Bundestag

Lauer Wahlkampf? Der deutsche Bundestag wird neu besetzt © Christof Moser

«Wichtigste Wahl der Nachkriegsgeschichte»

Christof Moser /  In sechs Wochen wählt Deutschland. Die Medien kritisieren den langweiligen Wahlkampf. Kulturkritiker Bazon Brock widerspricht.

Berlin, Mitte August: Würden die deutschen Zeitungen nicht unablässig die Langeweile des Wahlkampfs thematisieren, man würde kaum merken, dass die Deutschen in knapp sechs Wochen ein neues Parlament wählen. Die Pappplakate mit den Kandidatenkonterfeis an den Strassenlaternen gehören zum Stadtbild wie die «Sale»-Plakate in den Schaufenstern der Geschäfte. Und die Botschaften auf den Plakaten sind so platt wie der Karton, auf dem sie stehen. Das einzige Thema mit Potenzial, den NSA-Abhörskandal, hat die Regierung in diesen Tagen für beendet erklärt, aber ausserhalb der Medien so richtig gezündet hat diese Thematik sowieso nie. Ist die Langeweile ein Krisensymptom der Demokratie?

Im Gegenteil, sagt Bazon Brock, emerierter Professor für Ästhetik und Kulturvermittlung an der Universität Wuppertal, in einem bemerkenswerten Interview mit dem deutschen «Tagesspiegel»: «Seien wir froh, dass es so undramatisch zugeht. Souverän ist, wer den Normalfall garantiert, und der Normalfall ist, wo nichts passiert.»

«Gauner und Opportunisten» vor Entlastung durch Wähler

Kritik äussert Brock vielmehr an den Parteien und Politikern, die dafür sorgen, dass die wichtigen Themen nicht den Weg in den Wahlkampf finden. «Der Euro bleibt in seiner höchst prekären Lage, es wird ein Schuldenschnitt kommen, bei dem die deutschen viel Geld verlieren werden. Europa steht auf der Kippe.» Angesichts dieser Lage sei die bevorstehende Wahl laut Brock wohl «die wichtigste Wahl in der bundesrepublikanischen Nachkriegsgeschichte». Seine Begründung: «Alles, was wir mit Zukunft verbinden, ist an das Konzept Europa gebunden. Wenn die Währungsunion wegbricht – was bleibt dann noch?»

Die deutschen Wähler, so Bazon Brock, würden deshalb in diesen Wahlen vor einer entscheidenden Frage stehen: «Übernehmt ihr durch euer Votum die Verantwortung für das, was spätestens seit 2007 über die Fehlkonstruktion des Euro bekannt geworden ist?» Die Entscheidung, so Brock, sei von weitreichender Bedeutung: «Wenn die Bürger der Fortsetzung der alten Politik zustimmen, dann sind nicht mehr die Banken und Hedgefonds, Gauner und Opportunisten in Haftung zu nehmen.»

Sondern Deutschlands Wählerinnen und Wähler.

Derzeit deutet alles darauf hin, dass es so kommen wird.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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Deutschland wählt am 22. September

Bleibt die neue Regierung schwarz-gelb oder wird sie schwarz-rot oder schwarz-grün?

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2 Meinungen

  • Portrait_Pirmin_Meier
    am 14.08.2013 um 12:37 Uhr
    Permalink

    Genial scheint mir der Satz «Souverän ist, wer den Normalfall garantiert, und der Normalfall ist, wo nichts passiert.» Es handelt sich um eine Umkehrung des Thomas-Hobbes Dogmas von Carl Schmitt, dem Machtideologen des 20. Jahrhunderts.

    Bisher passte der Satz von Brock vor allem zur Schweiz, wo mit Ausnahme des Politikers, dessen Name nicht extra genannt wurden muss, in den letzten 20 Jahren nebst Thomas Minder kein Störenfried aufgetreten ist; nun hat sich die Kanzlerin dieses Kompliment des Professors unter den Nagel gerissen.
    Die Wahl könnte aber dann zur wichtigsten der Nachkriegsgeschichte werden, wenn die FDP die 5-Prozenthürde nicht schafft und die in den Medien weder regelmässig genannte noch thematisierte, auch im infosperber-Artikel nicht, Alternative für Deutschland es überraschenderweise trotz der Rechtsextremismus-Keule schaffen sollte. Dann würde sich eine sehr schwierige Ausgangslage ergeben, sogar mit Chancen für den Prügelknaben Steinbrück, den ungeliebtesten aber wohl nicht unfähigsten Kanzlerkandidaten in der Geschichte der SPD. Dass es jedoch mit der Linkspartei schwierig wird, liegt nicht in der Leugnung des Schiessbefehls durch den verstorbenen Parteileader Bisky, sondern wegen der aus Gesichtspunkten der Globalisierungskritik und auch Kapitalismuskritik nur konsequenten EURO-kritischen Haltung von Lafontaine u. Co. , welche mit der Alternative für Deutschland über eine erstaunliche Schnittmenge verfügen. Bei Analyse der Tiefenstruktur der politischen Inhalte stehen sich Lafontaine und Sarazin, beide mal SPD, erstaunlich nahe.

    Der Weg der Sicherheit und des europäischen Mainstreams führt also unvermeidlich über die Kanzlerin, die auch als Persönlichkeit im Vergleich zu den langfristig kaum ernst zu nehmenden politischen Halbportionen des europäischen Kontinents als Politprofi im Machtmarketing herausragt. Die Europäische Union kann in diesem Sinn mutmasslich nur durch Merkel «gerettet» werden, wiewohl niemand weiss, wozu eigentlich. Das sogenannte Friedensprojekt stellt nämlich nicht die EU, sondern die NATO dar, sofern Mao recht behält mit dem Satz, dass die Macht aus den Gewehrläufen komme.

  • am 8.11.2013 um 08:51 Uhr
    Permalink

    @Herr Prof. Brock
    Ihnen ist bekannt, dass Deutschland seit 1945 keinen Friedensvertrag hat und dass jede deutsche «Regierung» Marionette von UK/USA war, ist und sein wird? Die «BRD» ist ein Vasallengebilde der Siegermächte.
    Ein deutscher Mensch, welcher sich informiert, hat nur eine Wahl: Nicht wählen, denn jede Regierung, egal welches Parteigetröte sie von sich gibt, tut das, was das Ziel ist: Das deutsche Volk zerstören. Durch Masseneinwanderung. Durch gigantische Enteignung mit Cross Border Geschäften. Durch masslose Abgabepflichten. Durch Zerstörung der Familien. Mit dem ESM Vertrag kann die Deutsche «Regierung» meines Wissens über keinen Cent mehr selbständig entscheiden.
    So ganz nebenbei – ich hoffe doch, dass Sie auch über die gigantischen Lügen betreffs NS und 2.WK informiert sind?

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