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Mitglieder der britischen Königsfamilie präsentieren sich dem Volk. © Michael Garnett / CC BY-SA 2.0

Die Monarchie als gefühlter Staat

Jürg Müller-Muralt /  Monarchien geniessen hohe Aufmerksamkeit. Ihre Attraktivität hat tiefere Ursachen als bloss Geschichten um Glamour und Skandale.

Dieses Verhaltensmuster trifft man häufig an: Viele erklären naserümpfend und auffallend wortreich, dass sie das alles nicht im Geringsten interessiere – und schieben dann doch noch nach, warum sie auf welcher Seite stehen im beinahe Shakespeare’schen Drama um das britische Königshaus: So richtig kalt lässt das Spektakel rund um Harry, Meghan und den Buckingham-Palast kaum jemanden. Wenn etwas los ist im Hause Windsor, dann schaut die Welt hin. Das war schon immer so: Geschätzte drei Milliarden Menschen führten sich vor zehn Jahren die «Traumhochzeit» von Prinz William und Kate Middleton am Fernsehen zu Gemüte. Und auch wenn es im Fall von Harry und Meghan nur ein Interview war und, statt Glamour zelebriert, bloss schmutzige Wäsche gewaschen wurde – die Leute guckten gern hin. 17 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner und 12 Millionen Britinnen und Briten schauten sich das Spektakel live an.

Grosse Begeisterung in der Schweiz

Auch in der republikanischen Schweiz finden Geschichten rund um Monarchien ein dankbares Publikum. Jeder Staatsbesuch in Bern beweist es: Ist ein gekröntes Haupt bei der Schweizer Regierung zu Gast, strömen sehr viel mehr Leute auf den Bundesplatz als bei einem «gewöhnlichen» Staatschef. Die Ausstellung «Die Royals kommen», die das Forum Schweizer Geschichte in Schwyz vom 13. März bis 3. Oktober 2021 zeigt, unterstreicht diesen Befund. «Die Liste der royalen Besuche in der Schweiz ist lang – und genauso imposant: Kaiser Willhelm II., Kaiserin Elisabeth von Österreich, Queen Elisabeth, Königin Astrid von Belgien oder Queen Victoria. Sie und viele weitere königliche Häupter besuchten die Schweiz. (…) Eines haben die königlichen Besuche alle gemeinsam: Sie lösen eine immense Begeisterung in der Schweizer Bevölkerung aus. Tausende Leute säumen die Strassen, frenetischer Jubel begleitet die royalen Gäste. Und auch in den Medien ist ein königlicher Besuch tagelang das dominierende Thema», heisst es auf der Homepage des Museums.

Prunk ist nicht alles

Doch Prunk, Pop und Promi-Faktor sind nicht der alleinige Grund für die internationale Ausstrahlung vor allem der britischen Monarchie, die in umgekehrt proportionalem Verhältnis zu ihrer politischen Funktion steht. Denn Macht hat die Krone keine, wohl aber Einfluss. Dieser wird mit grösster Diskretion ausgeübt. Die Gründe für den hohen Status der britischen Krone liegen in der gelungenen Koexistenz von jahrhundertealten demokratischen mit monarchischen Herrschaftsformen. Grossbritannien ist eine der ältesten Demokratien und gleichzeitig die wohl traditionsreichste Monarchie der Welt. Sie hat alle Revolutionen überlebt, sich geschickt den wechselnden Verhältnissen angepasst und die offene Auseinandersetzung mit den anderen staatlichen Gewalten möglichst gemieden.

Das Amt ist erblich, nicht aber der Respekt

Ob das für alle Zeiten so bleiben wird, ist fraglich. Denn das Amt ist zwar erblich, nicht aber das öffentliche Ansehen und der Respekt gegenüber der Monarchin oder dem Monarchen. Derzeit steht die demnächst 95-jährige Queen noch wie ein Fels in der Brandung. Sie übt ihr Amt mit grosser Ruhe, demonstrativem Pflichtbewusstsein und Charisma aus. Trotz der weitgehenden Akzeptanz: Ganz alles verzeiht man auch dem Hochadel nicht. Als die um Zurückhaltung bemühte Queen der an Massenhysterie grenzenden öffentlichen Trauer nach dem Unfalltod von Prinzessin Diana nicht in gleichem Masse verfiel wie ihre Untertanen, brachte sie die Monarchie in ernsthafte Gefahr. Doch es war wohl nicht allein Gefühlskälte, sondern ein Zeichen der Würde. Auch die klug abwägende und neutralisierende Reaktion auf die Klagen von Harry und Meghan zeigen: Elisabeth II. versteht sich meisterhaft auf das, was man in den «gehobenen Gesellschaftsschichten» als Contenance zu bezeichnen pflegt.

