Elon Musk.ComputerBild

Elon Musk ändert wieder einmal die Twitter-Regeln. © ComputerBild

Chaos-Management bei Twitter

Rainer Stadler /  Nun bezeichnet Twitter auch öffentliche Sender als Staatsmedien. Doch Besitzer Elon Musk wechselt fast täglich seine Meinungen.

Neuerdings beschriftet Twitter auch die BBC mit dem Zusatz «Government Funded Media». Damit stellt das von Elon Musk gekaufte Netzwerk den britischen Sender in die gleiche Reihe wie die Staatsmedien in autoritär gelenkten Ländern. Dasselbe Schicksal erfuhr dieser Tag der nicht-kommerzielle, US-amerikanische Senderverbund NPR, der nur zu einem geringeren Teil mit öffentlichen Mitteln finanziert wird. Sowohl NPR wie auch die BBC protestierten gegen diese Kennzeichnung, denn ihre Redaktionen würden nicht staatlich gelenkt. Elon Musk schrieb darauf laut dem «Guardian» der BBC in einer Mail, dass kein Medium frei von Voreingenommenheit sei. Doch zähle er BBC News im Vergleich zu anderen Nachrichtenangeboten zu den am wenigsten voreingenommenen. Twitter wolle aber Transparenz herstellen und darum auf die Eigentümerschaft und die Finanzierung von Medien aufmerksam machen.

Elon Musk lenkt ein

Twitter-Besitzer Elon Musk hat auf die Kritik der BBC reagiert. Das Netzwerk soll den Senderverbund nicht mehr als «staatlich finanziert», sondern als «öffentlich finanziert» bezeichnen. Laut dem «Guardian» (Mittwochsausgabe) sagte Musk, er habe grössten Respekt vor der BBC. Man passe die Twitter-Kennzeichnung an, weil man möglichst wahrheitsgemäss und genau handeln wolle. Wenn dem so wäre, sollte Musk sein Netzwerk nicht aus momentanen Launen heraus steuern, sondern mit einer kontinuierlichen, durchdachten Firmenpolitik. Das würde die Glaubwürdigkeit von Musk stärken. Man wird sehen, ob Musk auch andere öffentliche Sender präziser kennzeichnen wird. Am Mittwochnachmittag war das etwa in Bezug auf das US-amerikanische NPR nicht der Fall – und bei der BBC auch nicht. (ras.)

Weniger sichtbar

Man könnte nun sagen, die Nutzer seien selbst in der Lage festzustellen, welchem Medienangebot sie trauen können; die Kennzeichnung durch Twitter als «staatsnahes Medium» habe darum wenig Bedeutung. Doch sie hat eine konkrete Wirkung. Denn Twitter verzichtet darauf, solche Accounts zu «fördern» und zu «empfehlen». Oder anders formuliert: In dem auch von Algorithmen gesteuerten Kampf um Aufmerksamkeit macht das Netzwerk die entsprechenden Medientitel weniger sichtbar.

Konkurrenz behindert

Twitter hat in den vergangenen Tagen den Zugang zum Newsletter-Dienst Substack behindert. Links zu entsprechenden Angeboten wurden mit der Warnung versehen, dass sie potenziell unsicher seien. Nutzer konnten allerdings diese Warnung übergehen und den betreffenden Link dennoch öffnen. Twitter musste aber wegen dieser Schikane einige Kritik einstecken. Das Netzwerk wolle einen Konkurrenten behindern, hiess es. In der Folge wandte sich auch der US-Journalist Matt Taibbi von Twitter ab. Taibbi war von Twitter-Besitzer Elon Musk jüngst beauftragt worden, interne Unterlagen auszuwerten, welche vor Musks Ära eine ungehörige Kooperation von Twitter-Verantwortlichen mit staatlichen Stellen belegten. Elon Musks Vorgehen gegen Substack und andere missliebige Angebote ist nur ein weiteres Beispiel für die erratische Firmenpolitik des Milliardärs. (ras.)

Twitter definiert staatsnahe Medien so: als Kanäle, «bei denen der Staat durch finanzielle Ressourcen, direkten oder indirekten politischen Druck und/oder Kontrolle über Produktion und Verbreitung die Kontrolle über redaktionelle Inhalte ausübt». Mit dieser Formulierung macht Twitter zu wenig klar, ob systematische oder auch nur gelegentliche staatliche Eingriffe ein staatsnahes Medium ausmachen. Twitter hält in seinen Erläuterungen zum Label derzeit immer noch fest: «Staatlich finanzierte Medienorganisationen mit redaktioneller Unabhängigkeit, wie beispielsweise die BBC in Großbritannien oder NPR in den USA, werden im Sinne dieser Richtlinie nicht als staatsnahe Medien definiert.» Nun hat das Netzwerk seine Praxis geändert. Es gelingt ihm offenbar nicht, die schnellen und teilweise diffusen Eingriffe von Musk organisatorisch rechtzeitig zu verdauen.

