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Diese Firma ködert Leute, die ihr Image «optimieren» oder «präventiv schützen» möchten © Clickonmedia

Professorin zahlt Firma, um ihren Ruf zu polieren

Urs P. Gasche /  Ein kritischer Artikel auf Infosperber passt der Basler Psychiatrie-Direktorin nicht. Sie will ihn zum Verschwinden bringen.

Im November 2013 hatte Infosperber einen Artikel veröffentlicht über Professorin Undine Lang, Direktorin der Erwachsenenpsychiatrie der Basler Universitären Psychiatrischen Kliniken. Unter dem Titel «Professorin ändert Zitate, zitiert falsche Quellen» informierte Infosperber, dass die Professorin verlangte, Originalzitate aus ihrem Buch zu ändern und damit ihr eigenes Buch falsch zu zitieren.

Artikel auf Infosperber vom 7. November 2013
Zudem gab Undine Lang eine Buchquelle an, welche einen behaupteten Zusammenhang belegen sollte. Doch der Buchautor erklärte, die von Lang behauptete Aussage gehe aus seinem Buch nicht hervor. Die Psychiatrie-Professorin konnte Stellung nehmen.
Nach Veröffentlichung des Artikels auf Infosperber reagierte Undine Lang nicht. Sie verlangte weder eine Gegendarstellung noch eine Berichtigung. Doch etliche Zeit später verlangte sie von Infosperber, den Artikel über sie aus dem Infosperber-Archiv zu löschen, weil er bei Google unter ihrem Namen immer noch erscheine. Infosperber ging nicht darauf ein.
Am 20. Juli 2016 erhielt Infosperber ein E-Mail-Schreiben von einer «Clickonmedia UG» (UG = mit eingeschränkter Haftung) in München mit dem Vermerk «Anschreiben wg. Inhaltsentfernung». Die Firma bietet auf der Internetseite «Yourreputation24.com» ein «Professionelles Reputationsmanagement» an: «Wir lassen kritische Internet-Einträge über Sie oder Ihr Unternehmen entfernen und verdrängen, optimieren Ihre Online-Reputation unter Anwendung bewährter Strategien». Weiter wirbt die Agentur: «Befreien Sie sich jetzt von negativen Internet-Einträgen! Die hohen Erfolgsquoten sprechen für sich». Unter «negativen Einträgen» nennt die Agentur «schädigende Presseberichte».
Die Direktorin der Erwachsenen-Psychiatrie der Universität Basel zahlte für den Service von «www.yourreputation24.com», um einen Artikel aus dem Infosperber-Portal entfernen zu lassen, der sich kritisch mit ihrer Arbeit auseinandersetzte.
Im E-Mail-Schreiben an Infosperber informierte die «Clickonmedia UG», sie sei von Frau Undine Lang «mit der Verbesserung ihrer Online-Reputation beauftragt» worden. Infosperber solle den «kritischen Beitrag» «entfernen oder verändern».
Infosperber teilte Professorin Undine Lang das Erstaunen mit, dass sie auf diesem Weg erneut versuche, den Artikel aus dem Online-Archiv zu entfernen: «Auch die Arbeit von Professorinnen und Wissenschaftlerinnen sollen Medien nicht nur positiv, sondern auch kritisch verfolgen.»
Da Undine Lang weder eine gesetzliche Gegendarstellung noch Berichtigung verlangt hatte, würden wir davon ausgehen, «dass der Artikel presserechtlich korrekt war und ist.»
Statt einer Antwort der Professorin erhielt Infosperber am 30. Juli ein erneutes Schreiben der «Clickonmedia UG» «wg. Inhaltsentfernung». Sie habe die Rechtslage zwar «weder geprüft noch beurteilt», doch machte «Clickonmedia UG» darauf aufmerksam, das es «unserer Kundin frei steht, sich an unsere Kooperationskanzlei zu wenden und sich rechtlich vertreten zu lassen
Infosperber liess auch dieses Schreiben unbeantwortet und wandte sich wieder direkt an die Professorin: «Sie haben sich immer noch nicht dazu geäussert, weshalb in Ihrem Fall das Recht auf Vergessen höher zu gewichten ist als das öffentliche Interesse am Inhalt des fraglichen Artikels». Wir würden davon ausgehen, dass das öffentliche Interesse überwiegt und einen Artikel darüber planen.
«Das war nicht intendiert»
Darauf meldete sich Undine Lang umgehend: «Von diesen diversen Mails und von einer Kooperationskanzlei ist mir nichts bekannt», schrieb sie und bedauerte: «Das war so sicher nicht intendiert» (österreichisch für beabsichtigt).
Es folgte ein Telefon von Anna Lüthi, der Mediensprecherin der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Professorin Lang und sie als Medienbeauftragte wüssten nichts davon, dass Professorin Lang einen Auftrag an eine «Yourreputation24.com» erteilt habe. Die beiden wussten nicht, dass Infosperber folgende Kopie der von Undine Lang unterschriebenen und mit dem Universitätsstempel versehenen Vollmacht hatte:

