Sperberauge
«Schmarotzer-Städte»: SVP hat Kreide gefressen
Die SVP versucht der Schweizer Bevölkerung weiszumachen, dass die Land- und Bergbevölkerung die links-grünen «Schmarotzer-Städte» subventioniert. Sogar die links-grün-kritische NZZ hält fest, dass die SVP ihre Thesen «nicht zu belegen» vermag.
Dabei hat sich die SVP grosse Mühe gegeben, insbesondere im Vermeiden von groben Widersprüchen. Zum Beispiel bei den Wasserzinsen ist sie über ihren historischen Schatten gesprungen und hat Kreide gefressen.
Nachdem der Ständerat einer Verlängerung der Wasserzinsen bis 2030 klar zugestimmt hatte, lehnten die Mitglieder der SVP in der Energiekommission des Nationalrats (Urek) eine solche Verlängerung mehrheitlich ab – gegen die Interessen der Bergkantone und voll auf der Linie der Stromlobby, insbesondere des Schweizerischen Wasserwirtschaftsverbandes (SWV), der von SVP-Nationalrat und Urek-Mitglied Albert Rösti präsidiert wird.
Die grosse Überraschung folgte dann im Plenum des Nationalrats: Die geschlossene SVP-Fraktion stimmte plötzlich für die Verlängerung der Wasserzinsen bis 2030. Die SVP hatte gemerkt, dass sie nicht die Interessen der Bergkantone vertreten und ihnen gleichzeitig wichtige Einnahmen streitig machen konnte. Das hätte ihrer Stadt-Land-Polemik widersprochen.
Das war nicht die erste Spitzkehre der SVP in dieser Sache. Als nämlich 2019 im National- und Ständerat eine Senkung der Wasserzinsen zur Diskussion stand, schaffte die SVP ebenfalls in letzter Minute die Kurve Richtung Berggebiet und stimmte gegen eine Senkung (siehe Infosperber: Wasserzinsen: SVP feiert sich).
Vorausgegangen war eine Wasserzins-Attacke von Röstis Wasserwirtschaftsverband, der damals zusammen mit dem Stromverband VSE provokativ eine massive Senkung der Wasserzinsen propagierte (siehe Infosperber: Bergkantone: Anti-Wolf statt Pro-Wasserzinsen). Rösti, der damals auch SVP-Präsident war, trug diese Provokation gegen das Berggebiet in die nationalrätliche Energiekommission, wo er auf weitere SVP-Gesinnungsgenossen stiess.
Erst als Infosperber den lahmen Widerstand der Gebirgskantone kritisierte und der Bündner Not Carl energisch zum Widerstand blies, merkten die Gebirgskantone, was es geschlagen hatte, und mit ihnen auch die SVP (siehe Infosperber: So kam die Lawine gegen die Strombarone ins Rollen).
Was übrigens SVP-Rösti und sein Wasserwirtschaftsverband über die neuste Spitzkehre wirklich denken, kann man im Kommentar auf der SWV-Homepage nachlesen. Dort wird der Entscheid von National- und Ständerat für die Wasserzinsen «bedauert». Die Wasserzinsen seien «viel zu hoch angesetzt».
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Kurt Marti war früher Beirat (bis Januar 2012), Geschäftsleiter (bis 1996) und Redaktor (bis 2003) der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES).
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Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.
Sehr geehrter Herr Marti
Was wollen Sie uns denn jetzt mitteilen? Die Wasserzinsen interessieren doch das normale Fussvolk kein Stück. Aber die ungeheuerliche Geldvernichtung sowie die Diktatur der Städte interessiert einen Grossteil der Bevölkerung! Auch wenn nicht alles so tragisch ist wie es die SVP darstellt so hat es doch ein grosses Diskussionspotential!
Es geht wieder mal gegen die SVP …..
Der Artikel versucht zu suggerieren, dass die SVP (und ihre Parlamentarier) ein monolithischer Block seien, welcher dauernd Spitzkehren mache. Dem ist natürlich nicht so.
Sowohl in der SVP wie auch in den anderen Parteien offenbaren sich innere Differenzen, je näher man herangeht und je genauer man hinschaut, und in jeder Partei gibt es Personen und Meinungen, welche für einen Moment aus der Oberfläche herausragen, als ob sie prononciert die Parteimeinung repräsentieren und im nächsten Moment wieder verschwunden sind.
Das ist normal in jedre Partei, soll auch so sein und kein Grund, wie SVP wieder mal schwarz anzumalen.
Wir als Stimm- und Wahlbürger können uns solche «Ausreisser» merken, wenn wir wollen, können eine Partei anschreiben, wenn wir wollen, und so unserer Irritation Ausdruck verleihen – das tun wir aber leider viel zu selten.
Zu den «Schmarotzer-Städten»: ich bin gebürtiger Stadtzürcher, habe 30 Jahre in Zürich gelebt und kann diese Sicht nur bekräftigen: ja die Städte leben auf Kosten des Landes, schlimmer noch, sie meinen, den Leuten auf dem Lande sagen zu müssen, wie sie zu leben haben (Zweitwohnungen, Bären, Wölfe, Energie 2050 usw).
Das ist nicht gut und kommt nicht gut.
Wenn’s um die Bergkantone geht, speziell um das Wallis,
dann rate ich allen, denn es gibt sinnvollerweise nur eines:
Liebe Leute, ihr dürft deswegen auf keinen Fall verzagen:
und ich rate Ihnen deshalb: Fachmann Kurt Marti fragen!
Er ist ein erfahrener bei den Mächtigen gar nicht beliebt,
Es ist drum ein grosses Glück, dass es diesen Marti gibt.
Ein erfahrener Mann, und das ist selten: nicht korumpiert!
Und soweit ich weiss, hat er sich bisher niemals geirrt.
Das gibt es offenbar tatsächlich unterschiedliche Meinungen in der SVP.
Doch wer in kaum einem Satz eine Partei ohne giftige Wortwahl wie «Kreide fressen, Opportunismus, Polemik, …» benennen kann, scheint selber ein kleines Problem mit Polemik zu haben.