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Soll das Sammeln von Nutzerdaten verboten werden? Der Chef von Axel Springer fordert das. Auch Apple positioniert sich als Datenschützer. © Succo

Datenschützer mit Eigeninteressen

Rainer Stadler /  Apple und der Chef von Axel Springer attackieren das Online-Geschäft mit Nutzerdaten. Muss sich Facebook vor ihnen fürchten?

Die amerikanischen IT-Giganten sind gehörig unter Druck geraten, in sozialer, politischer und technischer Hinsicht. Weitherum beklagt man ihre Übermacht auf den Kommunikationsplätzen. Allerdings sind die grossen Vier – Amazon, Google, Facebook und Microsoft – keineswegs ein homogener Block. Eine Konfliktzone entsteht derzeit zwischen Apple und Facebook. Grund dafür ist der Wille des amerikanischen iPhone-Herstellers, im Frühling die Nutzungsbedingungen auf seinen Smartphones zu ändern. Künftig müssen nämlich alle Anbieter von Apps ihre Kunden um Erlaubnis bitten, ob sie Daten über deren Nutzungsverhalten sammeln dürfen («Opt-in»-Regelung). Einen ähnlichen Weg hat Google eingeschlagen.

Einer Weitergabe persönlicher Informationen können die iPhone-Besitzer bereits jetzt verhindern. Dazu müssen sie allerdings eigenständig die Einstellungen auf ihrem Gerät verändern («Opt-out»). Wenn nun in Zukunft die Konsumenten aktiv gefragt werden, ob sie ihre Nutzungsspuren einer Firma überlassen wollen, ist damit zu rechnen, dass mehr Personen als bisher ihre Privatsphäre schützen wollen.

Empfindliches Werbegeschäft

Das wiederum hat direkte Auswirkungen auf das Geschäft von Facebook. Denn der seit der Corona-Krise noch grössere kommerzielle Erfolg des Netzwerks beruht darauf, dass es aufgrund der unzähligen Nutzerdaten personenspezifische Werbebotschaften vermittelt. Falls die Nutzer ihre persönlichen Daten nicht mehr bekanntgeben wollen, wird Facebook gleichsam blind und verliert seinen Wettbewerbsvorteil gerade auch gegenüber den herkömmlichen Medienanbietern, die über nicht annähernd so gute Konsumentendaten verfügen. Gemäss einer Expertenschätzung könnte Facebook wegen Apples Änderung im zweiten Geschäftsquartal einen Einnahmenverlust von 7 Prozent erleiden. Entsprechend gereizt reagiert Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Seiner Meinung nach sind die Dienste seines Netzwerks nicht zuletzt für kleine Unternehmen nützlich, die sonst im Internet nur schlecht ihre Kunden finden könnten. Insbesondere kritisiert Zuckerberg die Chat-Funktion von Apple, die auf iPhones vorinstalliert ist und damit den zum Facebook-Konzern gehörenden Dienst WhatsApp benachteilige.

Diese Konstellation liefert Stoff für wettbewerbsrechtliche Fragen. Denn zweifellos wird es heikel, wenn ein Plattformbetreiber, wie dies Apple mit dem iPhone ebenfalls ist, gleichzeitig Dienstleistungen anbietet, welche in Konkurrenz zu Wettbewerbern stehen. Doch gleichzeitig ist es richtig, wenn ein Konzern den Handlungsspielraum der Kunden stärkt und es ihnen erleichtert, die Privatsphäre zu schützen.

Der Preis von Gratisdiensten

Es ist indessen unwahrscheinlich, dass der Vorstoss von Apple den Markt der personenspezifischen Werbung in den Grundfesten erschüttern wird. Dieses Geschäft hat bereits eine derart grosse Bedeutung erlangt, dass die betroffenen Unternehmen – die Plattformen wie auch die Werbekunden – andere Wege erkunden werden, um zu den gewünschten Nutzerdaten zu gelangen. Ohnehin basieren die Dienste von Facebook und Co. auf einem etablierten Tauschhandel: Gratis-Nutzung gegen Nutzerdaten für Werbezwecke. Nach wie vor erstaunt es, wie nonchalant gerade auch Facebook-Nutzer persönliche Informationen preisgeben – trotz dem öffentlichen Wehklagen über den Verlust der Privatsphäre. Einen besseren Schutz müsste man aber jenen Personen ermöglichen, die sich explizit von diesen Gratis-Diensten fernhalten, deren Daten aber dennoch quasi als Beifang in die Speicher der sozialen Netzwerke gelangen.