Zustimmung immer noch über 50 Prozent

Die vormoderne Staatsform der Monarchie ist weltweit immer noch sehr präsent. Rund ein Viertel aller Staaten haben einen Monarchen oder eine Monarchin mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen an der Spitze. Die meisten sind eingebettet in einen parlamentarisch-konstitutionellen Rahmen. In Europa haben Monarchinnen und Monarchen ohnehin praktisch nur repräsentative Aufgaben. Im Grunde ist jedoch allein schon die Existenz dieser Staatsform ein fundamentaler Verstoss gegen das Gleichheitsideal der Aufklärung und der modernen Gesellschaft: eine Staatsspitze, die auf dem Zufall der Geburt beruht.

Warum sich gerade auch in Europa so viele Monarchien halten können? Man kann es in jedem einzelnen Fall und für jedes einzelne Land historisch herleiten. Das sagt aber noch wenig darüber aus, aus welchen Gründen sich die europäischen Monarchien immer noch – und trotz erheblicher Kosten für die Steuerzahlenden – eines grossen Rückhalts in der Bevölkerung erfreuen. Auch wenn Umfragen aufgrund aktueller Ereignisse zu Schwankungen führen, liegen die Zustimmungsraten in allen europäischen Monarchien noch weit über 50 Prozent, wie jüngste Zahlen zeigen.

Tradition, Kontinuität, Identität

Das ist rational schwer erklärbar, aber Politik ist ohnehin nicht eine klassische Domäne der reinen Vernunft. Doch möglicherweise liegt es eben gerade daran, dass Monarchinnen und Monarchen keine Politikerinnen und Politiker sind. Das Erfolgsgeheimnis der konstitutionell gezähmten Monarchie besteht in ihrer entpolitisierten Funktion. Das höchste Staatsamt ist dem politischen Tagesgeschäft und den damit verbundenen Auseinandersetzungen – die allerdings essenziell zur Demokratie gehören – enthoben. Ein König ist weder für Erfolg noch Misserfolg einer Regierung verantwortlich. Gerade in unsicheren Zeiten, wo sich die Politik immer grösseren Herausforderungen gegenübersieht, kann der Monarchie eine identitätsstiftende Funktion zukommen. Die Krone steht für Tradition und historische Kontinuität. Sie ist sozusagen der gefühlte Staat, mit dem man sich vielleicht leichter identifizieren kann als mit dem realen.

Selbst unverdächtige Zeitzeugen stellen den Monarchien gute Noten aus. Der damalige französische Kulturminister Jack Lang, ein Sozialist, stellte 1993 fest, «dass die konstitutionellen Monarchien die demokratischsten Länder Europas sind». Und der 2012 verstorbene britische marxistische Historiker Eric Hobsbawm sagte es so: «Die konstitutionelle Monarchie ohne exekutive Macht hat sich als verlässlicher Rahmen für liberaldemokratische Regierungsformen (…) erwiesen. Sie wird weiterhin nützlich sein – und sei es nur deshalb, weil sie die Politik aus der Regelung der Nachfolge ausschliesst.»

Die Krone als Staatsreliquie

In gewissen Fällen wird die Krone gar zu einem reinen Symbol, zu einer mythisch-religiösen Verankerung des Staates. Das kann sogar in einem Staat funktionieren, der keine Monarchie mehr ist, wie das Beispiel Ungarn zeigt. In der vor zehn Jahren verabschiedeten Verfassung nimmt die Präambel Bezug auf König Stefan den Heiligen, der vor rund tausend Jahren gekrönt worden war. Gemäss Präambel verkörpert die «Heilige Krone», die bereits vor einigen Jahren ins Parlament übergeführt worden ist, die verfassungsmässige «staatliche Kontinuität Ungarns». Damit ist ein äusseres Symbol der einstigen Monarchie zur Staatsreliquie avanciert.

