PFAS-Regulierung: EU-Experten im Interessenkonflikt
Der Bundesrat geht davon aus, dass sie bereits Gesundheitsschäden angerichtet haben: PFAS. Die sogenannten Ewigkeitschemikalien finden sich im Fleisch und im Trinkwasser. Sie sammeln sich im Körper und der Umwelt an und bauen sich nur sehr langsam ab. Derzeit gibt der Kanton St. Gallen zu reden, weil die Böden von mindestens fünf Bauernhöfen die festgelegten Grenzwerte deutlich überschreiten und die Stoffe auch in Milch oder Bratwürsten nachgewiesen wurden. Ein Experte warnte jüngst, dass bereits tiefe Konzentrationen Krebs fördern können, Organfunktionen schädigen oder das Immunsystem schwächen.
Trotz bekannter Gesundheitsrisiken erfolgt ihr Einsatz auch gewollt. In der Schweiz sind derzeit 108 Pflanzenschutzmittel sowie 121 Parallelimportprodukte zugelassen, die PFAS-haltige Wirkstoffe enthalten. Gemäss Bundesrat wurden 2023 wurden insgesamt 34,5 Tonnen PFAS als Wirkstoffe in Produkten verkauft.
EU dient der Schweiz zur Orientierung
Bei der Regulierung von PFAS schauen Bundesrat und Parlament auf die Europäische Union – unter anderem im Rahmen der laufenden Überarbeitung der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung. In der EU laufen nämlich derzeit ebenfalls Arbeiten an einem strengeren Regelwerk. Deren Abschluss wird für Ende Jahr erwartet. Die neuen Regeln könnten ein Verbot aller Stoffe beinhalten und bloss Ausnahmen vorsehen, wo keine Alternativen vorhanden sind. Die Hersteller wollen hingegen so viele Ausnahmen wie möglich bewahren.
Für das wissenschaftliche Fachwissen stützt sich die EU-Kommission stark auf die European Chemicals Agency (ECHA), eine eigene Beratungsbehörde. Doch nun zeigen Recherchen des Online-Mediums «Follow the Money», dass diese wiederum eine dänische Beratungsfirma anheuerte, um Entwürfe von Berichten über Chemikalien zu schreiben. Interne Papiere zeigen, dass das Unternehmen von der ECHA als erste Anlaufstelle für verschiedene Themen im Zusammenhang mit Chemikalien bezeichnet wird und über einen entsprechenden Beratungsvertrag bis 2030 verfügt. Die Firma beriet die EU-Behörde im Fall von PFAS in Brandschutzschaum oder in Textilien und Kleidung.
Firma berät auch Industrie-Lobby
Das Problem: Die Firma beriet auch den US-Multi Honeywell und die Lobbygruppe Plastics Europe dabei, Verbote bestimmter PFAS-Stoffe zu verhindern. Eine französische Umweltanwältin sagte, dass es durchaus nachvollziehbar sei, dass die EU sich auf die spezifische Expertise abstütze. Im Fall der dänischen Beratungsfirma, die stark von kommerziellen Mitteln abhängig ist, handle es sich aber um einen deutlichen Interessenskonflikt.
Inwiefern sich die Schweiz konkret an der EU orientieren wird, ist noch unklar. Das Parlament neigt derzeit sogar eher zu noch schwächeren Regeln als die EU. So nahm der Ständerat vor wenigen Wochen einen Vorstoss des St. Galler Mitte-Ständerats Benedikt Würth an, der ermöglichen soll, belastetes mit unbelastetem Fleisch zu vermischen, damit etwa einzelne Würste die Grenzwerte einhalten.
Dies würde gemäss einem Umweltforscher allerdings dazu führen, dass mehr Menschen höheren PFAS-Konzentrationen ausgesetzt werden. Der Bundesrat war auch dafür, als Nächstes muss der Nationalrat darüber entscheiden.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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