Deutsche Rheinmetall soll «globaler Rüstungschampion» werden
Der Krieg von Russland gegen die Ukraine macht so manches möglich, was man sich vor vier Jahren noch nicht hätte vorstellen können. Die weltweite Aufrüstung ist in vollem Gange, die einzelnen Staaten überbieten sich in ihren Anstrengungen. Auch Deutschland zeigt sich diesbezüglich «solidarisch»; die aktuellen Pläne weisen auf gigantische Investitionen in der Rüstungsindustrie hin, die nur durch einen eigentlichen Sozialkahlschlag zu finanzieren sind.
Berichte von German Foreign Policy
Zwei Berichte von «German Foreign Policy» von Anfang September zu «Informationen zur Deutschen Aussenpolitik» sprechen diesbezüglich von «Wahnsinn» und einem «Epochenbruch». Bei «German Foreign Policy» handelt es sich nach eigenen Angaben um «eine Gruppe unabhängiger Publizisten und Wissenschaftler, die das Wiedererstarken deutscher Grossmachtbestrebungen auf wirtschaftlichem, politischem und militärischem Gebiet kontinuierlich beobachten».
Der erwähnte «Wahnsinn» hat drei wesentliche Bestandteile: Erstens den Ausbau von Rheinmetall, Deutschlands grösster Waffenschmiede, zum «globalen Rüstungschampion». So nannte es der Konzernchef Armin Papperger. Zweitens brutale Kürzungen des Sozialetats durch die Regierung in Berlin, um dies zu erreichen. Und drittens eine immer stärker werdende Repression gegen Aufrüstungs- und Kriegsgegner.
Rheinmetall soll die grössten US-Rüstungsfirmen konkurrieren
Am 3. September weihte Rheinmetall in Unterlüss zwischen Hannover und Hamburg im Beisein von Verteidigungsminister Boris Pistorius, Finanzminister Lars Klingbeil und Nato-Generalsekretär Mark Rutte die grösste Munitionsfabrik Deutschlands ein. Diese soll jährlich bis zu 350’000 Artilleriegranaten produzieren können. Damit entpuppt sich der deutsche «Rüstungschampion» nicht nur als eigentlicher Gewinner des 2022 begonnenen Rüstungswettlaufs, sondern möchte bis 2030 sogar den grössten Rüstungsunternehmen der USA, Lockheed Martin und RTX, die Stirn bieten.
Der Umsatz von Rheinmetall von 6,4 Milliarden Euro im Jahr 2022 betrug 2024 bereits 9,8 Milliarden Euro (also eine Steigerung von 50 Prozent) und soll gemäss Konzernchef Armin Papperger bis 2030 auf 40 bis 50 Milliarden Euro anwachsen. Ein unglaubliches Wachstum von gegen 500 Prozent also.
Damit würde Rheinmetall zu den weltweit grössten Waffenschmieden aufsteigen: Lockheed Martin erzielte 2023 einen Umsatz von umgerechnet rund 52 Milliarden und RTX einen solchen von 35 Milliarden Euro. Im Moment belaufen sich die Aufträge bei Rheinmetall auf rund 63 Milliarden Euro. Der zivile Sektor von Rheinmetall, vor allem als Zulieferer für Lastwagen, ist praktisch eingebrochen und wird für die Produktion von Rüstungsgütern gebraucht.
Rheinmetall ist an 174 Standorten in über 30 Ländern aktiv; der Personalbestand von aktuell 30’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll sich innerhalb der nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln und auf 70’000 steigen. Die eben eröffnete Munitionsfabrik in Unterlüss ist dabei nicht mal die grösste in Europa; in ihrem Werk in Spanien produziert Rheinmetall bis zu 450’000 Artilleriegranaten jährlich.
Wegen des Fünf-Prozent-Beschlusses des jüngsten Nato-Gipfels – alle Mitgliedsländer sollen ihren Rüstungsetat auf mindestens 5 Prozent des Bruttoinlandprodukts hochfahren – werde das Auftragsvolumen für Rheinmetall bis 2030 auf bis zu 300 Milliarden Euro ansteigen, hofft der CEO.
Wer zahlt das alles?