Monarchen machen Politik

Dass Monarchien aber auch im demokratischen Europa in speziellen Situationen eine historische Rolle ausüben können, zeigt das Beispiel Spaniens: Beim Staatsstreichversuch 1981 stellte sich der noch von General Franco eingesetzte König Juan Carlos unmissverständlich hinter die demokratische Verfassung und erstickte den Putsch im Keim. Eine exotisch-einmalige Rolle spielte der letzte bulgarische König Simeon II.: Er wurde 1946 abgesetzt, kehrte 1996 unter dem bürgerlichen Namen Sakskoburggotski – gebildet aus dem Namen des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha, dem auch die britische Königin Elisabeth II. angehört – wieder nach Bulgarien zurück und wurde 2001 zum Ministerpräsidenten gewählt. Das Comeback dauerte allerdings nur bis 2005. Demokratisch gewählte Ex-Monarchen mögen zwar einen Start-Bonus haben, aber keine Wiederwahlgarantie. Sakskoburggotski ist jedoch der einzige abgesetzte Monarch der europäischen Geschichte, der demokratisch gewählt an die Macht zurückkehrte.

Keine restaurative Grundwelle

Auch sonst stehen die Chancen schlecht für jene, die von einer Wiedergeburt untergegangener König- und Kaiserreiche träumen. Eine restaurative Grundwelle ist nicht auszumachen. In Deutschland und Österreich existieren zwar konservative Vereinigungen, die für die Monarchie einstehen. Aber ihr Wirkungsradius ist überschaubar. Die deutsche Vereinigung «Tradition und Leben» etwa möchte den deutschen Kaiser zurück und sieht die Monarchie als «einigendes Band um die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen». Durch ihre internationalen verwandtschaftlichen Verflechtungen sei die Monarchie «zudem ein Garant für das Zusammenwachsen Europas». Das ist allerdings ein schlechtes Argument und historisch falsifiziert: Verwandt sind die Dynastien des europäischen Hochadels schon seit Jahrhunderten; aber Kriege verhindert hat das trotzdem nicht.

Grosses hat auch die «Schwarz-Gelbe Allianz» (SGA) in Österreich vor: Wie die Farben im Namen bereits signalisieren, geht es der SGA um die Restauration der einst mächtigsten Dynastie der Welt, der Habsburger. Der SGA schwebt nichts Geringeres vor als «ein Kaiser statt fünf Präsidenten» sowie «ein Staatenbund der Donaustaaten», also ein bedeutender Teil der einstigen habsburgischen Donaumonarchie; und dies alles, «um Interessen gegenüber den Grossen der EU besser vertreten zu können». Monarchisten scheinen in der Tat ein Flair für die Produktion von Traumwelten zu haben – seien es glamouröse Anlässe oder zukünftige Reiche.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

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4 Meinungen

  • am 20.03.2021 um 13:25 Uhr
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    Ein schöner Unterhaltung spendender Beitrag gegen Langeweile. Er lässt einem die Korruption und den Demokratieabbau in Europa für einen Moment vergessen. Alle Sorgen sind weg für einen Moment, wie im Lied von Rheinhard Mey: Ueber den Wolken… Alsbald wache ich auf aus dem Traum, die Steuerformulare rufen, wenn nicht korrekt ausgefüllt, werde ich schriftlich mit Einschätzung bedroht, obwohl behindert und auf dem Existenzminimum lebend . So wandern meine Gedanken zu Shakespeare, «Sein oder nicht Sein» zu dem Teil: Denn wer ertrüge der Zeiten Spott und Geisel, und den Hochmut der Aemter.. Wenn ich mir also für mein Behinderten- Elektrodreirad eine neue Batterie will leisten können dieses Jahr, muss ich wieder 5 Zeugnisse einsenden, 7 Formulare ausfüllen, und mich wirtschaftlich völlig nackt ausziehen. Während Starbucks null Steuern zahlt in der Schweiz. Der König ist tot, es lebe der König. Wie schön wäre doch der Traum der Monarchie….