Klarere Kriterien nötig

Auch die öffentlichen Sender in den westlichen Staaten sind staatlichem Druck ausgesetzt und müssen staatliche Vorgaben berücksichtigen. Die BBC hat mit ihrem überstürzten Vorgehen gegen ihren Gastkommentator Gary Lineker jüngst gezeigt, wie labil ihre Unabhängigkeit geworden ist. Dennoch unterscheiden sich öffentliche Sender im Westen durch organisatorische und regulative Massnahmen von den Staatssendern in autoritären Ländern, wo eine direkte Befehlslinie zu den Redaktionen führt. Im Sinne der Transparenz sollte Twitter hier mehr Klarheit herstellen. Doch bis das allenfalls geschieht, wird Musk dem Netzwerk und seinen Nutzern bestimmt weitere Überraschungen und Verwirrungen bescheren.

Weiterführende Informationen


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine
_____________________
Meinungen in Beiträgen auf Infosperber entsprechen jeweils den persönlichen Einschätzungen der Autorin oder des Autors.

War dieser Artikel nützlich?
Ja:
Nein:


Infosperber gibt es nur dank unbezahlter Arbeit und Spenden.
Spenden kann man bei den Steuern in Abzug bringen.

Direkt mit Twint oder Bank-App



Spenden


Die Redaktion schliesst den Meinungsaustausch automatisch nach drei Tagen oder hat ihn für diesen Artikel gar nicht ermöglicht.

2 Meinungen

  • am 11.04.2023 um 11:06 Uhr
    Permalink

    Die BBC besteht die BBC per Royal Charter aus dem Jahre 1926. Sie legt Ziele und den Zweck der Tätigkeit der BBC fest und muss alle 10 Jahre erneuert werden. Für die SRG ist die gesetzliche Grundlage das RTVG.

    Der Bestand, die Tätigkeit und die Finanzierung von BBC und SRG erfolgen also per Gesetz, in öffentlichen Auftrag und finanziert durch Zwangsgebühren. Diese Tatsachen sprechen gegen eine von beiden behauptete (organisatorische und inhaltliche) Unabhängigkeit der Medienhäuser vom Staat.
    Der Begriff «State-affiliated media» oder «State-funded media» ist also korrekt.

    Sowohl BBC als auch SRG wehren sich vehement gegen solche Bezeichnungen. Beinahe so, als ob sie sich ihres offiziellen Auftrages und der Quelle ihrer Finanzierung schämten.
    Ist beiden ihre staatliche Assoziation unangehem, sollten sie sich schnellstmöglich privatisieren lassen und über Abos und Werbung finanzieren.
    Dann fällt neben diesen lästigen Twitter Labels auch noch gleich die ganze Diskussion weg.

  • am 13.04.2023 um 17:47 Uhr
    Permalink

    So wie die BBC über Corona berichtet hat und wie wenig über die riesengroße Proteste in London gegen die Coronamaßnahmen, war die ursprüngliche Einordnung von Musk gar nicht so verkehrt.

    Aber natürlich, darf die BBC auf der Seite der Guten, die immer tapfer gegen ‹Fake News› von Regierungskritikern kämpft aber Fake News der Regierung unkommentiert berichtet nicht als staatlich gelenkt bezeichnet werden.

    Das Gemecker der Leitmedien und woker Kreise über Musk ist dermaßen bigott. Als Twitter noch Hedgefonds gehört hat, behaupteten die Leitmedien die Zensur auf Twitter sei keine Zensur, da Twitter ja ein Privatunternehmen sei. Jetzt wo Twitter ab und an mal woke Journalisten für ein paar Tage aussperrt ist es plötzlich Zensur und ein Einmischung eines reichen Milliadärs in den Meinungsdiskurs.

    Wahrscheinlich dürfen nur maximal extrem reiche Hedgefonds in den öffentlichen Meinunsgdiskurs eingreifen.

    Sorry Infosperber, dieser Artikel von so einseitig, dass ich ihn als Propaganda erachte

Comments are closed.

Ihre Meinung

Lade Eingabefeld...