Radio SRF 1 Rendez-vous Mieten

Die «geballte Kompetenz der nationalen Fachredaktionen» schützt auch das «Rendez-vous» von Radio SRF 1 nicht vor Fehlleistungen. © SRF

Wenn schon der erste Satz falsch ist…

Marco Diener /  «Die Mieten sanken jahrelang.» Das verkündete die Mittagssendung «Rendez-vous» von Radio SRF. Klingt gut. Ist aber falsch.

Der Hauseigentümer-Verband dürfte seine helle Freude an Radio SRF 1 haben. Im «Rendez-vous» verkündete die Sprecherin diese Woche: «Die Mieten sanken jahrelang. Nun steigen sie.»

Es klang, als wäre für die Mieter und Mieterinnen alles halb so schlimm. Als hätten sie jahrelang von Senkungen profitiert und als könnten sie nun auch mal wieder eine Erhöhung verkraften.

Die Mieten steigen fast immer

Doch die Meldung war falsch. Die Mieten steigen Jahr für Jahr. Das wissen Mieter und Mieterinnen. Und darauf hätten auch die Radioleute kommen können, wenn sie nur kurz nachgedacht hätten. In den letzten Jahren war ständig von steigenden Mieten die Rede, kaum von sinkenden.

Das bestätigt auch der Blick in den Mietpreisindex des Bundesamts für Statistik (BFS). Das BFS erhebt ihn seit 1939. Seither sind die Mietpreise drei Mal gesunken: in den Kriegsjahren 1940 und 1941 sowie im Jahr 1979. In den restlichen 80 Jahren sind sie stets gestiegen.

Und zwar nicht zu knapp. Das zeigt der Blick auf die letzten fünf 10-Jahres-Abschnitte:

  • Von 1972 bis 1982 stiegen die Mieten um 54 Prozent.
  • Von 1982 bis 1992 sogar um 62 Prozent.
  • Von 1992 bis 2002 immerhin noch um 16 Prozent.
  • Von 2002 bis 2012 abermals um 16 Prozent.
  • Von 2012 bis 2022 noch um 9 Prozent.

«Geballte Kompetenz»

Schade, dass die «Rendez-vous»-Leute die Fakten derart verdrehen. Dabei wirbt doch SRF fürs «Rendez-vous» vollmundig: «In grosser Geschwindigkeit und dank der geballten Kompetenz der nationalen Fachredaktionen berichtet das ‹Rendez-vous› jeden Mittag zeitnah über die wichtigsten Neuigkeiten des Tages aus erster Hand. In der Informationsflut aus Politik und Wirtschaft bieten wir Ihnen Orientierung.» Aber wenn schon der erste Satz des «Rendez-vous» falsch ist — ja, dann fehlt ein bisschen das Vertrauen in den Rest der Sendung.

Nicht die Mieten, sondern der Referenzzinssatz

Infosperber wollte von den SRF-Leuten wissen, wie sie darauf gekommen seien, dass «die Mieten jahrelang sanken». Und siehe da: SRF musste zugeben, dass die Mieten gar nicht gesunken sind. Vielmehr sei «der Referenzzinssatz im Laufe mehrerer Jahre gesunken».

Nur bedeutet ein sinkender Referenzzinssatz noch lange nicht, dass auch die Mietpreise sinken. Das haben Mieter und Mieterinnen in den letzten Jahren schmerzlich erfahren. SRF gibt denn auch zu, dass die Formulierung «in der Verkürzung nicht korrekt» gewesen sei. Infosperber findet: Die Formulierung war nicht verkürzt, sondern falsch.


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Keine
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6 Meinungen

  • am 3.06.2023 um 07:49 Uhr
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    Kann ich aus persönlichen Erfahrungen bestätigen. Die Mieten sind in den letzten 20 (oder sogar mehr) Jahren nie gesunken. Schon wegen der Zuwanderung nicht. Der einzige Weg weniger Miete zu zahlen ist schon länger ‹aufs Land› zu ziehen – weit weg von möglichen Arbeitsplätzen.
    Da sieht man wieder mal, wie ‹abgehoben› von der realen Welt die ‹geschützte Werkstatt› SRF wirklich ist…

  • am 3.06.2023 um 15:50 Uhr
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    Die vierte Gewalt ist schon eine Weile tot. Die Verleger in stiller Trauer leben gut davon und damit.

  • am 3.06.2023 um 15:56 Uhr
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    «So fühlt man Absicht, und man ist verstimmt», denn: «Semper aliquid häret» (Etwas bleibt immer hängen)

  • am 3.06.2023 um 17:25 Uhr
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    Schönes Beispiel, das zeigt, wie die Qualität in den Medien sinkt. Diese heutigen Journalisten machen alle ihren Job, geben das Beste, und sind trotzdem meilenweit entfernt von der Qualität vor 20 Jahren.
    Alle sind in unserem hervorragendem Schulsystem von ebenso hervorragenden Lehrern (womöglich sogar HSG Absolventen) ausgebildet worden.
    Resultat: Keine Ahnung von der Realität, keine Hinterfragungen, keine Selbstzweifel am vermittelten Wissen.
    Wo soll das hinführen?

  • am 3.06.2023 um 21:55 Uhr
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    Es ist nicht das erste mal, dass unser Radio- und TV Staat-Sender falsche oder auch verfälschte Meldungen brachten.. Das gleiche können auch die Kolleginnen und Kollegen vom Fernsehen. Die bekommen es fertig, relevante politische Meldungen zu unterschlagen. Z.B. alle westeuropäischen TV-Sender brachte von 2 Tagen die Meldung in ihren Tagesschauen, dass ausgerechnet an der wichtigen Konferenz in Moldau unter Teilnahme von ca. 50 Regierungsvertretern der Türkische Präsident Erdogan durch Abwesenheit glänzte. Unser Staatsfernsehen schwieg.

  • am 4.06.2023 um 09:33 Uhr
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    «Infosperber wollte von den SRF-Leuten (_leider_ _nur_) wissen, wie sie darauf gekommen seien, dass die Mieten jahrelang sanken»
    Eine nicht ganz unwichtige Frage, die ich habe, ist «Wie kann man eigentlich einen steigenden Mietzinssatz mit einem Referenzzinssatz verwechseln?»
    Wenn eine solche Verwechselung schwer denkbar ist, «war das vielleicht Absicht?»
    Wenn es keine Absicht war, «darf ein völlig unwissender Volontär vielleicht Artikel veröffentlichen, ohne dass jemand noch mal drüber schaut?»

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