Während Apple dem Netzwerk von Zuckerberg auf technisch-wirtschaftlicher Ebene einen Streich spielen will, versucht es Mathias Döpfner, der Vorstandsvorsitzende und neuerdings Mitbesitzer der Mediengruppe Axel Springer, auf politischem Weg. Am Mittwoch publizierte er in der Zeitung «Die Welt» einen offenen Brief an die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen. Darin beklagt er sich über den Datenhunger und die Allmacht der amerikanischen und chinesischen Tech-Giganten, die daran seien, die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger auszuhöhlen und damit die Demokratie zu unterminieren – dies, indem sie dank ihren immensen Datensammlungen die Nutzer ausspähten und mit ihren Algorithmen steuerten. Das münde letztlich in einen Totalitarismus.

Gesetz gegen Datenbanken

Für Europa erkennt nun Döpfner eine einmalige Chance. Er schlägt nämlich der Kommissionspräsidentin vor, ein Gesetz einzuführen, das es den Technologie-Plattformen verbieten würde, private Daten zu speichern und für kommerzielle Zwecke zu verwenden. Das erinnert ein bisschen an die Idee, einen Porsche künftig mit einem Pferdegespann fortzubewegen.

Der Brief hat bisher wenige Reaktionen ausgelöst, dürfte aber weitherum mit stiller Sympathie zur Kenntnis genommen worden sein. Vor allem in der Medienbranche. Denn wenn man einmal vom staatsbürgerlichen Pathos des Vorstosses absieht, werden handfeste Interessen manifest. Ein Verbot von Datensammlungen würde die Geschäftsgrundlage von Facebook und Google ruinieren. Gleichzeitig wären die herkömmlichen Medienanbieter ihre schlimmsten Konkurrenten los, die einen wesentlichen Teil ihrer Werbeeinnahmen absaugen. Es ist allerdings nicht so, dass die Medienhäuser keinen Datenhandel betreiben würden. Ihre entsprechenden Möglichkeiten sind einfach viel geringer als jene von Facebook und Co.

Schweizer Login-Allianz

Zudem scheinen die Medienhäuser nicht in der Lage zu sein, den technischen Rückstand zu beseitigen. In der Schweiz vereinbarten die grossen Medienunternehmen vor anderthalb Jahren eine Login-Allianz. Deren Ziel ist es, die hiesigen Mediennutzer zu verpflichten, sich zu registrieren und einen Namen sowie eine E-Mail zu hinterlassen. Auch die Kunden von Gratis-Angeboten müssten sich anmelden. Auf diese Weise wollen die Verlage ihrerseits zu Daten gelangen, die sie auf dem Werbemarkt verwenden können – verbunden mit der Garantie, nur anonymisierte Daten zu verwenden. Die Initiative soll also dazu dienen, die Position im Kampf gegen die US-Konzerne zu verbessern.

Doch seit dem Start der Login-Allianz war nicht mehr viel zu hören. Ein Obligatorium gibt es bisher nicht. Der Widerwille der Schweizer Konsumenten scheint zu gross. In Deutschland gab es auch Vorstösse für eine Login-Pflicht. Gemäss dem Vorschlag von Döpfner müssten solche Allianzen zum Datensammeln ebenfalls verboten werden. Das wäre jedoch für die Medienhäuser weniger tragisch als für die IT-Giganten. Denn dann hätten alle gleich lange bzw. kurze Messer.

Aber eben: Das Geschäft mit personenspezifischer Werbung ist inzwischen auf dem Kommunikationsmarkt derart verankert, dass ein Weg zurück illusorisch erscheint. Ob personalisierte, mit Software optimierte Werbung tatsächlich so effizient ist, wie dies die Vermittler versprechen, mag man bezweifeln. Doch allein der Glaube daran macht die Marktleute schon selig.


Themenbezogene Interessenbindung der Autorin/des Autors

Keine.

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