  • am 21.03.2021 um 14:49 Uhr
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    » Verwandt sind die Dynastien des europäischen Hochadels schon seit Jahrhunderten; aber Kriege verhindert hat das trotzdem nicht. »
    JA, es haben immer wieder Kriege stattgefunden. Hätte es aber nicht noch mehr Kriege gegeben, wenn im europ. Hochadel über die Grenzen von Monarchien nicht geheiratet worden wäre ?
    Extreme Nationalisten, Rassisten und Religiöse hassen Heiraten über ihre ideologische Grenzen hinweg.
    Haben die realexistierenden Demokratien (USA, GB, Frankreich) mehr oder weniger zum Frieden auf der Welt beigetragen, mit ihren hauptsächlich eigennützigen wirtschaftlichen Interessen zuerst. bei der Ausbeutung von Rohstoffen im Kolonialismus und heute mit Rohstofflizenzen ?
    Die Machthaber in Kapitalschwachen Ländern lassen sich lieber korrumpieren, bevor die Konzerne nach dem Motto handeln, «Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt»; ausgelagerte u/o indirekte Gewalt natürlich.
    Von aufgzwungenen Freihandelsabkommen zwischen viel stärkeren und viel schwächeren u. dem lukrativen Export von Waffen, noch gar nicht zu sprechen. Kopiert das China sind das böse Kommunisten.
    Die Produktion von Traum- u. Scheinwelten durch Marketing, ThinkTanks u. PublicRelation-Agenturen im Auftrag der monarchistischen Kapitalgewaltigen verführen DAS Volk viel professioneller und vor allem subtiler, wie einst schon. Die tats. Vormacht über «Grund u. Boden», in seinen versch. Formen, ist jenseits von der Staatsform immer noch auschlaggebend.

  • am 21.03.2021 um 16:35 Uhr
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    Nachdem ich durch die Meldungen allüberall neugierig auf das Interview geworden war, zog ich es mir rein. Beeindruckt hat mich allerdings nur die Bemerkung von Prinz Harry,
    dass die Mitglieder der königlichen Familie Gefangene in ihrer nicht selbstgewählten Rolle seien.
    Dies bestätigte meine Ansicht, dass es eine Ungeheuerlichkeit ist und gegen die Menschenwürde verstösst, wenn sich ein Volk fühlende menschliche Wesen zur Unterhaltung und Belustigung wie Zootiere hält – was ja ebenfalls kaum erträglich ist.
    Meine Achtung u. Bewunderung gebührt also diesem jungen Mann, der mit Hilfe seiner Frau aus diesem Gefängnis ausgebrochen ist. Ich hoffe, er hält all den Anfeindungen stand, denen er vermutlich noch lange Zeit ausgesetzt sein wird.

  • Portrait_Gnther_Wassenaar
    am 22.03.2021 um 14:02 Uhr
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    Die erste siegreiche sozialistische Revolution, fand 1917 in der SU statt, also vor 104 Jahren.
    Der Kapitalismus existiert seit etwa 500 Jahren!
    Den Sozialisten wird vorgeworfen, dass das Experiment nicht funktioniert hat, dass also nach derart kurzer Zeit der Kapitalismus wieder im Amt ist, somit der Sozialismus nicht funktioniere.
    Das Bürgertum hat es bis heute nicht geschafft, den Feudalismus zu besiegen. Trotzdem schlagen sie sich auf die Brust und erklären sich als die Sieger. Dabei vergessen sie zu erwähnen, dass dieser Marx festgestellt hatte, dass dieses Bürgertum, als seine historische Pflicht, die Beseitigung des Feudalismus UND die Schaffung einer funktionsfähigen modernen Industrie hat. Revolutionen haben bisher immer in Staaten stattgefunden, in denen das Bürgertum auch diese Aufgabe in keiner Weise erfüllt hatten. Sowohl in dem fast noch im Mittelalter stehenden Russland, oder aber in den Ländern des Balkans, in der Mongolei, in China, in Kuba, … in allen Ländern sind die Produktionansbedingungen weit hinter denen des modernen kapitalistischen Staates zurück gewesen und die Kommunisten mußten zuerst die Aufgabe des Bürgertums erfüllen, bevor sie die Aufgabe der Herausbildung einer modernen sozialistischen Gesellschaft in Angriff nehmen konnte. Das Erreiche, wird dann an den modernsten kapitalistischen Staaten gemessen, ohne dabei zu betrachten, dass die Mehrzahl der kapitalistischen Staaten selbst 1990 noch, weit dahinter liegt

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