Die deutsche Bundesregierung hat deshalb eine beispiellose Aufstockung des Rüstungshaushaltes geplant und nimmt dabei Schulden in ungeahnter Höhe in Kauf. Schon im laufenden Jahr ist ein Zuwachs des Bundeswehretats von rund 20 Prozent geplant. Bis Ende 2027 soll der weitere Zuwachs rund 50 Prozent betragen. Für die Finanzierung sieht die Bundesregierung ein «Sondervermögen» für die drei Jahre 2025 bis 2027 von insgesamt 80 Milliarden Euro und nachher Nettokreditaufnahmen von über 100 Milliarden Euro pro Jahr vor. Das «Sondervermögen», das unabhängig vom regulären Haushalt und an der «Schuldenbremse» vorbei für spezifische Investitionen vorgesehen ist, war ursprünglich für die Anstrengungen zur Erreichung der Klimaziele bis 2045 gedacht.
Diese gewaltigen Finanzierungslücken sind nur durch einschneidende Ausgabenkürzungen zu stopfen. Bundeskanzler Friedrich Merz sprach Anfang September davon, dass «der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, nicht mehr finanzierbar» sei und «Reformen», also dramatische Kürzungen unvermeidlich seien. «Ich werde mich durch Worte wie Sozialabbau und Kahlschlag und was da alles kommt nicht irritieren lassen», liess Merz verlauten. Sogar der Sozialdemokrat und Finanzminister Klingbeil stellt solche Reformen nicht grundsätzlich in Frage und fordert eine Überprüfung der sozialen Sicherungssysteme. Es ist von einem «Paradigmenwechsel» und einem «Epochenbruch» die Rede, nach der vom ehemaligen Bundeskanzler Olaf Scholz 2022 heraufbeschworenen «Zeitenwende».
Die Armut nimmt in Deutschland zu
Dieser «Epochenbruch» oder das «Ende der Bonner Republik» – Originalton Merz – bedeutet für Millionen von Menschen in Deutschland den sozialen Abstieg in Armut und Arbeitslosigkeit. Zuerst plant die Regierung die Kürzung des Bürgergeldes um 10 Prozent, also um fünf Milliarden Euro. Das Bürgergeld sichert den Lebensunterhalt von Menschen, die nicht selbst für sich sorgen können, ist also das letzte Auffangnetz für von Armut Betroffene. Laut dem Statistischen Bundesamt lag die Armutsgefährdungsquote 2024 bei 15,5 Prozent und damit höher als im Vorjahr (2023: 14,4 Prozent).
Dieses Jahr soll sie weiter steigen, und wenn das Bürgergeld gekürzt werden soll, könnte bald bis zu einem Fünftel der Bevölkerung von Deutschland von Armut betroffen sein. Gleichzeitig steigen die Anzahl und die Vermögenswerte der Superreichen. Laut der Deutschen Bundesbank besitzen die reichsten 10 Prozent der Haushalte 54 Prozent des Gesamtvermögens, während die ärmeren 50 Prozent nur gerade 3 Prozent davon ihr Eigen nennen können. Die Zahl der Milliardäre steigt im Durchschnitt um zehn Prozent jährlich. Dagegen ist das mittlere Einkommen von Menschen, die von Armut betroffen sind, seit 2020 stetig gesunken und beträgt noch 921 Euro im Monat; es ist zu befürchten, dass viele im kommenden Winter ihre Wohnung nicht mehr heizen können.
Repression gegen Rüstungsgegner
Die geplante Hochrüstung, der Kahlschlag bei den Sozialleistungen und die zunehmende Armut gehen laut «German Foreign Policy» einher mit einer wachsenden Repression gegen Menschen, die sich dem «Wahnsinn» entgegenstellen. Die Teilnehmenden einer Demonstration in Köln von Anfang September seien von der Polizei brutal eingekesselt und angegriffen worden; 147 mussten vom Sanitätspersonal behandelt werden. Der Protest gegen die Hochrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft solle im Keim erstickt, kriminalisiert und präventiv verhindert werden.
Die Teilnehmenden eines Anti-Kriegs-Camps traten in Köln mit der Parole «Krieg dem Kriege» auf, die auf den Titel eines Gedichts von Kurt Tucholsky verweist, der es 1919 aus der eigenen Erfahrung des Grauens in den Schützengräben im Ersten Weltkrieg verfasst hat. Die Behörden nahmen jetzt zynischerweise diese Parole zum Anlass, das Recht auf Versammlungsfreiheit auszuhebeln, da die Demonstrierenden die geplante Aufrüstung mit «kriegerischen Mitteln» zu bekämpfen trachteten.
Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors
Keine
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