Von der Professorin unterschriebene Vollmacht. Grössere Auflösung hier.
Warum die Professorin diese Vollmacht eigenhändig unterschrieben sowie den Auftrag an «Yourreputation24.com» erteilt hatte und trotzdem erklärte, sie wisse nichts von einem solchen Kontakt, bleibt offen. Hat sie die Unwahrheit gesagt oder blauäugig etwas unterschrieben? Immerhin hat Infosperber sie mehrmals auf die Interventionen von «Yourreputation24.com» schriftlich hingewiesen.
Am 31. August erhielt Infosperber ein letztes E-Mail-Schreiben von Undine Lang: «Besten Dank für Ihr Angebot, eine Stellungnahme abzugeben. Auf eine Stellungnahme zu diesem Zeitpunkt möchten wir verzichten
Die Lehren aus dieser Geschichte:

  • Wer für eine öffentliche Aufgabe verantwortlich ist, muss akzeptieren, dass Medien neben manchen positiven auch mal einen kritischen Artikel veröffentlichen.
  • Es ist davon abzuraten, fragwürdige Firmen wie die «Clickonmedia UG» alias «Yourreputation24.com» zu beauftragen, «kritische Internet-Einträge zu entfernen oder zu verdrängen» und die «Online-Reputation unter Anwendung bewährter Strategien zu optimieren». Wer Formulare wie das untenstehende ausfüllt, wirft Geld in den Rhein.


Grössere Auflösung hier.
Zum ursprünglicher Artikel über Professorin Undine Lang, Infosperber vom 7.11.2013


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Der Autor war auch der Autor des Artikels «Professorin ändert Zitate, zitiert falsche Quellen» vom 7. November 2013.

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2 Meinungen

  • am 11.10.2016 um 18:26 Uhr
    Permalink

    Erstaunlich… Mit solchen Versuchen macht frau es nur schlimmer, da dann mehr Leute auf die Mogeleien aufmerksam gemacht werden, wobei ich das Abstreiten schlimmer finde als die ursprünglichen unsauberen Behauptungen, die ich auch schon gehört hatte, und gerne gewusst hätte, unter welchen Randbedingungen sie zutreffen.

    Zudem ist es gar nicht möglich – zumindest ohne einen gerichtlichen Beschluss oder mächtige Beziehungen – etwas aus dem Internet zu löschen, besonders wenn es wie dieser Artikel 5 Mal auf Archive.org archiviert wurde, letztmalig am 22.5.2015:

    https://web.archive.org/web/20150322083810/http://www.infosperber.ch/Artikel/Gesundheit/Undine-Lang-Psychiatrische-Klinik-Basel-Zitate-Quellen

    Vielleicht könnten sich Frau Lang und Herr Gasche einigen, auf Infosperber eine Zusammenfassung des *heutigen* Erkenntnisstandes zu publizieren, für welche Demente es besser ist, sich zu Hause, und für welche es besser ist, sich im Heim, pflegen zu lassen. Es gibt sicher beide Situationen, je nach vorhandenen finanziellen und personellen Ressourcen.

  • am 13.10.2016 um 21:28 Uhr
    Permalink

    "Journalism is printing what someone else does not want printed. Everything else is public relations.» (Urheberschaft umstritten)

    In diesem Sinne danke für solche Artikel…

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