

USA und Südkorea: nicht mehr so innige Verbündete

Die Razzia vom 4. September stellt nicht nur einen eklatanten Widerspruch zwischen Trumps Einwanderungs- und Handelspolitik dar, sondern stellt das Verhältnis zu einem seiner wichtigsten Verbündeten auf eine harte Probe. Südkorea hat eine Woche lang mit Washington verhandelt, damit die inhaftierten südkoreanischen Staatsbürger nach Hause zurückkehren können. Inzwischen untersucht das Aussenministerium in Seoul die vorgebrachten Menschenrechtsverletzungen.

Vor kurzem überrredeten die USA Südkorea dazu, im Land Milliarden Dollar in den Bau neuer Fabriken zu investieren, nicht ohne starken Druck und der Drohung seitens der USA, andernfalls die Handelszölle empfindlich anzuheben. Weil aber für die Fertigung qualifizierte Arbeitskräfte vor Ort fehlen, bemühen sich die südkoreanischen Unternehmen um temporäre Arbeitskräfte mit Kurzzeit- oder gar Touristen-Visa.

Inzwischen hat die Trump-Regierung die Auflagen diesbezüglich noch einmal verschärft und enorme Gebühren für B1-Visa eingeführt. Damit stellt sich Donald Trump selbst ein Bein und führt seine Zollpolitik vollends ad absurdum.

Sollten die Vorwürfe der Menschenrechtsverletzungen erhärtet werden, könnte zwischen Washington und Seoul Eiszeit eintreten, was den Produktionsprozess in den südkoreanischen Fabriken in den USA noch einmal stark verzögern und damit die Aussicht auf einheimische Arbeitsplätze zunichtemachen würde. 


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2 Meinungen

  • am 6.10.2025 um 17:30 Uhr
    Permalink

    Wer jetzt noch nicht kapiert hat, dass die US-Administration nicht «alle Tassen im Schrank hat» ist meiner Meinung nach auch nicht mehr zu retten. Solche Handlungsweisen sind das beste Beispiel dafür, dass die USA keine Demokratie mehr sind (, falls sie es je wirklich waren).

  • am 6.10.2025 um 19:41 Uhr
    Permalink

    Es lässt sich schon die Frage stellen, ob Donald Trump und seine Entourage die intellektuellen Fähigkeiten haben zu realisieren wie eine Volkwirtschaft in einer globalen Welt funktioniert. Das Resultat könnte wohl sein, dass möglicherweise mit Elefant-im-Porzellanladen-Methoden der Dollar als Leitwährung der globalen Welt zerschmettert wird, wenn der Immobilien-Geschäftsmann und Präsident nicht die nötige Hilfe erhält das Weisse Haus professionell zu managen. Mit dem Ziel, dass alle auf dem Globus ein gestärktes Vertrauen in den Dollar haben und reichlich US-Staatsanleihen kaufen.
    Gunther Kropp, Basel

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